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07/16/2025 09:00

Gravitationstests mit dem Doppelpulsar ausgezeichnet

Norbert Junkes Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Radioastronomie

    Die Veröffentlichung „Strong-Field Gravity Tests with the Double Pulsar” eines internationalen Forschungsteams unter der Leitung von Michael Kramer (Max-Planck-Institut für Radioastronomie, MPIfR, in Bonn) zusammen mit weiteren MPIfR-Autoren sowie Kolleginnen und Kollegen aus mehreren Ländern wurde im Jahr 2021 in der Fachzeitschrift „Physical Review X” publiziert.

    Diese Arbeit wurde nun mit dem „Frontiers of Science Award“ in der Kategorie „Astrophysik und Kosmologie – Theorie” ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 13. Juli 2025 im China National Conference Center (CNCC) in Peking statt.

    Der Internationale Kongress für Grundlagenforschung (ICBS) in China würdigt herausragende Forschungsleistungen, die sowohl exzellent als auch von herausragendem wissenschaftlichem Wert sind. Für die Auswahl 2025 wurden wissenschaftliche Arbeiten sowohl aus der Grundlagenforschung als auch aus der angewandten Forschung in folgenden drei Bereichen der Grundlagenforschung ausgewählt: Mathematik, theoretische Physik und theoretische Computer- und Informationswissenschaften. Unter den ausgewählten Arbeiten befindet sich auch die Arbeit eines internationalen Forschungsteams unter der Leitung von Michael Kramer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn mit einer Reihe von Co-Autoren aus mehreren Ländern, die ihre Ergebnisse in einer Veröffentlichung mit dem Titel „Strong-Field Gravity Tests with the Double Pulsar” in der Fachzeitschrift „Physical Review X” publiziert hatten (Kramer et al. 041050, vom 13. Dezember 2021). Die in dem Artikel beschriebene Forschungsarbeit wurde mit dem „Frontiers of Science Award“ 2025 des ICBS in der Kategorie „Astrophysik und Kosmologie – Theorie” ausgezeichnet.

    Mehr als 100 Jahre nach der Veröffentlichung der allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einsteins bemühen sich Wissenschaftler weltweit weiterhin darum, die Grenzen dieser Theorie auszutesten. Die Beobachtung einer Abweichung von der allgemeinen Relativitätstheorie wäre eine bedeutende Entdeckung, die neue Einblicke in die Physik jenseits unseres derzeitigen theoretischen Verständnisses des Universums eröffnen würde. Eines der schwierigsten und präzisesten Testergebnisse stammt aus der nun ausgezeichneten Arbeit von Kramer und seinen Mitautoren. „Wir haben ein System sehr kompakter Sterne untersucht, um Gravitationstheorien in Gegenwart von sehr starken Gravitationsfeldern zu testen”, erklärt Michael Kramer, Direktor am MPIfR und Leiter des Forschungsteams, „Zu unserer großen Freude konnten wir eine zentrale Vorhersage von Einsteins Theorie, die von Gravitationswellen transportierte Energie, mit einer 25-mal höheren Präzision testen als mit dem mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Hulse-Taylor-Pulsar.“

    Neben dem Verlust von Bahnenergie durch Gravitationswellen wurden in diesem außergewöhnlichen System, das aus zwei Pulsaren besteht – kosmischen Leuchttürmen, die als extrem genaue Uhren fungieren und sich in nur 147 Minuten umkreisen –, verschiedene andere relativistische Effekte beobachtet. Alle beobachteten Effekte stimmen perfekt mit der allgemeinen Relativitätstheorie überein.

    Die exzentrischen Umlaufbahnen der beiden Pulsare drehen sich um etwa 17 Grad pro Jahr, was seit der Entdeckung des Systems inzwischen mehr als eine vollständige 360-Grad-Drehung ausmacht. Ein solch relativistischer Vorlauf des Perizentrums ist aus der Umlaufbahn des Merkur bekannt (Periheldrehung), aber in dem Doppelpulsarsystem ist der Effekt 140.000 Mal stärker.

    Die relativistische Zeitdilatation, die sich aus der Bewegung des Pulsars und dem Gravitationsfeld seines Begleiters ergibt, bewirkt, dass die „Pulsar-Uhren” langsamer ticken. Dieser Effekt ist besonders signifikant für den schnell rotierenden Pulsar „A”, dessen exzentrische Umlaufbahn um den langsam rotierenden Pulsar „B” aufgrund der Zeitdilatation zu einer genau gemessenen periodischen Zeitabweichung von 384 Mikrosekunden führt, wobei der Pulsar „A” sich 2643 Mal pro Minute dreht, während sein langsamerer Begleiter „B” nur 22 Umdrehungen pro Minute aufweist.

    Um die obere Konjunktion herum passieren die von Pulsar „A“ in Richtung Erde ausgesendeten Radiopulse in einem Abstand von etwa 10.000 km den Pulsar „B“. Diese Annäherung in der gekrümmten Raumzeit von Pulsar „B“ verursacht sowohl eine messbare Laufzeitverzögerung als auch eine Krümmung ihrer Bahn. Dank der außergewöhnlichen Genauigkeit im Timing von Pulsar A konnten diese Effekte gemessen, und in einer dreimillionenfach stärkeren Raumzeitkrümmung als in unserem Sonnensystem getestet werden.

    Die Kombination verschiedener Effekte, die durch ein System aus zwei stark selbstgravitierenden Körpern mit extremer Raumzeitkrümmung erzeugt werden, macht den Doppelpulsar zu einem einzigartigen „Testlabor“ – nicht nur für die allgemeine Relativitätstheorie, sondern auch für verschiedene alternative Gravitationstheorien, von denen einige durch dieses Experiment erheblich eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen werden konnten.

    „Als Theoretiker war es für mich ein Traum, all diese verschiedenen relativistischen Effekte in nur einem System untersuchen zu können. Diese Arbeit war jedoch nur möglich, weil ich auf den Schultern der Riesen in diesem Forschungsfeld der theoretischen Physik stehen konnte – einer von ihnen, Thibault Damour, ist sogar Mitempfänger dieser Auszeichnung“, sagt Norbert Wex, ebenfalls vom MPIfR.

    „Die Ergebnisse zeigen die einzigartige Leistungsfähigkeit des Pulsar-Timings für die Durchführung äußerst präziser und in einigen Fällen einzigartiger Tests von Gravitationstheorien und für die Erweiterung unseres Verständnisses der grundlegenden Gesetze unseres Universums“, sagt Paulo Freire vom MPIfR.

    „Diese Arbeit verdeutlicht die erstaunliche Übereinstimmung der im Moment besten Gravitationstheorie mit den Beobachtungen, darunter auch solchen mit dem 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg. Mit großer Spannung warten wir darauf, was weitere Beobachtungen in den nächsten 5 bis 10 Jahren uns offenbaren werden“, fügt Ramesh Karuppusamy vom MPIfR hinzu.

    „Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung für unsere Arbeit mit dem Doppelpulsar als Ergebnis einer Zusammenarbeit mit großartigen Kolleginnen und Kollegen, die es uns gemeinsam ermöglicht haben, unsere Präzisionsexperimente mit einem fundierten theoretischen Verständnis zu verbinden“, schließt Michael Kramer.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Michael Kramer
    Direktor und Leiter der Forschungsabteilung Radioastronomische Fundamentalphysik
    Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
    Fon: +49 228 525-299
    E-mail: mkramer@mpifr-bonn.mpg.de

    Dr. Norbert Wex
    Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
    Fon: +49 228 525-503
    E-mail: wex@mpifr-bonn.mpg.de


    Original publication:

    M. Kramer et al.: Strong-Field Gravity Tests with the Double Pulsar, 2021, Physical Review X, 13. Dezember 2021 (DOI: 10.1103/PhysRevX.11.041050).

    https://journals.aps.org/prx/accepted/a7077K4fR4216c02853742f061ca5a31085788a3e


    More information:

    https://www.mpifr-bonn.mpg.de/mitteilungen/2025/12


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    Künstlerische Darstellung des Doppelpulsarsystems mit zwei aktiven Pulsaren. Die Umlaufbewegung dieser extrem dichten Neutronensterne verursacht die Entstehung von Wellen in der Raumzeit, die als Gravitationswellen bekannt sind.
    Künstlerische Darstellung des Doppelpulsarsystems mit zwei aktiven Pulsaren. Die Umlaufbewegung dies ...

    Copyright: Michael Kramer / MPIfR

    Marta Burgay (links) und Michael Kramer (rechts) nehmen den „Frontiers of Science Award“ 2025 im Namen aller Autoren der Veröffentlichung zum Doppelpulsarsystem von Kramer et al. (2021) entgegen.
    Marta Burgay (links) und Michael Kramer (rechts) nehmen den „Frontiers of Science Award“ 2025 im Nam ...

    Copyright: ICBS


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
    Physics / astronomy
    transregional, national
    Contests / awards
    German


     

    Künstlerische Darstellung des Doppelpulsarsystems mit zwei aktiven Pulsaren. Die Umlaufbewegung dieser extrem dichten Neutronensterne verursacht die Entstehung von Wellen in der Raumzeit, die als Gravitationswellen bekannt sind.


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    Marta Burgay (links) und Michael Kramer (rechts) nehmen den „Frontiers of Science Award“ 2025 im Namen aller Autoren der Veröffentlichung zum Doppelpulsarsystem von Kramer et al. (2021) entgegen.


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