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07/18/2025 13:11

Epidemien und ihre politischen Auswirkungen

Helena Dietz Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Konstanz

    Ausbrüche von Infektionskrankheiten mindern das Vertrauen in die Politik. Dies fanden Ore Koren, Indiana University Bloomington (USA), und Nils Weidmann, Universität Konstanz (Deutschland), in ihrer Studie heraus, die gerade in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht wurde.

    Jüngst zeigte die Corona-Pandemie, welch weitreichende soziale Folgen neu auftretende Infektionskrankheiten mit sich bringen. Ähnlich folgenschwer hatte die Schwarze Pest Europa in der frühen Neuzeit erschüttert oder die Spanische Grippe nach dem Ersten Weltkrieg. Jedoch wurde bisher nur wenig erforscht, wie aufkommende Epidemien zu mangelndem Vertrauen in die Politik und Instabilität führen.

    In einem in PNAS veröffentlichten Artikel liefern die Politikwissenschaftler Ore Koren (Indiana University Bloomington und derzeit Humboldt-Forschungsstipendiat an der Universität Konstanz) und Nils Weidmann (Universität Konstanz) empirische Belege dafür: Menschen, die den Ausbruch einer Infektionskrankheit erlebt haben, zeigen deutlich weniger Vertrauen in das politische Establishment. Dies gilt insbesondere für das Vertrauen in den Präsidenten, das Parlament und die Regierungspartei des jeweiligen Landes. „Unsere Ergebnisse liefern solide empirische Belege dafür, dass Ausbrüche von lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten die politische Polarisierung verschärfen und die politische Stabilität untergraben können“, so die Schlussfolgerung der Studie.

    Schwindendes Vertrauen in politische Institutionen
    Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf Ausbrüche zoonotischer Krankheiten in mehreren afrikanischen Ländern – also Krankheiten, die von tierischen Wirten auf den Menschen übergehen, wie zum Beispiel Ebola, H1N1 („Schweinegrippe“) oder Lassa. Um die politischen Auswirkungen dieser Ausbrüche zu bewerten, kombinierte das Team Daten aus der GZOD-Geodatenbank (Geolocated Zoonotic Disease Outbreak Dataset) mit geolokalisierten Informationen aus den Afrobarometer-Umfragen. Letztere Datenbank erfasst die politischen und sozialen Einstellungen der Bürger*innen mehrerer afrikanischer Staaten, indem sie regelmäßig Umfragen durchführt. Unter anderem enthält sie auch Informationen, wie viel Vertrauen die Befragten verschiedenen politischen Akteur*innen entgegenbringen.

    Wie wurde sichergestellt, dass die Ergebnisse ausschließlich mit dem Ausbruch einer Epidemie zusammenhingen? Die Forscher verglichen die Angaben von Personen, die von Epidemien in ihrer Nähe betroffen waren, mit denen von Mitbürger*innen, die in einem nicht betroffenen Gebiet lebten. Durch diese Methode zeigte sich: Wer in einem der Epidemie-Gebiete lebt, vertraut deutlich weniger dem Präsidenten des Landes, dem Parlament, der Regierungspartei, der Wahlkommission und der Polizei. „Ein weiterer Test untersuchte, was passiert, wenn Epidemien in Nachbarländern – aber nicht im eigenen Land – ausbrechen. Unser Ergebnis belegt, dass diese Ausbrüche im Ausland keine Auswirkungen auf das politische Vertrauen im Heimatland haben. Der Effekt reicht also nicht über die Grenzen hinaus", erklärt Weidmann.

    Erkenntnisse aus dem Projekt
    Der Verlust öffentlichen Vertrauens mag auf verschiedene Gründe zurückzuführen sein, so die Forscher: Zum Beispiel auf das Versäumnis der Regierung, die Zivilbevölkerung angemessen vor den Gefahren der Epidemie zu schützen, das schlechte Management der Krankheit, die Durchsetzung von Eindämmungsmaßnahmen oder andere unpopuläre Schritte. Diese Erkenntnisse unterstreichen laut Koren und Weidmann, wie wichtig es für politische Entscheidungsträger*innen ist, Strategien im Bereich der öffentlichen Gesundheit nicht isoliert zu verfolgen. Sie sollten diese vielmehr kombinieren mit Maßnahmen, die darauf abzielen, das politische Vertrauen im Falle des Ausbruchs von Infektionskrankheiten zu erhalten und wiederherzustellen.

    „Die Regierungen sollten vertrauensbildende Strategien in ihre Notfallpläne gegen Epidemien integrieren und sicherstellen, dass ihre Entscheidungen transparent sind und die Kommunikation klar und nachvollziehbar ist“, so Koren. Weidmann fügt hinzu: „Während einer Gesundheitskrise sollten die politischen Entscheidungsträger rasch mit Vertrauenspersonen der Bürgerinnen und Bürger zusammenarbeiten, um die Legitimität der staatlichen Strukturen zu stärken.“ Beide Forscher empfehlen auch, die öffentliche Stimmung während Gesundheitskrisen durchgängig zu beobachten und entsprechend Lösungen anzustreben, die nicht nur die Ausbreitung von Krankheiten eindämmen, sondern auch das Vertrauen in die politische Führung wiederherstellen und so demokratische Normen stärken.

    Faktenübersicht:
    - Die Studie "Infectious Disease Outbreaks Drive Political Mistrust" wurde am 17. Juli 2025 in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht.

    - Originalpublikation: O. Koren, & N.B. Weidmann, Infectious disease outbreaks drive political mistrust, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 122 (29) e2506093122, https://doi.org/10.1073/pnas.2506093122 (2025).

    - Die Studie liefert empirische Belege dafür, dass Personen, die den Ausbruch einer Infektionskrankheit erlebt haben, deutlich weniger Vertrauen in das politische Establishment haben.

    - Ore Koren ist Associate Professor für Internationale Beziehungen und Methodologie an der Indiana University Bloomington, USA. Von Januar bis Juli 2025 hält er sich als Gastprofessor im Rahmen eines von der Alexander von Humboldt-Stiftung finanzierten Forschungsstipendiums an der Universität Konstanz auf.

    - Nils Weidmann ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Konstanz, Leiter der Forschungsgruppe „Communication, Networks and Contention“ und Principal Investigator im Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“.

    Hinweis an die Redaktionen:
    1) Ein Foto von Nils Weidmann kann im Folgenden heruntergeladen werden: https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2025_extra/epidemien_auswirk...

    Bildunterschrift: Nils Weidmann ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Konstanz und Principal Investigator im Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“.
    Copyright: Universität Konstanz Foto: Ines Janas

    2) Ein Foto von Ore Koren kann im Folgenden heruntergeladen werden: https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2025_extra/epidemien_auswirk...

    Bildunterschrift: Ore Koren ist Associate Professor für Internationale Beziehungen und Methodologie an der Indiana University Bloomington, USA
    Copyright: Universität Konstanz Foto: Werner Palz


    Original publication:

    O. Koren, & N.B. Weidmann, Infectious disease outbreaks drive political mistrust, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 122 (29) e2506093122, https://doi.org/10.1073/pnas.2506093122 (2025).


    Images

    Nils Weidmann ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Konstanz und Principal Investigator im Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“.
    Nils Weidmann ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Konstanz und Principal Invest ...
    Source: Ines Janas
    Copyright: Universität Konstanz, Ines Janas


    Attachment
    attachment icon PI Nr. 70/2025, Epidemien und ihre politischen Auswirkungen

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Cultural sciences, Medicine, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Nils Weidmann ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Konstanz und Principal Investigator im Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“.


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