idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
06/19/2025 14:54

Weltweit einzigartige Herzklappenprothese aus körpereigenem Gewebe erstmals implantiert

Christian Maier Pressestelle
Deutsches Herzzentrum der Charité

    Am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) wurde jetzt erstmals eine weltweit einzigartige Herzklappenprothese aus körpereigenem Gewebe eingesetzt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Ersatzklappen aus tierischem Material soll sie nahezu unbegrenzt haltbar sein – und sich bei Kindern mit angeborenen Herzklappenfehlern dem Körperwachstum anpassen. Belastende Folgeoperationen könnten dadurch künftig vermieden werden.

    Erkrankungen der Herzklappen gehören zu den häufigsten erworbenen und angeborenen Herzerkrankungen. Weltweit kommen jährlich etwa 160.000 Kinder mit einem Defekt der Pulmonalklappe zur Welt – dem Ventil zwischen der rechten Herzkammer und der Lungenarterie. In Deutschland sind es rund 800 Neugeborene pro Jahr.

    Für den Ersatz dieser Klappe standen bisher Prothesen zur Verfügung, deren Segel aus tierischem Gewebe von Rindern oder Schweinen hergestellt werden. Diese Klappen sind allerdings nur begrenzt haltbar und müssen nach einigen Jahren ersetzt werden. Bei Kindern kommt ein entscheidender Nachteil hinzu: Die Ersatzklappen wachsen nicht mit und müssen etwa alle fünf bis zehn Jahre durch ein größeres Modell ersetzt werden. Jeder dieser Eingriffe am offenen Herzen bedeutet für die jungen Patient:innen eine erhebliche Belastung und längere Krankenhausaufenthalte.

    PD Dr. med. Boris Schmitt, Kinderarzt am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC), forscht mit seinem Team bereits seit 2010 an einer Lösung dieser Probleme: Herzklappen, die aus körpereigenem Gewebe hergestellt und dadurch vom Immunsystem akzeptiert werden und sich bestenfalls dem Körperwachstum anpassen.

    Innovative Methode vereint Langlebigkeit mit schonender Behandlung
    Dabei wird körpereigenes Gewebe aus dem Herzbeutel der Patientin bzw. des Patienten entnommen, daraus die Segel der neuen Herzklappe geformt und in einem Drahtgerüst (Stent) befestigt. Dieser wird dann komprimiert, über einen dünnen Katheter unter Röntgenkontrolle an die exakt richtige Position im Herzen gebracht und dort entfaltet. Der gesamte Eingriff dauert nur wenige Stunden und erfolgt ohne Operation am offenen Herzen.

    „Der entscheidende Vorteil unserer Innovation liegt in der Verwendung körpereigenen Gewebes“, erklärt PD Dr. med. Boris Schmitt, Kinderarzt am Deutschen Herzzentrum der Charité, der seit 2010 an dieser Methode forscht: „Diese Klappen werden vom Immunsystem nicht als fremd erkannt. Sie werden zunächst vom Blutstrom mit Nährstoffen versorgt und im Laufe der Zeit bilden sich sogar Zellschichten aus. Die Segel der Herzklappe bleiben dadurch gleichsam lebendig, können sich regenerieren und an die Bedürfnisse des Körpers anpassen. Wir hoffen daher, dass diese Klappen deutlich länger halten können als die bisher zur Verfügung stehenden Modelle, im Idealfall ein Leben lang.“

    Wegweisende Perspektive für Kinder mit Herzfehlern
    Besonders vielversprechend ist die Anwendung der Technologie bei Kindern mit angeborenen Fehlbildungen der Herzklappe. Dafür wird ein spezieller Stent entwickelt, der sich nach einiger Zeit im Körper auflöst. Zurück bleibt dann nur noch die Herzklappe aus körpereigenem Gewebe, die durch das Drahtgerüst in ihrer Größe nicht mehr begrenzt wird. „So wollen wir die bestmögliche Voraussetzung für das von uns erhoffte Wachstum der Klappe bei Kindern und Jugendlichen schaffen“, erläutert Boris Schmitt.

    Prof. Dr. med. Felix Berger, Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie am DHZC, unter dessen Leitung das Projekt entwickelt wurde, betont: „Bei etwa 160.000 Kindern weltweit, die jährlich mit einem Lungenklappendefekt zur Welt kommen, könnte diese Technologie einen Paradigmenwechsel in der Behandlung vieler dieser Kinder bedeuten. Wir hoffen, dass wir mit dieser Methode die Anzahl notwendiger offener Herzoperationen signifikant senken können.“

    Nach jahrelangen Vorstudien und aufwändigen Genehmigungsverfahren hat das Verfahren nun die Erlaubnis zum Einsatz am Menschen erhalten. Die aktuelle Studie (GECT-DZHK28) am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) untersucht zunächst die Unbedenklichkeit der Methode bei sieben jungen Erwachsenen mit einem angeborenen Lungenklappendefekt. Bei erfolgreicher Machbarkeit und Sicherheit ist eine größere Folgestudie geplant, an der neben Erwachsenen dann auch Kinder teilnehmen sollen.

    Erster Patient bereits wieder arbeitsfähig
    Mittlerweile konnten bereits zwei Patienten erfolgreich behandelt werden. Marcus L. aus Sachsen, der erste Patient, wurde Anfang 1990 mit einer Klappenstenose geboren und erhielt 2001 eine sogenannte Ross-Operation, bei der unter anderem seine Pulmonalklappe durch eine Klappe aus tierischem Gewebe ersetzt wurde. 24 Jahre später muss diese erneut ersetzt werden. Als idealer Kandidat für das neuartige Verfahren wurde er von Dr. Schmitt und seinem Team über die innovative Behandlungsmöglichkeit informiert.

    „Als dreifacher Familienvater und selbstständiger Maler und Bodenleger wollte ich so schnell wie möglich wieder einsatzfähig sein, deshalb habe ich mich sofort für dieses neue Verfahren entschieden“, erklärt Marcus L. Seine Rechnung ist bisher aufgegangen: Bereits fünf Tage nach dem Eingriff konnte er aus der Klinik entlassen werden und hat nach vier Wochen seine Arbeit wieder aufgenommen. „Ich fühle mich hervorragend“, berichtet der 34-Jährige.

    Vom Forschungsprojekt zum Start-up
    Die Technologie wurde in das Berliner Start-up GrOwnValve überführt, das 2019 von PD Dr. Boris Schmitt und Jasper Emeis gegründet wurde. Das Unternehmen erhielt vom EIC Accelerator-Programm der Europäischen Union einen Zuschuss von 2,5 Millionen Euro sowie eine Investitionszusage über 5,3 Millionen Euro. Diese Mittel fließen hauptsächlich in klinische Studien, um die Sicherheit und Wirksamkeit des Verfahrens nachzuweisen.
    Zudem hat die Stiftung Deutsches Herzzentrum Berlin das Projekt seit Jahren durch Bereitstellung von Räumlichkeiten und Infrastruktur unterstützt.

    „Es besteht die Hoffnung, diese Technologie auch in weniger entwickelten oder ärmeren Ländern verfügbar zu machen,“ sagt Schmitt. „Da das Verfahren ohne teure künstliche Prothesen auskommt und körpereigenes Gewebe verwendet, könnte es wesentlich kostengünstiger sein und damit tausenden Kindern weltweit zugutekommen, die sonst keinen Zugang zu einer adäquaten Behandlung hätten.“

    Zukunftsperspektiven der Technologie
    Das Verfahren ist derzeit nur für den Ersatz der Pulmonalklappe, also des Ventils zwischen rechter Herzkammer und Lungenarterie, zugelassen. Künftig soll die Technologie nach ausführlichen Tests jedoch auch für andere Herzklappen wie die Aortenklappe eingesetzt werden können, die höheren Belastungen standhalten müssen.


    More information:

    https://www.dhzc.charite.de/news/nahezu-unbegrenzt-haltbar-389/


    Images

    Kinderarzt PD Dr. med. Boris Schmitt, Oberarzt Dr. med. Peter Kramer, Patient Marcus L. und Klinikdirektor Prof. Dr. med. Felix Berger (von links nach rechts).
    Kinderarzt PD Dr. med. Boris Schmitt, Oberarzt Dr. med. Peter Kramer, Patient Marcus L. und Klinikdi ...

    Copyright: DHZC/Gutbrod


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Medicine
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

    Kinderarzt PD Dr. med. Boris Schmitt, Oberarzt Dr. med. Peter Kramer, Patient Marcus L. und Klinikdirektor Prof. Dr. med. Felix Berger (von links nach rechts).


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).