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06/13/2025 12:15

Was gut für das Klima ist, ist nicht automatisch gut für den Ozean

Ilka Thomsen Kommunikation und Medien
GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

    GEOMAR-Studie analysiert Auswirkungen mariner CO₂-Entnahmeverfahren auf den globalen Sauerstoffhaushalt des Ozeans
    13.06.2025/Kiel. Methoden zur Erhöhung der CO2-Aufnahme des Ozeans sollen dabei helfen, die Klimakrise zu bewältigen. Doch insbesondere biologische Methoden, bei denen Biomasse im Meer zersetzt wird, würden gleichzeitig den Sauerstoffgehalt im Ozean erheblich verringern. Die Auswirkungen auf den Meeressauerstoff müssen daher bei der Bewertung dieser Methoden berücksichtigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Oschlies vom GEOMAR. Die Studie ist jetzt im Fachjournal Environmental Research Letters erschienen.

    Die globale Erwärmung ist die Hauptursache für den dramatischen Sauerstoffverlust im Ozean – rund zwei Prozent hat die Menge des in Meerwasser gelösten Sauerstoffs in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen, was bereits gravierende Folgen für das Leben im Meer hat. Jede weitere Erwärmung wird den Sauerstoffverlust noch weiter verstärken. Umgekehrt sollten Methoden, die die Folgen des Klimawandels abschwächen, somit auch dem Sauerstoffverlust entgegenwirken. Doch eine neue Studie zeigt: Insbesondere Verfahren zur marinen Entnahme von Kohlendioxid (CO2), die auf biologischen Prozessen basieren, könnten den Sauerstoffverlust des Ozeans zusätzlich beschleunigen.

    „Was gut für das Klima ist, ist nicht automatisch gut für den Ozean“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies, Erstautor der Studie und Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Gemeinsam mit einem internationalen Team von Wissenschaftler:innen der UNESCO Arbeitsgruppe Global Ocean Oxygen Network (GO2NE) hat er eine umfassende Modellierungsstudie durchgeführt, in der er mithilfe idealisierter globaler Simulationen die direkten und indirekten Auswirkungen verschiedener mariner CO2-Entnahmemethoden (mCDR, marine Carbon Dioxide Removal) auf den Sauerstoffgehalt im Ozean analysiert hat. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht.

    Ozeandüngung oder Algenversenkung sind besonders kritische Verfahren

    Als besonders kritische Verfahren identifizierten die Forschenden die Ozeandüngung, die Makroalgenzucht mit anschließendem Versenken der Algenbiomasse sowie den künstlichen Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser. Bei ersteren werden große Mengen der Algen in den tiefen Ozean eingebracht und dort mikrobiell zersetzt. Dieser Abbauprozess verbraucht Sauerstoff – und zwar in einem Ausmaß, das vergleichbar ist mit dem heutigen jährlichen Sauerstoffverlust durch die globale Erwärmung. Auch der künstliche Auftrieb, bei dem nährstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche gepumpt wird, wo es das Wachstum von Mikroalgen fördert, würde den Sauerstoffverbrauch im Ozean deutlich erhöhen.

    „Verfahren, die zusätzliche Biomasse im Ozean produzieren, deren Abbau Sauerstoff verbraucht, können nicht als unbedenkliche Klimaschutzmaßnahme gelten“, sagt Oschlies. „Unsere Modellrechnungen zeigen, dass manche Methoden zu einem Verlust an gelöstem Sauerstoff im Meerwasser führen können, der vier- bis 40-mal größer ist als der Sauerstoffgewinn, der durch die Minderung der Erderwärmung zu erwarten wäre.“

    Geochemische Verfahren, bei denen keine Nährstoffe zugeführt werden, wie die Alkalinitätserhöhung durch basische Substanzen basierend auf Kalkprodukten, schneiden besser ab. Sie scheinen den Sauerstoffgehalt kaum zu beeinflussen und sind in dieser Hinsicht vergleichbar mit einem Szenario, bei dem einfach weniger CO2 ausgestoßen wird.

    Von allen untersuchten Methoden ist nur der großflächige Anbau und die Ernte von Makroalgen in der Lage, den historischen Sauerstoffverlust im Ozean tatsächlich umzukehren. Bei diesem Ansatz wird im Ozean kein zusätzlicher Sauerstoff verbraucht, da die Nährstoffe zusammen mit der geernteten Biomasse aus dem Ozean entfernt werden. Die Modellrechnungen zeigen: Diese Methode könnte, wenn sie sehr umfassend eingesetzt würde, innerhalb von 100 Jahren zehnmal mehr Sauerstoff liefern, als durch den Klimawandel im Ozean verloren gegangen ist. Allerdings hätte hierbei die Entnahme von Nährstoffen negative Auswirkungen auf die biologische Produktivität im Meer.

    Forderung nach systematischer Überwachung des Sauerstoffs

    Die Forschenden fordern, den Sauerstoffgehalt künftig bei jeder mCDR-Maßnahme systematisch mit zu erfassen und die möglichen Auswirkungen auf den Meeressauerstoff bei der Bewertung ihrer Eignung zu berücksichtigen.

    „Der Ozean ist ein komplexes und bereits sehr belastetes System“, sagt Oschlies. „Eingriffe an einem Ort können weitreichende Folgen haben. Deshalb dürfen wir auch gut gemeinte Klimaschutzmaßnahmen nur nach gründlicher Erforschung mit größter Vorsicht einsetzen, um sicherzustellen, dass wir das Leben im Meer dabei nicht seiner Lebensgrundlage berauben.“

    Hintergrund: CO2-Entnahme als Teil der Klimastrategie
    Selbst bei ambitionierter Klimapolitik wird Deutschland in drei Jahrzehnten voraussichtlich noch immer zehn bis 20 Prozent der aktuellen Treibhausgas-Emissionen freisetzen und die Erderwärmung weiter vorantreiben. Ein möglicher Ausweg, um diese schwer vermeidbaren Restemissionen auszugleichen und damit das Ziel der Treibhausgasneutralität zu erreichen, ist die gezielte Entnahme und Speicherung von Kohlendioxid. Aufgrund seiner natürlichen CO2-Aufnahmefähigkeit ist der Ozean der Hauptakteur im globalen Kohlenstoffkreislauf. Allerdings finden die CO2-Aufnahmeprozesse im Ozean und im Ozeanboden auf langen Zeitskalen statt. Durch mCDR (marine Carbon Dioxide Removal)-Verfahren könnten diese beschleunigt und damit die Kohlendioxid-Aufnahmerate des Ozeans erhöht werden.


    Original publication:

    Originalpublikation:
    Oschlies, A., Slomp, C. P., Altieri, A. H., Gallo, N. D., Gregoire, M., Isensee, K., Levin, L. A., & Wu, J. (2025): Potential impacts of marine carbon dioxide removal on ocean oxygen. Environmental Research Letters.
    https://doi.org/10.1088/1748-9326/ade0d4


    More information:

    http://www.geomar.de/n9907 Bildmaterial zum Download
    https://www.ioc.unesco.org/en/go2ne Global Ocean Oxygen Network (GO2NE)


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Chemistry, Environment / ecology, Oceanology / climate, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research results
    German


     

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