Wie Zentromere eine besondere Form der Fortpflanzung ermöglichen
Einem tschechisch-deutschen Forschungsteam unter der Leitung von Dr. André Marques vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln, Prof. Dr. Christiane Ritz vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und Dr. Aleš Kovařík vom Institut für Biophysik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften ist ein bedeutender Durchbruch in der Erforschung der Fortpflanzung von Hundsrosen gelungen. Die Studie, die jetzt im renommierten Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde, zeigt, wie Unterschiede in der Größe der Zentromere – der zentralen Andockstellen für Chromosomen – eine entscheidende Rolle bei der außergewöhnlichen Chromosomenvererbung dieser Pflanzen spielen. Die Ergebnisse könnten langfristig neue Wege für die Entwicklung robusterer Nutzpflanzen eröffnen.
Das Geheimnis der Hundsrose
Die Hundsrose (Rosa canina) ist die mit Abstand häufigste Wildrose in Mitteleuropa. Ihre als „Hagebutten“ bezeichneten Früchte werden vielfältig verwendet – von der Früchteteemischung bis zur „Juckpulver“-Herstellung. „Die Pflanze ist aber nicht nur hübsch anzusehen und für allerlei Zwecke verwendbar, sondern hat auch eine besondere Form der Fortpflanzung entwickelt“, erklärt Prof. Dr. Christiane Ritz vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und fährt fort: „Während die meisten Pflanzen und Tiere jeweils zwei Chromosomensätze besitzen, haben Hundsrosen gleich fünf. Das macht ihre Fortpflanzung komplizierter. Eine ungerade Anzahl an Chromosomensätzen führt bei vielen Pflanzen sogar oft zu Unfruchtbarkeit, weil sich die Chromosomen während der Meiose – der Bildung von Ei- und Samenzellen – nicht gleichmäßig paaren und verteilen lassen.“
Doch die Hundsrosen haben im Laufe ihrer Evolution eine raffinierte Lösung entwickelt, die ihnen dennoch eine stabile sexuelle Fortpflanzung ermöglicht. Bei der sogenannten Canina-Meiose oder balancierten Heterogamie paaren sich nur zwei der fünf Chromosomensätze der Pflanze ganz regulär und werden über Eizellen und Pollen weitergegeben. Die übrigen drei Sätze bleiben unpaarig, sogenannte Univalente, und werden ausschließlich über die Eizelle weitervererbt – ohne dass sie verändert werden. „Auf diese Weise kombiniert die Pflanze sexuelle mit klonaler Vermehrung“, erläutert Dr. André Marques vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und spricht weiter: „Obwohl dieses Fortpflanzungssystem schon seit über 100 Jahren bekannt ist, wusste man bisher wenig über die Mechanismen dieser Methode. Unklar war auch die Rolle der Zentromere – also der zentralen Chromosomenbereiche, die für die Verteilung während der Zellteilung wichtig sind. In unserer Studie haben wir Genome von pentaploiden Hundsrosen – Pflanzen mit fünf vollständigen Chromosomensätzen – in hoher Auflösung bis auf die Ebene einzelner Chromosomensätze und ihrer Herkunft untersucht.“
Die Macht der Zentromere
Ziel der Forschenden war es, herauszufinden, was es Hundsrosen ermöglicht, ihre unpaarigen Chromosomen gezielt in die Eizelle zu transportieren – ein Vorgang, der bisher nicht vollständig verstanden war. Die Antwort fanden die Wissenschaftler*innen im Aufbau der Zentromere, jenen DNA-Abschnitten, an denen die Spindelfasern während der Zellteilung ansetzen. Spindelfasern sind Teil eines Spindelapparats, der Chromosomen während der Mitose und Meiose bewegt, um eine gleichmäßige Chromosomenverteilung zwischen den Tochterzellen zu gewährleisten.
„Unsere Analyse der drei verschiedenen pentaploiden Hundsrosenarten zeigte: Die univalenten Chromosomen verfügen über auffällig große Zentromere mit vielfachen Wiederholungen einer rosen-spezifischen DNA-Sequenz. Diese größeren Zentromeren binden auch vermehrt das Protein CENH3, das eine Schlüsselrolle bei der Anbindung der Spindel spielt“, so Dr. Aleš Kovařík vom Institut für Biophysik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Damit könnte die Zentromergröße ein entscheidender Faktor sein, um bei asymmetrischen Zellteilungen sicherzustellen, dass bestimmte Chromosomen erhalten bleiben. „Durch die Veränderung der Größe und Stärke ihrer Zentromere können diese Pflanzen buchstäblich beeinflussen, welche Chromosomen vererbt werden", fügt Marques hinzu.
Warum es eine Rolle spielt
„Die gleichzeitige Koexistenz sexueller und klonaler Vermehrung im selben Genom – gesteuert durch Unterschiede in der Zentromerstruktur – ist ein faszinierender biologischer Mechanismus. Die Entdeckung liefert aber nicht nur neue Einblicke in die faszinierende Welt der Pflanzengenetik, sondern hat auch praktische Bedeutung für die Züchtung“, ergänzt Ritz. Viele Kulturpflanzen besitzen mehr als zwei Chromosomensätze. Das macht ihre Fortpflanzung anfällig für Fehler, kann aber auch Vorteile wie höhere Widerstandsfähigkeit mit sich bringen. Ein besseres Verständnis der Hundsrosen-Fortpflanzung könne helfen, diese Vorteile gezielt zu nutzen und die Fruchtbarkeit polyploider Pflanzenarten zu stabilisieren. Marques resümiert: „Unsere Erkenntnisse könnten langfristig neue Wege für die Entwicklung robusterer Nutzpflanzen eröffnen.“
André Marques
Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung
amarques@mpipz.mpg.de
+49 221 5062-465
https://www.nature.com/articles/s41586-025-09171-z
Die Blüte der pentaploiden Rosa canina (Hundsrose). Durch eine ungewöhnliche Form der Fortpflanzung ...
Source: André Marques
Copyright: André Marques
Criteria of this press release:
Journalists
Biology
transregional, national
Research results
German
Die Blüte der pentaploiden Rosa canina (Hundsrose). Durch eine ungewöhnliche Form der Fortpflanzung ...
Source: André Marques
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