idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
07/24/2025 20:00

Forderung nach dringender politischer Reform

Roland Koch Kommunikation und Medien
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

    Für die weltweite Wiederherstellung von Korallen-Diversität drängt ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts in der Fachzeitschrift Science auf eine Reform der Rechtsvorschriften. Die Forschenden setzen sich dafür ein, die Widerstandsfähigkeit von Korallen durch unterstützenden Genfluss zu erhöhen, was die Gesetzeslage aktuell verhindere. Er sollte genutzt werden, bevor der Klimawandel zu einem weiteren Rückgang der Riffe und zu irreversiblen Schäden an den Korallenpopulationen führt.

    Korallenriffe haben einen großen Wert als Brutstätte für andere Arten, natürliche Barrieren gegen Wellen oder den Tourismus. Sie sind weltweit durch steigende Meerestemperaturen, Umweltverschmutzung und Fischerei bedroht, so dass beispielsweise in den Florida Keys die Bedeckung mit gesunden Korallen in den letzten 40 Jahren um 90 Prozent zurückgegangen ist. Eine hohe genetische Diversität erhöht die Resilienz gegenüber Stress, denn sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Art Gene besitzt, die bei sich ändernden Umweltfaktoren vorteilhaft sind. Die Kreuzung von Korallen unterschiedlicher regionaler Herkunft kann die genetische Vielfalt erhöhen. Jedoch ist das Verbringen von Korallen über Ländergrenzen auch zum Zwecke ihres Schutzes und des Schutzes von genetischen Ressourcen aktuell durch Gesetze eingeschränkt, beispielsweise durch das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) und das Nagoya- Protokoll. Das Nagoya-Protokoll ist ein internationales Abkommen, das den Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte Aufteilung der Vorteile regelt, die aus deren Nutzung entstehen (Access and Benefit Sharing, ABS).

    In einem politischen Forum in der Zeitschrift Science beschreibt ein internationales Forschungsteam erforderliche Reformen, für den internationalen Austausch von Korallennachwuchs mit dem Ziel, neue genetische Vielfalt zu ermöglichen. Diese Reformen umfassen die Anpassung bestehender Regeln für den Austausch nicht-kommerzieller Pflanzen zwischen Herbarien und Gärtnereien, so dass sie auf Korallen angewandt werden können; die Einrichtung regionaler landgestützter Korallen-Biobanken als Aufbewahrungsorte für diese gemeinsam genutzten Korallen; und die Nutzung politischer Netzwerke zwischen überseeischen Ländern und Territorien, um einen rechtzeitigen, grenzüberschreitenden Korallenaustausch zu ermöglichen. Dies sei zeitkritisch, denn Korallen leiden unter der globalen Erwärmung und speziell unter marinen Hitzewellen. Regulierungsreformen sind notwendig geworden, weil die internationalen Bemühungen zur Eindämmung der Kohlenstoffemissionen noch nicht ausgereicht haben, um die Erwärmung der Ozeane zu reduzieren. Mit-Autorin ist Prof. Dr. Iliana Baums, die die gemeinsame Professur für „Marine Conservation“ der Universität Oldenburg und des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), innehat. Baums forscht am Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB).

    „Wir brauchen neue Ansätze, um die Korallenriffe vor der Bedrohung durch den Klimawandel zu schützen, und wir müssen die internationalen Vorschriften anpassen, damit die Länder zusammenarbeiten können“, sagte Andrew Baker, der Hauptautor der Studie und Professor für Meeresbiologie und -ökologie an der University of Miami Rosenstiel School of Marine, Atmospheric and Earth Science. Für diesen unterstützenden Genfluss (Assisted Gene Flow, AGF) werden Individuen (oder deren Sperma oder Eizellen) der gleichen Art zwischen verschiedenen Regionen transportiert, um deren Kreuzung zu erleichtern. In der Regel hat er das Ziel, die genetische Vielfalt zu erhöhen und Eigenschaften wie Widerstandsfähigkeit oder Krankheitsresistenz zu verbessern - insbesondere angesichts des Klimawandels.

    Die neue Studie erscheint nur drei Wochen nach dem Ausbringen von Elchgeweihkorallen in Miami, die aus internationalen Kreuzungen von Elchgeweihkorallen-Eltern aus Florida und Honduras hervorgegangen sind. Sie erhielten aufgrund dieser Herkunft den Namen Flonduran und waren die ersten Korallen, die jemals zur Ansiedlung in wilde Riffe zugelassen wurden, die aus Elterntieren aus verschiedenen Ländern gezüchtet wurden. Ausgelöst wurden die Zucht-Maßnahmen durch die katastrophalen Verluste von Korallen während der Hitzewelle im Jahr 2023. Diese Kreuzungen erhöhen die genetische Vielfalt von Elchgeweihkorallen (Acropora palmata) in Florida und unterstützen so die Erholung der bedrohten Korallenpopulation. Die erfolgreiche Sammlung von Elterntieren in Honduras, deren Ausfuhr und Zucht in Aquarien in Florida sowie das Ausbringen dieser Flonduran-Korallen ans Riff in Florida ebnet nun den Weg für weitere wissenschaftliche Studien darüber, wie diese Auspflanzungen die Wiederherstellungsbemühungen unterstützen können.

    „Wir müssen dringend den Einsatz des unterstützten Genflusses auf mehr Arten und Standorte in der Karibik ausweiten und gleichzeitig regionale Biobanken einrichten, die die Korallenvielfalt erhalten und als internationale Zuchtzentren dienen“, sagte Andrew Baker. „Diese Bemühungen sind entscheidend, um die Produktion und den Austausch von klimaresistenten Korallen zu steigern und den Riffen in der Karibik Zeit für die Anpassung an den Klimawandel zu verschaffen, während wir daran arbeiten, das Tempo der Erwärmung der Ozeane zu verlangsamen.“

    Die Studie erörtert die Risiken, die mit der Einführung einer neuen Vielfalt von außerhalb einer lokalen Population verbunden sind, und wie man mögliche Risiken am besten abmildern kann. Eine Sorge bei der Einführung von genetischer Vielfalt von außerhalb einer lokalen Korallenpopulation ist das Potenzial für sogenannte Outbreeding Depression (also eine Reduktion der biologischen Fitness durch Auskreuzung oft über mehrere Generationen), bei denen die Vermischung von Genen Eigenschaften stören könnte, die den Korallen helfen, unter lokalen Bedingungen zu gedeihen.

    „Trotz dieser potenziellen Risiken ist Untätigkeit keine Option, da viele Korallenpopulationen nicht mehr gut an ihre sich schnell erwärmende Umwelt angepasst sind“, sagte Iliana Baums, Mitautorin und langjährige Vorsitzende der Genetik-Arbeitsgruppe des Coral Restoration Consortiums. „Tatsächlich hat sich der unterstützte Genfluss bei vielen Tierarten als erfolgreich erwiesen, wenn es darum ging, die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Er könnte eine entscheidende Rettungsleine für angeschlagene Korallenpopulationen darstellen.“

    Korallenriffe sind weltweit durch steigende Temperaturen aufgrund des Klimawandels sowie durch Nährstoffbelastung, Krankheiten und andere Einflüsse bedroht. Die jüngste Bleiche zwischen 2023 und 2025 war die vierte globale Bleiche seit Beginn der Aufzeichnungen, von der 84% der Riffe auf der Welt betroffen waren.

    „Um diesen globalen Auswirkungen entgegenzuwirken, ist eine Zusammenarbeit auf regionaler Ebene erforderlich, da die einzelnen Riffe nicht so schnell Zugang zu neuer Vielfalt haben, wie es nötig wäre, um den Rückgang aufzuhalten. Es sind neue internationale Ansätze erforderlich, die ein Maß an Zusammenarbeit und Skalierung erfordern, wie wir es bisher noch nicht gesehen haben. In dieser Publikation wird dargelegt, wie regulatorische Maßnahmen bei diesen Bemühungen helfen können“, fügte Andrew Baker hinzu.


    Contact for scientific information:

    Illiana Baums
    Tel.: +49 (0)471 4831 2536
    E-Mail: iliana.baums@hifmb.de


    Original publication:

    10.1126/science.adx5842, Proactive assisted gene flow for Caribbean corals in an era of rapid coral reef decline, Science (2025).


    More information:

    https://www.awi.de/ueber-uns/service/presse.html


    Images

    Bedrohte Elchgeweihkoralle, Acropora palmata, im Dry Tortugas National Park, die aufgrund der Hitzewelle im Sommer 2023 alle ihre Algensymbionten (auch Zooxanthellen genannt) verloren hat.
    Bedrohte Elchgeweihkoralle, Acropora palmata, im Dry Tortugas National Park, die aufgrund der Hitzew ...
    Source: www.usgs.gov
    Copyright: www.usgs.gov


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
    Biology, Environment / ecology
    transregional, national
    Cooperation agreements, Research results
    German


     

    Bedrohte Elchgeweihkoralle, Acropora palmata, im Dry Tortugas National Park, die aufgrund der Hitzewelle im Sommer 2023 alle ihre Algensymbionten (auch Zooxanthellen genannt) verloren hat.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).