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09/10/2004 12:32

Vergabe der Emil-Fischer-Medaille, der Liebig-Denkmünze und des Klaus-Grohe-Preises

Dr. Renate Hoer Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

    Festsitzung der Gesellschaft Deutscher Chemiker in Passau

    Unter den großen Veranstaltungen, an denen die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) teilnimmt, spielt die Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) immer eine ganz besondere Rolle. Zum einen trägt die GDCh zum Programm bei - anlässlich der 123. Versammlung vom 18. bis 21. September 2004 in Passau durch insgesamt sechs Vorträge, die ein großes Spektrum aktueller chemischer Forschung überstreichen. Zum anderen findet immer eine Festsitzung der GDCh statt, auf der einige der angesehensten Chemie-Preise an herausragende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verliehen werden.

    Das Thema der diesjährigen GDNÄ-Tagung lautet "Raum, Zeit und Materie". Zwei der drei Titelbegriffe tauchen bereits in der Definition der Chemie auf, die der bedeutende Chemiker Kekulé 1861 in seinem "Lehrbuch der Organischen Chemie oder der Chemie der Kohlenstoffverbindungen" gegeben hat. Laut Kekule ist "die Chemie die Lehre von den stofflichen Metamorphosen der Materie. Ihr wesentlicher Gegenstand ist nicht die existierende Substanz, sondern vielmehr ihre Vergangenheit und ihre Zukunft. Die Beziehungen eine Körpers, zu dem was er früher war und zu dem was er werden kann, bilden den eigentlichen Gegenstand der Chemie."

    Kekulé, dessen Geburtstag sich am 7. September 2004 zum 175. Mal jährte, spricht klar den dynamischen Charakter der Chemie an - Chemie als die Veränderungswissenschaft schlechthin muss eine zeitliche Komponente besitzen. Auch was die Raumstruktur chemischer Verbindungen anbelangt, machte die Chemie zu Kelulés Zeit bedeutsame Schritte nach vorn. Auf ihn selber, der übrigens zunächst Architektur studiert hatte, bevor er unter dem Einfluss Liebigs zur Chemie wechselte, geht das Tetraedermodell gesättigter Kohlenstoffverbindungen zurück.

    Die Erzeugung molekularer Vielfalt ist und bleibt eine der Hauptaufgaben der Chemie. Aus diesem Grunde befassen sich auch zwei der Chemievorträge direkt mit Synthesefragen. Man kann die Stoffe unterschiedlich einteilen z.B. in anorganische und organische. Man kann aber auch eine andere Einteilung wählen und zwischen Natur- und Nichtnaturstoffen unterscheiden. Die ersteren findet man in der Natur vor, sie sind im Laboratorium Erde in der Zeit ihres bisherigen Bestehen entstanden bzw. haben sich als so lebensfähig erwiesen, dass man sie heute identifizieren kann. Die Nichtnaturstoffe haben die Menschen hergestellt, gezielt seit etwa 200 Jahren.

    Raum hat in der Chemie sehr häufig etwas mit Abgrenzung zu tun. Moleküle, besonders komplexe Biomoleküle, besitzen z.B. Innen- und Außenflächen, andere Moleküle können in einer Hemisphäre reagieren und in der ihr entgegengesetzten nicht. Zum Themenkomplex Raum tragen gleichfalls zwei Referenten bei.

    In der Chemie diente das menschliche Zeitgefühl sehr lange als Maßstab. Reaktionen liefen über Nacht, oder auch einmal für einige Tage. Man konnte ihren Ablauf bequem mit der Armbanduhr verfolgen, nur manchmal war der Einsatz einer Stoppuhr vonnöten. Diese langen und langsamen Zeiten sind seit langer Zeit vorbei. Die Chemie ist in Zeitdimensionen vorgestoßen, die unser Vorstellungsvermögen sprengen. Hierfür sind vor allen Dingen spektroskopische Methoden verantwortlich - durch die Beobachtung chemischer Verbindungen mit Hilfe von elektromagnetischer Strahlung aller Art ist es gelungen, bis in den Femtosekundenbereich vorzustoßen und Übergangszustände chemischer Reaktionen ebenso zu beobachten wie den Verlauf einzelner Schwingungen. So gibt es auch zwei Vorträge zur Zeitdimension in der Chemie.

    Alle Vorträge entstammen der Grundlagenforschung - das ist kein Zufall, sondern wird von der GDCh als ganz bewusstes Signal gesehen und gesetzt. "In Deutschland wird in der Chemie Spitzenforschung betrieben, trotz abnehmender finanzieller und personeller Ressourcen, trotz einer ständig wachsenden Bürokratisierungslast und ständigem Druck sogenannte angewandte Forschung zu betreiben. Die meisten Wissenschaftler, die ich kenne, sind hochmotiviert und bedürfen nicht einer ständigen von Misstrauen geprägten Kontrolle oder des Reinredens externer Institutionen. Ob alles gut wird, wenn man die Wissenschaftler mehr sich selbst überlässt, sie also bei ausreichender Alimentierung freier forschen lässt, weiß ich nicht, aber besser wird es ganz sicher", so GDCh-Präsident Professor Dr. Henning Hopf.

    Hopf überreicht auch die angesehenen GDCh-Preise.

    Die Emil-Fischer-Medaille, verbunden mit einem Preisgeld von 7500 Euro, geht an Professor Dr. Dr. h.c. Lutz Friedjan Tietze, Universität Göttingen, für seine hervorragenden und richtungsweisenden Arbeiten auf dem Gebiet der synthetischen organischen Chemie. Seine methodischen Arbeiten sind nie Selbstzweck, sondern immer mit Anwendungen verbunden: Synthesen interessanter Naturstoffe bzw. biologisch aktiver Verbindungen, beispielsweise Alkaloide, Steroide, Terpene, Kohlenhydrate, Antibiotika und Zytostatika. Das Design neuartiger Zytostatika für die gezielte Behandlung maligner Tumore ist ein besonderer Schwerpunkt der medizinisch ausgerichteten Arbeiten. Nach Originalität wie nach Produktivität ist Tietze einer der ganz herausragenden deutschen Forscherpersönlichkeiten im Bereich der organischen Chemie. Der 62jährige, in Berlin geborene Tietze hat bisher etwa 150 Promotionsarbeiten betreut und mehr als 340 Publikationen und Patente veröffentlicht. Er wurde im In- und Ausland mehrfach ausgezeichnet.

    Die Liebig-Denkmünze, ebenfalls mit einem Preisgeld von 7500 Euro ausgestattet, geht an Professor Dr. Dr. h.c.mult. Arndt Simon, Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart. Die wissenschaftliche Exzellenz Simons ist durch eine Reihe von grundlegenden Entdeckungen und Erfindungen belegt. Bereits mit 30 Jahren entwickelte er eine neuartige Kamera für röntgenografische Untersuchungen von extrem luftempfindlichen Stoffen. In jüngerer Zeit war er an der Entwicklung eines Flächendetektor-Diffraktometers zur Kristallstrukturuntersuchung mit Hilfe von Röntgen- und Neutronenbeugung beteiligt. Er entdeckte die Alkalimetallsuboxide, eine Verbindungsklasse, die zwischen der der Metalle und Salze angesiedelt ist, und hat viele neuartige Festkörper konzipiert und synthetisiert, beispielsweise Hochtemperatursupraleiter. Der 1940 in Dresden gebürtige Simon wurde bereits vielfach ausgezeichnet. U.a. erhielt er von der GDCh 1985 den Wilhelm-Klemm-Preis. Er kann auf fast 500 Veröffentlichungen verweisen.

    In Passau werden die ersten drei Klaus-Grohe-Preise für Medizinische Chemie vergeben, die mit je 2000 Euro dotiert sind und aus der Klaus-Grohe-Stiftung finanziert werden. Dr. Laurent Bialy, Southampton (GB), früher Dortmund, erhält den Preis für seine erstmalige Synthese des Naturstoffs Cytostatin und analoger Verbindungen sowie deren biochemischer Evaluierung, wodurch neue Möglichkeiten für die Entwicklung potenter und selektiver Phosphatase-Inhibitoren geschaffen wurden, die breite Anwendung in der medizinisch-chemischen und der chemisch-biologischen Forschung finden können. Dr. Thilo J. Heckrodt, Berkeley (USA), früher Wien, wird der Preis verliehen für seine Totalsynthese eines komplexen Diterpens (Elisabethin A), die ihm in relativ kurzer Zeit gegen starke internationale Konkurrenz gelang. Elisabethine verfügen über Leitstrukturen für Antituberkulose-Wirkstoffe. An Dr. Daniel Summerer, La Jolla (USA), früher Bonn, geht der Preis für seine Arbeiten zu Mechanismen und Anwendungen von DNA-Polymerasen mit synthetischen Sonden und kombinatorischem Proteindesign. DNA-Polymerasen sind wichtige zelluläre Enzyme und maßgeblich an dem selektiven Informationstransfer von der Eltern- auf die Nachkommenschaft verantwortlich. Daher sind diese Enzyme Ziel zahlreicher therapeutischer Ansätze.

    Die Gesellschaft Deutscher Chemiker gehört mit über 26000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie vergibt zahlreiche auch international angesehene Preise. Einige davon haben eine lange Tradition, so die Emil-Fischer-Medaille, benannt nach dem Nobelpreisträger von 1902, die erstmals 1912 vergeben, und die Liebig-Denkmünze, die zum 100. Geburtstag Liebigs 1903 erstmals verliehen wurde. Der Klaus-Grohe-Preis für Medizinische Chemie/Wirkstoffforschung ist der jüngste GDCh-Preis. Er wird aus der Klaus-Grohe-Stiftung finanziert, die das Ehepaar Dr. Klaus und Eva Grohe 2001 bei der GDCh errichtet hat. Klaus Grohe (*1934) entwickelte während seiner beruflichen Tätigkeit als Forschungschemiker bei der Bayer AG mit großem Erfolg wichtige innovative Medikamente.


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    Criteria of this press release:
    Biology, Chemistry, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Personnel announcements, Scientific conferences
    German


     

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