Theorien müssen der praktischen Überprüfung standhalten, das gilt insbesondere auch in der Physik. Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der Texas A&M University, dem Brookhaven National Laboratory, der University of Surrey in Großbritannien und der Michigan State University erreichten einen solchen Meilenstein: Sie konnten erstmals experimentell belegen, dass sich Atomkerne und insbesondere die instabilen Halokerne mit Hilfe der Verhältnismethode untersuchen lassen – und die Bedeutung dieser neuen beobachtbaren Reaktion somit untermauern. Die Ergebnisse veröffentlichte das Team am 28. Mai 2025 im renommierten Wissenschaftsjournal Review Physics Letters.
„Unsere Untersuchungen am Beryllium-11-Halo bestätigten die theoretischen Vorhersagen der Verhältnismethode“, sagt Prof. Dr. Pierre Capel, Institut für Kernphysik der JGU. Dieses wichtige Ergebnis bietet Kernphysikern ein neues Werkzeug zur Untersuchung der Struktur exotischer Kerne.
Verhältnismethode liefert präzise Informationen
Halokerne sind deutlich größer als übliche Atomkerne. Dies liegt an ihrer eigentümlichen Struktur: Ein oder zwei Neutronen können sich vom Atomkern lösen und eine Art diffusen Hof, den „Halo“, um einen kompakten Kern bilden. Auch was ihre Stabilität angeht, unterscheiden sich die Halokerne von den meisten anderen Atomkernen: Sie haben eine äußerst kurze Halbwertszeit, beim untersuchen Beryllium-11-Halo liegt sie gerade mal bei 13 Sekunden. Das heißt: Nach 13 Sekunden existieren nur noch die Hälfte der erzeugten Halokerne, die andere Hälfte ist bereits zerfallen. Um sie dennoch analysieren zu können, lässt man sie auf ein Target prallen und versucht, aus der Art der Reaktionsergebnisse Rückschlüsse auf die Struktur des Kerns zu ziehen. Das Problem dabei: Die Information über den Halokern lässt sich nur schwer von Einflüssen trennen, die durch das Experiment zustande kommen.
2011 entwickelten die drei Theoretiker P. Capel und R.C. Johnson von der University of Surrey sowie F.M. Nunes von der Michigan State University das Verhältnismodell. „Dabei bestimmen wir die Struktur von Halokernen aus dem Verhältnis ihrer Streu- und Zerfallswinkelquerschnitte – auf diese Weise werden wir die Einflüsse der Reaktion los und erhalten die Information zur reinen Struktur des Halokerns“, sagt Capel. Der Streuquerschnitt ist der Prozess, bei dem das Projektil vom Target gestreut wird und nach der Kollision intakt bleibt, der Zerfallsquerschnitt der Prozess, bei dem das Halo-Neutron vom Kern abgespalten wird.
Erster experimenteller Nachweis gelungen
An der Texas A&M University erzeugte das experimentelle Team über einen Teilchenbeschleuniger Beryllium-11 und ließ dieses mit den stabilen Atomkernen Kohlenstoff-12 kollidieren. „Wir konnten zeigen, dass die Wirkungsquerschnitte für Streuung und Zerfall sehr ähnliche Merkmale aufweisen – ihr Verhältnis ist somit unabhängig vom Reaktionsprozess. Dies zeigt: Das Verhältnismodell funktioniert“, sagt Capel.
In einem weiteren Schritt wollen die Forschenden Kohlenstoff-19, einen weiteren Halokern, untersuchen. Das Team erwartet, dass diese Messung die Trennungsenergie von Kohlenstoff-19 präziser bestimmen wird als jemals zuvor und wichtige Informationen über die Halostruktur von Kohlenstoff-19 liefert.
Bildmaterial:
https://download.uni-mainz.de/presse/08_physik_halokerne.jpg
Die rote Linie zeigt den Streuquerschnitt, die grüne Linie den Zerfallsquerschnitt. Die Punkte entsprechen den Daten aus dem Experiment, die Linien den durchgeführten theoretischen Berechnungen.
Abb./©: Capel, JGU
Prof. Dr. Pierre Capel
Institut für Kernphysik
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Johann-Joachim-Becher Weg 45
55099 Mainz
Tel: +49 (0)6 131 39 29628
Email: pcapel@uni-mainz.de
Webpage: https://wwwth.kph.uni-mainz.de/capel-pierre/
https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.134.212501
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Physics / astronomy
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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