Neu im Leitlinienprogramm Onkologie: Die S3-Leitlinie zum Schilddrüsenkarzinom. Die Leitlinie fasst erstmals die aktuelle Evidenz für alle Phasen der Behandlung zusammen und leitet daraus konkrete Empfehlungen ab. Ziel ist es, Diagnose und Therapie zu verbessern und zu vereinheitlichen.
Die Leitlinie entstand unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) vertreten durch die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Endokrinologie (CAEK), der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) und unter Mitwirkung von 21 weiteren Fachgesellschaften. Finanziert wurde die Erstellung der Leitlinie von der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie.
Schilddrüsenkarzinome gehören zu den seltenen Tumoren. Laut Robert Koch-Institut erkrankten in Deutschland im Jahr 2022 etwa 6.000 Menschen an Schilddrüsenkrebs, die Inzidenz ist bei Frauen höher als bei Männern. Die Prognose ist günstig: Bei Frauen liegt die relative 5-Jahres-Überlebensrate bei 94 Prozent, bei Männern bei 88 Prozent. Entscheidend sind für die Überlebensrate allerdings Tumorart und -stadium. Sie beeinflussen die Prognose wesentlich. Der überwiegende Teil der Karzinome wird in einem sehr frühen Stadium diagnostiziert. Es gibt unterschiedliche Typen des Karzinoms, unter anderem das papilläre, das follikuläre, das medulläre und das anaplastische Schilddrüsenkarzinom. Mit 65 Prozent tritt das papilläre Schilddrüsenkarzinom am häufigsten auf.
„Mit der neuen S3-Leitlinie zum Schilddrüsenkarzinom geben wir konkrete Empfehlungen von der Diagnostik über die Behandlung bis hin zur Nachsorge. Die Empfehlungen sollen helfen, Behandlungsfehler zu vermeiden und Standards zu vereinheitlichen“, so Prof. Andreas Bockisch. Er ist Koordinator der Leitliniengruppe. „Zudem können sich nun auch Betroffene umfassend über ihre Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten informieren.“
Chirurgische Behandlung: Am besten durch erfahrene Chirurg*innen im Zentrum
Die wichtigste Behandlungsmethode des Schilddrüsenkarzinoms ist die Operation, um den Tumor möglichst vollständig zu entfernen. Häufig wird dabei die komplette Schilddrüse entfernt – die neue S3-Leitlinie gibt jedoch auch Empfehlungen für Fälle, bei denen das nicht notwendig ist.
Insbesondere bei der Behandlung von Schilddrüsenkrebs im Kindes- und Jugendalter empfiehlt die Leitlinie die Behandlung in spezialisierten Zentren, möglichst durch erfahrene Operateur*innen mit hoher Fallzahl. Aber auch für andere Patient*innen solle geprüft werden, ob die Überweisung an ein profiliertes Zentrum notwendig ist. „Der positive Zusammenhang zwischen der Anzahl an durchgeführten Operationen und der Ergebnisqualität ist belegt“, sagt Bockisch. „Gerade bei einer seltenen Tumorart wie dem Schilddrüsenkarzinom ist es sinnvoll, sich für die Behandlung in einem zertifizierten Zentrum zu entscheiden. Hier liegt umfassende Erfahrung vor und bezogen auf die Chirurgie bedeutet das, dass die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Tumorresektion höher und die Komplikationsrate niedriger ist.“
Umfassende Empfehlungsliste: Von Diagnostik über Behandlung bis hin zur Nachsorge
Neben detaillierten Empfehlungen zu Diagnostik des Schilddrüsenkarzinoms sind auch die Therapieempfehlungen sehr differenziert: Unter anderem werden einzeln follikuläre Karzinome, das onkozytäre Schilddrüsenkarzinom und das papilläre Schilddrüsenkarzinom betrachtet. Da verschiedene Varianten des Karzinoms Iod anreichern, können diese mit der Radioiodtherapie behandelt werden. Je nach Situation kann diese zur Unterstützung nach einer Operation, zur Heilung oder im palliativen Setting zur Linderung von Beschwerden eingesetzt werden. In der neuen Leitlinie wird in einem eigenen Kapitel thematisiert, wann die Radioiodtherapie sinnvoll ist – und wann sie keinen Nutzen bringt.
Auch die Nachsorge wird ausführlich thematisiert. Diese solle über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren stattfinden, da Fernmetasthasen und Lokalrezidive bei differenzierten Schilddrüsenkarzinomen auch nach vielen Jahren noch auftreten können. Eine der zentralen Untersuchungsmethoden in der Nachsorge ist die Halssonographie als risikofreie Methode. Da Rezidive vorrangig innerhalb der ersten fünf Jahre der Nachsorge beobachtet werden, sind die Nachsorgeuntersuchungen in diesem Zeitraum besonders wichtig und sollen alle sechs Monate erfolgen. Nach fünf Jahren sollen sie noch alle zwölf Monate erfolgen.
Für den Fall von Tumorpersistenz, eines Rezidivs oder Metastasen enthält die Leitlinie Empfehlungen für das weitere Vorgehen. Hierbei werden auch systemische Therapien betrachtet.
Besonders seltene Tumoren: Das medulläre und das anaplastische Schilddrüsenkarzinom
Etwa fünf Prozent aller Schilddrüsenkarzinome sind medulläre Schilddrüsenkarzinome. Es entsteht aus den C-Zellen der Schilddrüse, die das Hormon Calcitonin bilden. Da es kein Iod speichert, ist eine Radioiodtherapie nicht möglich. Es kann nur durch eine Operation geheilt werden und hat relativ gute Prognosen.
Das anaplastische Schilddrüsenkarzinom ist eine seltene, hochaggressive Erkrankung. Meist fällt sie durch eine schnell fortschreitende, schmerzlose Schwellung auf, die bei der Erstvorstellung häufig bereits Schluckbeschwerden oder Heiserkeit auslöst. Aufgrund des schnellen Voranschreitens der Erkrankung ist hier zügiges Handeln bei allen Schritten empfohlen.
In der neuen Leitlinie sind der Diagnostik, Behandlung und Nachsorge dieser Varianten ein jeweils eigenes Kapitel gewidmet.
Die neue S3-Leitlinie ist auf dieser Webseite abrufbar: https://hub.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinie/schilddruesenkarzinom
Zudem sind die Inhalte in der kostenfreien Leitlinien-App integriert. Weitere Informationen unter: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/app
Das Leitlinienprogramm Onkologie
Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Leistungserbringer und Patient*innen zur angemessenen Vorgehensweise bei speziellen Gesundheitsproblemen. Sie stellen ein wesentliches Instrument zur Förderung von Qualität und Transparenz medizinischer Versorgung dar. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und die Deutsche Krebshilfe haben sich mit dem im Februar 2008 gestarteten Leitlinienprogramm Onkologie das Ziel gesetzt, gemeinsam die Entwicklung und Fortschreibung sowie den Einsatz wissenschaftlich begründeter und praktikabler Leitlinien in der Onkologie zu fördern und zu unterstützen. Mittlerweile umfasst das Leitlinienprogramm 36 S3-Leitlinien, die zu einem großen Teil auch als laienverständliche Patientenleitlinien vorliegen. Mehr unter: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/home
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie e.V. (DGAV)
Die DGAV ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie im deutschsprachigen Raum. Sie steht für eine chirurgische Versorgung, die höchsten Qualitätsstandards folgt, auf Wissen und Austausch basiert und Patientenorientierung mit wissenschaftlicher Exzellenz verbindet. Durch Leitlinienentwicklung, Studien, Innovation, Weiterbildung und die Zertifizierung chirurgischer Zentren setzt die DGAV Standards, die die Versorgung nachhaltig verbessern. Mehr unter: https://www.dgav.de/
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE)
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) ist mit rund 1.600 Mitgliedern eine der größten wissenschaftlichen Fachgesellschaften für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen in Europa. Seit ihrer Gründung 1953 fördert die DGE sowohl die Grundlagenforschung als auch die klinische Forschung und Patientenversorgung, unter anderem zu Osteoporose, Adipositas, Diabetes mellitus, Fertilitätsstörungen sowie Erkrankungen der Schilddrüse, Hypophyse und Nebenniere. Darüber hinaus engagiert sich die DGE aktiv im interdisziplinären Wissensaustausch und in der öffentlichen Aufklärung. Weitere Informationen unter https://www.endokrinologie.net/
Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. (DGN)
Die DGN ist eine der größten wissenschaftlichen Fachgesellschaften für Nuklearmedizin in Europa. Sie wurde 1977 gegründet und widmet sich der Förderung von Forschung, Diagnostik, Therapie und Strahlenschutz in der Nuklearmedizin. Mit rund 1.550 Mitgliedern aus Medizin, Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie Gesundheitsberufen bietet die DGN eine interdisziplinäre Plattform für Austausch und Weiterbildung. Durch Konferenzen, Fortbildungen, ihre Fachzeitschrift und internationale Vernetzung trägt sie maßgeblich zur Weiterentwicklung nuklearmedizinischer Verfahren und zur Verbesserung der Patientenversorgung bei. Weitere Informationen unter https://www.nuklearmedizin.de/de
Pressekontakte:
Pressekontakt Deutsche Krebsgesellschaft e. V.
Clara Teich und Angelina Gromes
Tel: 030 3229329-16 / 60
E-Mail: presse@krebsgesellschaft.de
Pressekontakt Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie e. V.
Sophia Busch
Tel: 030 2345 8656-24
E-Mail: sophia.busch@dgav.de
Pressekontakt Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e. V.
Sophia Suckel
Tel: 0711 89 31 330 686
E-Mail: suckel@medizinkommunikation.org
Pressekontakt Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e. V.
Götz Jonas
Tel.: 0511 48857-401
E-Mail: office@nuklearmedizin.de
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Research results, Transfer of Science or Research
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).