Zuhause fühlen wir uns in der Regel sicher. Hier haben wir unsere Umgebung nach unseren Wünschen gestaltet und umgeben uns mit Produkten, die wir nach bestem Wissen und Gewissen ausgewählt haben. Aber können wir uns wirklich sicher sein, dass von diesen Produkten keine Gefahr für unsere Gesundheit ausgeht? Im EU-Projekt MetrIAQ arbeitete das Fraunhofer IMM mit mehreren nationalen und internationalen Projektpartnern an der Entwicklung von neuen Mikrokapseln als Referenzmaterialien für die Qualitätssicherung von Emissionstests zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten.
Die Luftqualität in Innenräumen beeinflusst unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden maßgeblich. Menschen verbringen bis zu 80 % ihrer Zeit in geschlossenen Räumen, deshalb ist ein gesundes Innenraumklima essenziell. Sogenannte „Flüchtige organische Verbindungen“ (VOC) sind unsichtbare potenzielle Gefahren für unsere Gesundheit. Sie entstehen vor allem, wenn Lösemittel verdunsten und flüssige oder pastöse Produkte trocknen. Sie können aber auch aus festen Produkten entweichen, wie zum Beispiel aus Kunststoffen. Materialien natürlichen Ursprungs können ebenfalls VOC in die Umgebungsluft abgeben (z. B. Terpene aus Holz). Unter bestimmten Umwelt- und Arbeitsbedingungen können sie zu Reizungen der Sinnesorgane und zu gesundheitlichen Beschwerden führen, die oft als „Sick-Building-Syndrom“ bezeichnet werden. So können die Emissionskonzentrationen in neuen oder renovierten Gebäuden erhöht sein, wenn der Luftaustausch mit frischer Umgebungsluft aufgrund verbesserter Energiesparmaßnahmen, wie einer dichteren Gebäudehülle, eingeschränkt ist.
Verlässliche Emissionsprüfungen brauchen Referenzmaterialien
Wie kann der Endverbraucher sicherstellen, dass die in den Innenräumen verwendeten Farben und Lacke sowie die gekauften Möbel kein Gesundheitsrisiko darstellen? Zwar gibt es ein weltweites Netzwerk von professionellen Laboren, die Emissionsprüfungen zur Bewertung von Produkten für den Innenbereich durchführen, allerdings muss die Vergleichbarkeit der Testergebnisse sichergestellt werden. Das Emissionsprüfkammerverfahren nach ISO 16000-9 und EN 16516 umfasst mehrere Schritte von der Probenvorbereitung bis zur Probennahme der Prüfkammerluft und der gaschromatografischen Analyse. Qualitätssicherung und -kontrolle können nur dann professionell durchgeführt werden, wenn dafür gut charakterisierte Emissionsreferenzmaterialien (ERM) verwendet werden, die eine bekannte Menge an VOC in die Prüfkammer emittieren und auf diese Weise reale Proben imitieren. Solche Referenzmaterialien sind derzeit nicht auf dem Markt verfügbar.
Fraunhofer IMM entwickelt innovative ERMs
Vergleichsmessungen werden bislang häufig mit Referenzmaterialien auf Basis von herkömmlichen Baumaterialien, z.B. Farben oder Fußbodenbelägen, durchgeführt. Diese lieferten oft stark schwankende Ergebnisse. In früheren Ringversuchen, bei denen verschiedene Labore dieselben Materialien testeten, wichen die Messergebnisse deutlich voneinander ab, in Einzelfällen sogar um bis zu 300 %. Eine Ursache dafür lag in der Instabilität der bislang verwendeten Referenzmaterialien, deren Emissionsraten sich einerseits mit der Zeit veränderten oder deren Homogenität nicht ausreichend war.
Das Fraunhofer IMM hat in diesem Kontext innovative Kapselsysteme entwickelt, die definierte Mengen von typischen in der Innenraumluft vorkommenden VOC wie Limonen, Pinen und Toluol emittieren. Die Schale der Kapseln besteht aus semipermeablem Polyurethan/Polyharnstoff. Ihre kugelförmige Struktur und definierte Kern-Schale-Morphologie sorgen für eine konstante Emission über mindestens 14 Tage – ein entscheidender Schritt zur Standardisierung von Emissionstests.
Zusätzlich wurden zertifizierte Referenzgasstandards (gCRM) für spezifische Schadstoffe geschaffen. Die VOC-Verkapselung kann eine Schlüsseltechnologie für die Herstellung stabiler, reproduzierbarer Referenzstandards werden. Ziel war es, realitätsnahe Materialien bereitzustellen, die unter definierten Bedingungen kontrolliert VOC freisetzen und so eine zuverlässige Qualifizierung von Emissionsprüfkammern zu ermöglichen.
Exakte Vorhersagen dank innovativer Modelle und Materialtechnologien
Ein weiteres zentrales Element des Projekts war die Entwicklung eines neuartigen numerischen Modells, mit dem die Freisetzung von VOC aus den Emissionsreferenzmaterialien simuliert werden kann. Die neuen Referenzmaterialien wurden in einem Ringversuch mit acht Prüflaboren erfolgreich getestet. Die Ergebnisse zeigten eine deutlich verbesserte Reproduzierbarkeit der Emissionsmessungen. Dies bedeutet, dass künftig Labore in Europa vergleichbare und zuverlässige Messergebnisse liefern könnten – eine essenzielle Voraussetzung für die Bewertung und Kontrolle von Bauprodukten.
Internationale Expertise für einheitliche Standards
Neben dem Fraunhofer IMM brachten acht weitere europäische Partnerinstitutionen ihre jeweilige Expertise in das Projekt ein. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) koordinierte das Projekt und brachte um-fangreiche Erfahrungen in der Prüfung von Bauprodukten hinsichtlich chemischer Emissionen und Referenzmaterialien ein. Das niederländische metrologische Institut VSL verfügt über langjährige Erfahrung in der Entwicklung und Analyse von Referenzgasgemischen und leitete ein zentrales Arbeitspaket zur gasförmigen Kalibrierung der analytischen Verfahren. Das metrologische Institut Tübitak UME aus der Türkei unterstützte mit Know-how in der Oberflächenanalyse und VOC-Messtechnik. Das dänische Prüflabor Eurofins stellte seine umfangreiche Prüfinfrastruktur für Emissionstests bereit. Die Universität Politecnico di Torino aus Italien entwickelte numerische Modelle für die Vorgänge des Stofftransports in den ERM, die vom nationalen slowenischen Institut für Bauingenieurwesen (ZAG) mit Simulationen des Emissionsverhaltens ergänzt wurden. VITO aus Belgien brachte seine umfangreiche Erfahrung in der Herstellung dynamischer VOC-Prüfgase sowie der Analyse der Luftqualität ein.
Mehr Sicherheit für Verbraucher und Industrie
Die verbesserten Prüfmethoden bieten sowohl für Verbraucher als auch für die Industrie erhebliche Vorteile. Hersteller von Bauprodukten können genauere Daten über die Emissionen ihrer Produkte erhalten und diese gezielt optimieren. Prüflabore könnten von den standardisierten Referenzmaterialien profitieren, die zuverlässige und nachvollziehbare Messungen ermöglichen. Verbraucher können sich darauf verlassen, dass schadstoffarme Bauprodukte tatsächlich gesundheitlich unbedenklich sind.
Langfristig werden die neuen Messverfahren dazu beitragen, dass emissionsarme Baumaterialien verstärkt nachgefragt und gefördert werden. Dies verbessert nicht nur die Luftqualität in Innenräumen, sondern verringert auch gesundheitliche Risiken und stärkt das Vertrauen der Verbraucher in nachhaltige Bauprodukte. Zudem unterstützte das Projekt die Weiterentwicklung europäischer Normen, wodurch ein einheitlicher und hoher Standard für Emissionsmessungen geschaffen wird.
Dieses Projekt 20NRM04 MetrIAQ wurde durch das EMPIR-Programm, das von den teilnehmenden Staaten kofinanziert wird, und durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union finanziert.
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists
interdisciplinary
transregional, national
Research projects, Transfer of Science or Research
German
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