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07/04/2025 14:57

Gemeinsam gegen Wüstenbildung – NamTip-Projekt stärkt den Wissenstransfer in Namibia

Matthias Zimmermann Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Potsdam

    Wie lässt sich Wüstenbildung aufhalten? Und wie können wissenschaftliche Erkenntnisse lokal wirksam werden? Diesen Fragen ging das deutsch-namibische Forschungsprojekt NamTip nach, das die Ursachen ökologischer Kipppunkte und Möglichkeiten ihrer Vermeidung in Namibia untersuchte. Gefördert vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt, fand der Projektabschluss nun bei den lokalen Partnern in Namibia statt. Projektleiterin Prof. Dr. Anja Linstädter reiste dafür gemeinsam mit ihrem Team und Universitätspräsident Prof. Oliver Günther, Ph.D. Ende Juni nach Namibia. Vor Ort wurden eine Winterschule, Stakeholder-Workshops und eine Abschlussveranstaltung durchgeführt.

    Wenn sich die Savanne in eine unfruchtbare Wüste verwandelt, geht biologische Vielfalt verloren, und den Wildtieren wie auch dem Vieh wird die Nahrungsgrundlage entzogen – mit weitreichenden Folgen bis hin zum Zusammenbruch ganzer Ökosysteme. Ein Kipppunkt markiert den Moment in der ökologischen Entwicklung, ab dem dieser Prozess unumkehrbar wird. Verantwortlich dafür sind vor allem der Klimawandel und eine nicht nachhaltige Nutzung von Weideflächen. Besonders in Namibia, wo Weideflächen für den Lebensunterhalt und die nationale Wirtschaft zentral sind, geraten viele Regionen zunehmend unter Druck.
    „Im Rahmen des NamTip-Projekts haben wir Kipppunkte der Wüstenbildung und deren Triebkräfte untersucht, um zu erkunden, wie durch gezieltes Management die Resilienz der Savannen gestärkt oder ein degradiertes Ökosystem bestenfalls sogar wiederhergestellt werden kann“, fasst Projektleiterin Anja Linstädter von der Universität Potsdam zusammen. Beteiligt waren von wissenschaftlicher Seite die Universitäten Bonn, Köln und Tübingen, das ISOE – Institut für Sozial-ökologische Forschung, das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, die University of Namibia und die Namibia University of Science and Technology. Als Implementierungspartner kamen die Namibia National Farmers Union sowie die Bildungsinitiative EduVentures hinzu, die sich für den Wissenstransfer an namibische Schulkinder einsetzt.
    „NamTip ist ein hervorragendes Beispiel für anwendungsorientierte Forschung, die den Transfer ihrer Ergebnisse von Anfang an mitdenkt und in die Hand nimmt“, betont Unipräsident Prof. Oliver Günther. „Es ist essenziell, dass wir mit den Menschen, den möglichen Anwendern unserer Forschung, auf Augenhöhe kommunizieren und zeigen, wie wichtig Wissenschaft und Forschung für jeden von uns im Alltag sind – in diesem Fall, um Wege aus der Klimakrise zu finden, die Biodiversität zu erhalten und gleichzeitig die Nahrungsmittelversorgung in besonders betroffenen Gebieten sicherzustellen.“
    Eines der wichtigsten Projektziele war es, praxisrelevantes Wissen für lokale Akteure bereitzustellen. Dazu entwickelten die Beteiligten eine Reihe von informativen Factsheets, die sich mit zentralen Fragen der Weidewirtschaft beschäftigen und von Drohnentechnologie zur flächenspezifischen Bewirtschaftung von Weideland mithilfe von Indikatoren der Vegetationsgesundheit bis hin zu einem Maßnahmenkatalog reichen, mit dem die Landwirtinnen und Landwirte die ökologischen Kipppunkte auf gemeinschaftlich genutzten Weideflächen aktiv managen können. Weitere Themen sind der Schutz der ausdauernden Gräser und ihrer Bodensamenbank durch eine Rotationsbeweidung, die für kommunale Weideflächen geeignet ist, und eine Kombination verschiedener Maßnahmen zur Wiederherstellung degradierter Savannen.
    Um die Mechanismen der Degradierung besser zu verstehen, installierte das Team zu Beginn des NamTip-Projekts ein groß angelegtes Feldexperiment in der Waterberg-Region Namibias. Über mehrere Jahre wurde untersucht, wie sich das Ökosystem unter Stress verändert. „Wie erwartet, führte vor allem die Kombination aus extremer Dürre und Überweidung rasch zu messbaren Veränderungen“, erklärt Anja Linstädter. Zunächst ging die Vitalität der mehrjährigen Gräser deutlich zurück – ein Dominoeffekt, der weitere Prozesse der Degradierung auslöste. „Normalerweise können wir solche Prozesse nicht detailliert beobachten, weil es meist erst im Rückblick auffällt, dass ein ökologischer Kipppunkt überschritten worden ist“, ergänzt sie.
    Zum Projektabschluss kamen Forschende, Implementierungspartner, politische Entscheidungsträger und Vertreter der Landwirtschaft zu zwei Workshops in der Waterberg-Region zusammen. Der erste Workshop befasste sich mit einem nachhaltigen Management zur Vermeidung von Kipppunkten der Wüstenbildung auf kommerziell bewirtschafteten Farmen. Eine gemeinsame Exkursion zum Feldexperiment bot dabei Raum für Diskussion und Austausch. Der zweite Workshop rückte die Perspektive kommunaler Landnutzungssysteme der OvaHerero in den Fokus. Die Gemeinschaften sind zunehmend mit dem Problem konfrontiert, dass in ihren Weidegebieten durch das Überhandnehmen von Büschen immer weniger Futtergräser wachsen. Bis vor Kurzem war es ihnen staatlicherseits nicht erlaubt, in diesen Prozess selbst aktiv einzugreifen. Im Workshop präsentierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher konkrete, lokal angepasste Maßnahmen zur Wiederherstellung dieser degradierten Flächen – darunter selektive Buschausdünnung, zeitlich optimierte Schonung sowie die Wiederansiedlung standorttypischer Futtergräser.
    Den Workshops voraus ging eine einwöchige Winterschule in der Waterberg-Region, an der 15 Studierende aus Namibia teilnahmen. In theoretischen und praktischen Einheiten sowie bei Exkursionen zu Forschungsstandorten und in den Waterberg-Plateau-Nationalpark erhielten sie Einblicke in die ökologischen und sozialwissenschaftlichen Ansätze des Projekts – und berichteten in einem Online-Tagebuch von ihren Eindrücken.
    Den Abschluss bildete eine Presseveranstaltung am 26. Juni 2025 in Namibias Hauptstadt Windhoek. Vor Vertreterinnen und Vertretern aus Regierung, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien stellten die Projektpartner ihre zentralen Ergebnisse vor und überreichten die entwickelten Factsheets mit ihren praktischen und politikrelevanten Empfehlungen für eine klimaresiliente und nachhaltige Weidewirtschaft in Namibia.

    Weitere Informationen:
    Link zur Projektwebseite: https://www.uni-potsdam.de/en/namtip
    Link zum Reisetagebuch der Winterschule: https://www.uni-potsdam.de/de/nachrichten/detail/2025-06-12-unterwegs-in-namibia...

    Fotos:
    2025_067_1_NamTip_ExperimentTipEx: Teilnehmende des ersten Stakeholder-Workshops besuchen das großflächige Feldexperiment des NamTip-Projekts in der Waterberg-Region. Dr. Mark Bilton von der Namibia University of Science and Technology erläutert die experimentellen Aufbauten, darunter Regenausschlussdächer zur gezielten Simulation von Dürrebedingungen. Das Experiment dient dazu, die Auswirkungen extremer Klimabedingungen und unterschiedlicher Weideregime auf die Stabilität von Savannenökosystemen besser zu verstehen. Foto: Anja Linstädter
    2025_067_2_NamTip_FarmerDay_June23: Gruppenfoto der Teilnehmenden des ersten Stakeholder-Workshops in der Waterberg-Region. Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung diskutierten gemeinsam mit dem NamTip-Team praxisnahe Strategien zur Vermeidung von Wüstenbildung auf Namibias Weideflächen. Foto: Carlo Renner
    2025_067_3_NamTip_FamerDay_CommunalAreas: Prof. Oliver Günther, Ph.D., im Gespräch mit Wissenschaftlern des NamTip-Teams während des zweiten Stakeholder-Workshops in der Waterberg-Region. Der Workshop richtete sich an Vertreterinnen und Vertreter kommunaler Gemeinschaften der OvaHerero und widmete sich praxisnahen Ansätzen zur Wiederherstellung degradierter Weideflächen. Foto: Anja Linstädter

    Kontakt:
    Prof. Dr. Anja Linstädter, Institut für Biochemie und Biologie
    Telefon: 0331 977-1920
    E-Mail: anja.linstaedter@uni-potsdam.de

    Medieninformation 04-07-2025 / Nr. 067
    Dr. Stefanie Mikulla

    Universität Potsdam
    Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Am Neuen Palais 10
    14469 Potsdam
    Tel.: 0331/977-1474
    Fax: 0331/977-1130
    E-Mail: presse@uni-potsdam.de
    Internet: www.uni-potsdam.de/presse


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Anja Linstädter, Institut für Biochemie und Biologie
    Telefon: 0331 977-1920
    E-Mail: anja.linstaedter@uni-potsdam.de


    More information:

    https://www.uni-potsdam.de/de/nachrichten/detail/2025-07-04-gemeinsam-gegen-wues...


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    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Biology, Environment / ecology, Nutrition / healthcare / nursing, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

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