Vertrauen verloren, Demokratie unter Druck? Auf der Abschlusskonferenz des PEPP-COV- Projekts diskutierten Forschende aktuelle Befunde zu demokratischer Resilienz, politischer Erschöpfung und sozialer Ungleichheit in Krisenzeiten. Die Beiträge aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zeigen, wie sich politische Einstellungen, gesellschaftliches Vertrauen und Teilhabe im Zuge der Corona-Pandemie verändert haben.
Im Rahmen des Verbundprojekts PEPP-COV („Politische Einstellungen und politische Partizipation in Folge der Covid-19 Pandemie“) wurden in einem interdisziplinären Abschlussworkshop zentrale Projektergebnisse vorgestellt und mit Forschenden verschiedener Fachrichtungen gemeinsam diskutiert. Das vom Bundesforschungsministerium (BMFTR) geförderte Verbundprojekt PEPP-COV untersucht noch bis zum Ende des Jahres 2025 und anhand der Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf politische Einstellungen, gesellschaftliches Vertrauen und demokratische Teilhabe in Deutschland. Am Beispiel von sechs ausgewählten Vorträgen diskutierten die Teilnehmenden aus Wissenschaft und Praxis neben den PEPP-COV-Ergebnissen auch Befunde aus thematisch verwandten Forschungsprojekten.
Organisiert wurde die Veranstaltung durch das PEPP-COV-Verbundprojekt: den beiden Projektteams des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) und des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts (EFBI) an der Universität Leipzig.
Politische Einstellungen im Wandel
Die Konferenz eröffnete mit einem Panel zu veränderten politischen Einstellungen im Zuge der Pandemie. PEPP-COV-Projektleiterin Prof. Dr. Gundula Zoch (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und LIfBi) stellte hierfür das Verbundprojekt und seine zentralen Befunde auf Basis von quantitativen Auswertungen der NEPS-Daten vor. Die Projektergebnisse des PEPP-COV-Teams am LIfBi zeigen über den Verlauf der Pandemie deutliche Veränderungen im Vertrauen in staatliche Institutionen und Medien. Während sich im Hinblick auf den Bildungshintergrund deutliche Unterschiede in den Vertrauensdynamiken zeigen, unterscheiden sich die Veränderungen im Vertrauen zwischen Ost- und Westdeutschland nur gering.
PEPP-COV-Projektmitarbeiter Dr. Steffen Wamsler (LIfBi) ergänzte Zochs einleitende Ausführungen in seinem Vortrag zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden unter Menschen mit einer ausgeprägten Verschwörungsgläubigkeit. Die Analysen auf Basis von NEPS-Daten verdeutlichen, dass niedriges soziales Vertrauen sowie eine subjektiv empfundene zeitliche Überlastung gegen Ende der Pandemie zentrale Treiber einer stärkeren Verschwörungsgläubigkeit gewesen sind.
In den weiteren Vorträgen des ersten Panels stellte Prof. Dr. Maximilian Filsinger (Université Catholique de Lille) erste Befunde zum Einfluss von Emotionen wie Angst und Wut auf die Zustimmung zu Impfungen und auf die soziale Polarisierung während der Pandemie vor. Franziska Graf (Zeppelin-Universität Friedrichshafen) erläuterte, wie sich die Politisierung bzw. Depolitisierung unter dem Eindruck früher pandemiepolitischer Entscheidungen verschoben hat. Sie leistet damit einen wichtigen empirischen Beitrag zur Frage, wie demokratische Konflikte in Krisenzeiten öffentliche Meinung und langfristige politische Präferenzen formen können. Jacqueline Dombrowski (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) präsentierte erste Ergebnisse zu der Frage, wie auf Landkreisebene die Höhe des Einkommens und Wahlentscheidungen in der Pandemie zusammenhingen.
Besonders betroffene Gruppen im Fokus der Forschung
Das zweite Panel widmete sich dem Erleben der Pandemie aus Sicht besonders stark betroffener Gruppen. Die PEPP-COV-Projektpartner Dr. Johannes Kiess und Dr. Piotr Kocyba (EFBI) verdeutlichten anhand qualitativer Interviews die selbstbeschriebene politische Erschöpfung von Eltern schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher. Deren Alltag war während der Pandemie vielfach durch Überforderung, Isolation und psychische Belastungen geprägt. Der Vortrag verdeutlichte, dass fortwährende Belastungssituationen bei besonders vulnerablen Gruppen zu einem Rückgang politischer und gesellschaftlicher Beteiligung führen können. Diese Prozesse erfolgen eher schleichend, könnten aber für die Legitimation des politischen Systems langfristig umso relevanter werden. Im letzten Vortrag der Konferenz sprach Ali Simon (Ludwig-Maximilians-Universität München) über die oft übersehene Rolle von Reinigungskräften, die trotz systemrelevanter Aufgaben kaum gesellschaftliche oder materielle Anerkennung erfuhren – obwohl sie unter erschwerten Bedingungen einen wichtigen Beitrag zur Pandemiebewältigung leisteten.
Gesellschaftliche Resilienz stärken
Die abschließende Diskussion verdeutlichte, dass viele krisenhafte Dynamiken über die Pandemie hinaus bestehen geblieben sind. Dabei führen die multiplen Krisen zu besonderen Herausforderungen, in der wissenschaftlichen Betrachtung immer eindeutige Wirkmechanismen zu identifizieren – auch weil geeignete Langzeitdaten häufig fehlen oder in ihrer analytischen Tiefe mit Blick auf einzelne Einflussfaktoren begrenzt sind. Unstrittig sei aber, dass insbesondere die Funktionsfähigkeit der Infrastruktur, beispielsweise im Bildungs- oder im Gesundheitswesen, sich als entscheidender Faktor zur Krisenbewältigung darstellt und hier auch Maßnahmen zur Krisenprävention ansetzen müssen. Die Rolle der Sozialwissenschaften bestehe darin, durch fundierte Forschung Impulse zur Stärkung gesellschaftlicher Resilienz zu liefern, um in einer zunehmend von Krisen geprägten Gesellschaft das Gefühl der Zugehörigkeit und Teilhabe zu stärken.
https://uol.de/gundula-zoch Prof. Dr. Gundula Zoch
https://www.lifbi.de/de-de/Start/Institut/Personen/Person/account/5407?name=Wams... Dr. Steffen Wamsler
https://www.lifbi.de/PEPP-COV Mehr zum Projekt PEPP-COV am LIfBi
https://www.lifbi.de/Portals/2/Dateien/PEPP-COV_Einladung_Abschlusskonferenz.pdf Programm der Konferenz
https://www.lifbi.de/LFK/06 Transferbericht "Politisches Vertrauen"
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Media and communication sciences, Politics, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research projects, Scientific conferences
German
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