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07/09/2025 11:34

Sichere Alternativen zu toxischem Tuberkulose-Medikament

Philipp Kressirer Kommunikation und Medien
Klinikum der Universität München

    Zwei internationale klinische Studien unter der Leitung von PD Dr. Norbert Heinrich vom Tropeninstitut des LMU Klinikums München und internationalen Partnerinstitutionen belegen die Sicherheit und Wirksamkeit zweier vielversprechender Antibiotika als potenzielle Alternativen zu Linezolid in der Tuberkulosebehandlung.

    Die Wirkstoffe Sutezolid und Delpazolid zeigten eine starke antimikrobielle Aktivität und waren deutlich besser verträglich als Linezolid. Sie könnten zukünftig diesen bislang zentralen Wirkstoff in der Therapie multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB) ersetzen. Die Ergebnisse wurden am 8. Juli in zwei Fachartikeln im renommierten Fachjournal The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht – einem der führenden Journale für Infektionsmedizin. Forschungspartner in Deutschland waren das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in München, das Fraunhofer Institute for Translational Medicine and Pharmacology (ITMP), das Center for International Health (CIH) am LMU Klinikum sowie Helmholtz Munich.

    Herausforderung Linezolid

    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt seit 2022 Linezolid als Teil des BPaLM-Behandlungsschemas – zusammen mit Bedaquilin, Pretomanid und Moxifloxacin – zur standardmäßigen sechsmonatigen Behandlung multiresistenter Tuberkulose. Damit konnte die bisherige Therapiedauer von 18 Monaten deutlich verkürzt werden. Allerdings weist Linezolid eine hohe Toxizität auf: Die Anwendung des Medikaments bei Tuberkulose, die deutlich langwieriger ist als die des üblichen Einsatzes bei bakteriellen Hautinfektionen, führt häufig zu schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Anämie oder Optikusneuropathie. Diese sind für Patientinnen und Patienten stark belastend, können dauerhaft bestehen bleiben und erfordern mitunter einen Therapieabbruch – was den Behandlungserfolg gefährdet. „Trotz seiner Wirksamkeit ist Linezolid für viele Patienten schlichtweg zu toxisch. Wir benötigen dringend sicherere Alternativen innerhalb dieser Antibiotikaklasse“, erklärt PD Dr. Norbert Heinrich.

    Neue Wirkstoffe mit besserer Verträglichkeit

    Sowohl Sutezolid als auch Delpazolid gehören – wie Linezolid – zur Klasse der Oxazolidinone, zeigen jedoch eine deutlich geringere Toxizität. In zwei innovativen Phase-IIb-Studien – SUDOCU (PanACEA Sutezolid Dose-finding and Combination Evaluation) und DECODE (PanACEA Delpazolid Dose-finding and Combination Development) – wurden beide Wirkstoffe erstmals in Kombination mit Bedaquilin, Delamanid und Moxifloxacin getestet. Diese Vierfachkombinationen wurden bisher in keiner anderen Studie eingesetzt. Die multizentrischen Studien, durchgeführt in Südafrika und Tansania, untersuchten die Wirkstoffe bei Patienten mit medikamentensensibler Lungentuberkulose. Beide Substanzen waren besser verträglich als Linezolid.

    Zentrale Studienergebnisse zeigen bessere Verträglichkeit

    Sutezolid zeigte über alle getesteten Dosierungen hinweg eine ausgeprägte antibakterielle Wirkung und wurde gut vertragen – ohne dokumentierte Fälle von Neuropathie oder hämatologischer Toxizität. Diese Ergebnisse zeigen, dass Sutezolid insbesondere bei längerer Anwendung eine sichere Alternative in künftigen TB-Therapien darstellen könnte – auch wenn noch keine abschließende Dosierungsempfehlung möglich ist.

    Delpazolid verbesserte die Wirksamkeit der Kombination mit Bedaquilin, Delamanid und Moxifloxacin. Eine einmal tägliche Dosis von 1200 mg erreichte die gewünschten Wirkstoffspiegel für maximale Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit über einen Zeitraum von 16 Wochen. Auch hier wurden keine Fälle von Nervenschädigung oder hämatotoxischen Nebenwirkungen beobachtet. Diese Ergebnisse unterstreichen das Potenzial von Delpazolid als vielversprechende Alternative zu Linezolid – vorbehaltlich der Bestätigung durch größere Studien.

    „Die Studienergebnisse legen nahe, dass beide Wirkstoffe sicherere Therapieoptionen für TB-Patienten bieten könnten – insbesondere bei längerer Behandlungsdauer“, sagt Dr. Tina Minja, Studienleiterin der DECODE-Studie am NIMR-Mbeya Medical Research Centre in Tansania.

    Globale Zusammenarbeit

    Die Studien wurden im Rahmen des PanACEA-Netzwerks (Pan-African Consortium for the Evaluation of Anti-Tuberculosis Antibiotics) durchgeführt – einem internationalen Konsortium in Afrika und Europa. SUDOCU und DECODE sind offene, randomisierte Phase-IIb-Studien, in denen verschiedene Dosierungen systematisch hinsichtlich antibakterieller Aktivität, Arzneimittelexposition und Sicherheitsprofil miteinander verglichen wurden.

    Ausblick

    Die Veröffentlichung in The Lancet Infectious Diseases unterstreicht die wissenschaftliche Relevanz dieser Ergebnisse und ihr Potenzial, künftige TB-Therapien grundlegend zu verändern. „Weniger Nebenwirkungen bei Sutezolid und Delpazolid sind ein bedeutender Fortschritt – sie bringen uns wirksamen und zugleich besser verträglichen TB-Therapien ein großes Stück näher“, kommentiert Dr. Ivan Norena, medizinischer Studienleiter am Tropeninstitut des LMU Klinikums München.

    Weitere Studien mit größeren Kohorten und optimierten Therapiekombinationen sind bereits in Planung. Wenn sich die positiven Ergebnisse bestätigen, könnten die Wirkstoffe eine zentrale Rolle in der nächsten Generation von TB-Therapien spielen.

    Förderung

    Die SUDOCU-Studie wurde vom PanACEA-Konsortium im Rahmen des EDCTP2-Programms durchgeführt, das durch die Europäische Union gefördert und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie die Nederlandse Organisatie voor Wetenschappelijk Onderzoek (NWO) unterstützt wurde. Zusätzliche Mittel kamen vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF).

    Otsuka stellte Delamanid kostenfrei zur Verfügung, Sequella lieferte den Wirkstoff Sutezolid ebenfalls kostenlos.

    Die DECODE-Studie wurde durch LigaChem Biosciences finanziert und nutzte die im Rahmen von PanACEA etablierten Strukturen. Auch hier stellte Otsuka Delamanid kostenfrei zur Verfügung.


    Contact for scientific information:

    PD Dr. med. Norbert Heinrich
    Institut für Infektions- und Tropenmedizin
    LMU Klinikum München
    E-Mail: Norbert.Heinrich@med.uni-muenchen.de


    Original publication:

    Delpazolid in combination with bedaquiline, delamanid, and moxifloxacin for pulmonary tuberculosis (PanACEA-DECODE-01): a prospective, randomised, openlabel, phase 2b, dose-finding trial
    Minja, Lilian Tina, et al.
    The Lancet Infectious Diseases, Online first, July 08, 2025. Verfügbar unter: https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(25)00289-0/fullt...

    Sutezolid in combination with bedaquiline, delamanid, and moxifloxacin for pulmonary tuberculosis (PanACEASUDOCU-01): a prospective, open-label, randomised, phase 2b dose-finding trial
    Heinrich, Norbert, et al.
    The Lancet Infectious Diseases, Online first, July 08, 2025. Verfügbar unter:
    https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(25)00213-0/fullt...

    The patient pursuit of safe treatment options for tuberculosis.
    Perumal R, Naidoo K.
    The Lancet Infectious Diseases, Online first, July 08, 2025. Verfügbar unter:
    https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(25)00362-7/fullt...


    More information:

    https://www.lmu-klinikum.de/tropeninstitut Website des Instituts für Infektions- und Tropenmedizin am LMU Klinikum
    https://panacea-tb.net Website des Pan-African Consortium for the Evaluation of Antituberculosis Antibiotics
    https://thelancetinfectiousdiseases.buzzsprout.com/1740310/episodes/17389838-lil... Podcast: The Lancet Infectious Diseases in conversation with Lilian Tina Minja and Norbert Heinrich on TB drug development


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

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