31. August 1997
Professor Dr. Rudolf Pichlmayr gestorben
Professor Dr. Rudolf Pichlmayr, Leiter der Abteilung Abdominal- und Transplantationschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), ist tot. Er starb gut drei Monate nach seinem 65. Geburtstag am Freitag, den 29. August 1997 waehrend eines Aufenthaltes beim 37. Weltkongress fuer Chirurgie in Acapulco, Mexiko. Der Tod Professor Pichlmayrs ist ein schwerer Verlust fuer die Hochschule.
Rudolf Pichlmayr ist gebuertiger Muenchner. Er wuchs in seiner Heimatstadt auf, studierte an der Ludwig-Maximilians-Universitaet Medizin und erhielt dort seine chirurgische Ausbildung. 1968 folgte er Professor Dr. Hans Georg Borst an die MHH; 1973 wurde er ordentlicher Professor und Leiter der Abteilung Abdominal- und Transplantationschirurgie der Hochschule. Einen Ruf auf den Lehrstuhl fuer Chirurgie an der Technischen Universitaet Muenchen lehnte er 1981 ab. Zweimal hatte er an der MHH das Amt des Prorektors fuer Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Weiterbildung inne; zugleich war Pichlmayr bis zuletzt Vorsitzender der Ethikkommission der Hochschule. Mit seinem Namen verbunden ist vor allem eine stuermische Entwicklung in der Transplantationsmedizin.
Bereits in das Zentrum seiner Antrittsvorlesung vor nunmehr fast drei Jahrzehnten stellte Rudolf Pichlmayr die Organtransplatation, an deren Weiterentwicklung er seitdem kontinuierlich mitgewirkt hat, und die bis zuletzt Schwerpunkt seiner Arbeit geblieben ist. Er gehoerte zu den ersten, die die Leberteil-Transplantation praktizierten und so mit einem Spenderorgan zwei Menschenleben retten konnten. Zur koerperlichen und psychischen Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen nach Organtransplantation gruendete der Chirurg gemeinsam mit seiner Frau, Professor Dr. Ina Pichlmayr, die "Stiftung Rehabilitation nach Organtransplantation". Der Pionier der Transplantationsmedizin baute seit Ende der sechziger Jahre an der MHH das Transplantationszentrum fuer Niere und Leber auf; er galt weltweit als einer der fuehrenden Chirurgen auf diesem Gebiet. Pichlmayr initiierte zudem den Sonderforschungsbereich 265 "Immunreaktionen und Pathomechanismen bei Organtransplantation" und war dessen Sprecher. Im Juni diesen Jahres wurde der erfolgreiche Arzt und Forscher mit seinem Wissenschaftlerteam - als eine von nur 15 Gruppen bundesweit - in das neue Programm "Nachwuchsgruppen" der VW-Stiftung aufgenommen. Sein Vorhaben: die sogenannte Xeno-Transplantation zu erforschen.
Fuer seine Leistungen erhielt Pichlmayr im In- und Ausland viele Auszeichnungen. Dazu zaehlen unter anderem der Ernst-Jung- und der Erich-Lexer-Preis, der Lucie-Bolte- und der Jatros Preis mit der bundesweiten Wahl zum "Mediziner des Jahres 1990". Verliehen wurden ihm die Niedersaechsische Landesmedaille und der Niedersachsenpreis, des weiteren die Ehrenmitgliedschaften des Royal College of Surgeons of England und des American College of Surgeons sowie der oesterreichischen und der Polnischen Gesellschaft fuer Chirurgie. Zuletzt war Pichlmayr Praesident der Deutschen Gesellschaft fuer Chirurgie, eine der grossen wissenschaftlichen Fachgesellschaften des Landes.
Ueber drei Auszeichnungen abseits der medizinischen Fachgesellschaften konnte er sich in den vergangenen Jahren besonders freuen. Im Juni 1993 nahm er in Wien den Menschenrechtspreis der Dr. Bruno-Kreisky-Stiftung entgegen - aus Anerkennung um seine Anstrengungen, insbesondere Kindern eine Rehabilitation nach einer Transplantation zu ermoeglichen. Am 23. Juni 1995 wurde ihm in Hannover das Grosse Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. In der Laudatio hiess es: "Gewuerdigt wird ein grossartiger Arzt und vorbildlicher klinischer Forscher, der zugleich grosses Engagement bei ethischen Fragestellungen zeigt." Fast auf den Tag genau ein Jahr spaeter erhielt Pichlmayr "in Anerkennung seines hervorragenden Wirkens zum Wohle der Allgemeinheit" die Plakette fuer Verdienste um die niedersaechsische Landeshauptstadt. Seine Name verbinde sich weltweit mit der Transplantationsmedizin und gebe der Stadt einen guten Klang; stand es in der Festschrift zu lesen. Und, noch wichtiger: Trotz groesster Erfolge sei er ein einfuehlsamer Arzt geblieben.
In der Tat. Die Sorge um das Schicksal des einzelnen Patienten hatte ihn beispielsweise bewogen, den Umfang der Behandlungspflicht als Thema in den Mittelpunkt des letztjaehrigen Chirurgenkongresses zu stellen. Die unter seiner Fuehrung entwickelten Leitlinien gelten international als vorbildlich. Pichlmayr war einerseits ueberzeugt, dass Patienten in Grenzsituationen nicht zu frueh aufgegeben werden duerfen, schon gar nicht aus oekonomischen Gruenden. Andererseits duerfe die Behandlung aber auch nicht zu weit getrieben werden. Mehr denn je gelte es, dem Willen des Patienten zu folgen. Diese Entscheidung, so sagte er noch vor kurzem in einem Interview, muesse sich auf eine redliche Aufklaerung stuetzen; eine, die nichts verschleiere, wenn es keine effektive Therapie mehr gebe.
Pichlmayr fuehlte sich auch der nachfolgenden aerztegeneration stets besonders verpflichtet. Viele seiner Schueler haben anderswo herausragende wissenschaftliche Erfolge feiern koennen: zum Beispiel Professor Dr. Peter Neuhaus in Berlin, Professor Dr. Christoph E. Broelsch in Hamburg oder Professor Dr. Juergen Klempnauer in Bochum - die Liste liesse sich weit fortsetzen. Durch diese breite hochkaraetige wissenschaftliche Basis hier und andernorts ist gewaehrleistet, dass die Versorgung der Patienten an der Hochschule auch mit dem Tod Pichlmayrs auf einem unveraendert hohen Niveau erhalten bleibt. Des weiteren ist das an der MHH geplante Transplantationsforschungszentrum eng mit dem Namen Pichlmayrs verbunden - und auch hier wird die Hochschule in ihren Anstrengungen nicht nachlassen; nicht zuletzt als Gedenken an einen hervorragenden Wissenschaftler und einfuehlsamen Menschen. - Professor Rudolf Pichlmayr wird uns fehlen.
Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
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