In seiner Juli-Sitzung hat der Vorstand der Einstein Stiftung Berlin neue Förderungen in Höhe von insgesamt 9,6 Millionen Euro bewilligt. Mit sechs Millionen Euro wird dabei über sechs Jahre das neue Einstein Center for Youth Mental Health aufgebaut, das sich schweren psychischen Erkrankungen junger Menschen widmet. Darüber hinaus werden drei Forschungsvorhaben von Berliner Universitäten und der Hebrew University of Jerusalem (HUJI) gefördert. Ein Postdoctoral Grant wird zur Erforschung alternativer Formen wirtschaftlicher Planung vergeben. Zwei Einstein Visiting Fellowships und ein Einstein-Zirkel zur Krebstherapie runden das aktuelle Förderportfolio ab.
Einstein-Zentrum
Hilfe bei psychischen Erkrankungen junger Menschen
Psychische Erkrankungen wie Schizophrenie, bipolare Störung, Depression oder Borderlinestörung sind auch nach jahrzehntelanger Forschung schwer therapierbar und eine individuelle wie gesellschaftliche Herausforderung. Die faktischen Ursachen der Erkrankungen sind zumeist unklar und der Zugang zur Behandlung ist vielfach unzureichend. Erste Symptome den genannten Erkrankungen zeigen sich bereits bei zwölf- bis 25-Jährigen und somit in einer Phase, in der sich ihre soziale und schulische beziehungsweise berufliche Entwicklung entscheidet. Das neue Einstein Center for Youth Mental Health (ECYM) will sowohl die Bedingungen für eine bessere Versorgung erforschen als auch neue Wege in der frühen Erkennung psychischer Erkrankungen gehen. Hier werden sieben Berliner Institutionen – Charité – Universitätsmedizin (Charité), Freie Universität Berlin (FU Berlin), Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin), Technische Universität Berlin (TU Berlin), Vivantes, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt – gemeinsam daran forschen, wie psychische Erkrankungen in der genannten Altersgruppe früher erkannt, besser verstanden und wirksamer behandelt werden können. In einer großen Studie werden rund 950 Jugendliche – mit und ohne erhöhtes Risiko – über vier Jahre wissenschaftlich begleitet. Moderne Hirnbildgebung, digitale Erhebungen und KI-gestützte Auswertungen sollen helfen, Risikofaktoren und Frühwarnzeichen zu erkennen. Zusätzlich werden neue Therapien und Versorgungsmodelle entwickelt und erprobt. Junge Menschen mit eigener Erfahrung psychischer Erkrankung werden aktiv in die Forschung einbezogen.
Einstein Berlin/HUJI Forschungsvorhaben
Die Rolle von Böden und Gewässern im Klimasystem
Organischer Kohlenstoff in Böden und Sedimenten spielt eine zentrale Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf und damit im Klimasystem der Erde. Ein bedeutender Kohlenstoffspeicher in Böden ist mineralgebundene organische Substanz (MAOM). Der Übergang dieser MAOM in aquatische Systeme – also in Flüsse, Seen und Meere – ist bislang wenig erforscht, hat jedoch großen Einfluss auf die langfristige Speicherung oder Freisetzung von Kohlendioxid. Das Forschungsprojekt unter der Leitung von Mina Bizic, Professorin für Umweltmikrobiomik an der TU Berlin, und Maya Engel, Assistant Professor Soil and Water Sciences an der HUJI, wird nun systematisch untersuchen, wie sich MAOM unter verschiedenen Bedingungen verhält – mit Hilfe von Laborexperimenten über Feldstudien bis hin zur Analyse natürlicher Vorkommen. Ziel dieses interdisziplinären Projekts, das Mikrobiologie, Bodenwissenschaften und Geochemie verbindet, ist es, besser zu verstehen, ob MAOM in Gewässern als Kohlenstoffsenke oder -quelle wirkt – eine wichtige Frage für die Klimaforschung.
Neue Strategien gegen bakterielle Infektionen
Warum befallen Krankheitserreger nur bestimmte Gewebe, Zelltypen oder Arten? Dieses Phänomen, bekannt als Tropismus, ist bei vielen humanspezifischen Bakterien noch immer kaum verstanden. Das Projekt untersucht diesen Mechanismus am Beispiel des enteropathogenen Escherichia coli (EPEC), das besonders bei Kleinkindern teils lebensbedrohliche Darminfektionen verursachen kann. Ziel ist es, bakterielle und menschliche Faktoren zu identifizieren, die den Bakterien ermöglichen, den menschlichen Darm zu infizieren. Dafür kombiniert das Team um Sina Bartfeld, Professorin am Institut für Medizinische Biotechnologie der TU Berlin, humane Darm-Organoide mit der Expertise in bakterieller Genetik und Virulenzfaktoren von Ilan Rosenshine, Professor für Bakteriologie an der Fakultät für Medizin der HUJI. Gemeinsam wollen die Forscher:innen die komplexen Wechselwirkungen zwischen Bakterium und Wirt entschlüsseln. Langfristig soll das Projekt nicht nur ein tieferes Verständnis der EPEC-Infektionen liefern, sondern auch neue Methoden zur Erforschung anderer menschlicher Darmbakterien schaffen und so die Entwicklung humaner Infektionsmodelle weiter vorantreiben.
Die Rolle des Mittelhirns bei Orientierung und Entscheidungsfindung
Eine zentrale Aufgabe des Gehirns ist es, Lebewesen eine flexible Orientierung in ihrer Umwelt zu ermöglichen. Navigation bedeutet, Entscheidungen darüber zu treffen, wann, wie, wohin oder ob man sich bewegt – und erfordert eine Vorstellung von der eigenen Position in der Umgebung. Obwohl bekannt ist, dass dabei verschiedene Hirnareale zusammenarbeiten, ist die Rolle eines bestimmten Bereichs im Mittelhirn – des Superior Colliculus – bisher kaum erforscht. Das Team aus Matthew Larkum, Professor am Institut für Biologie der HU Berlin, und Ariel Gilad, Assistant Professor Medical Neurobiology an der HUJI, untersucht nun die Hypothese, dass genau diese Rückmeldungen entscheidend für die Auswahl und Vorhersage von Bewegungen sind. Das Projekt knüpft an das in Berlin entwickelte Konzept zirkulärer Rückkopplungsschleifen im Gehirn an, das auf Arbeiten von Livia de Hoz (Charité) zurückgeht. Ziel ist es, die neuronalen Mechanismen besser zu verstehen, die Navigation und zielgerichtetes Verhalten im Alltag steuern.
Einstein Postdoctoral Grant
Mit dem Projekt "Heterodox Planning" will Christoph Sorg, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HU Berlin, alternative Formen wirtschaftlicher Planung erforschen, um partizipativere, sozial inklusivere und nachhaltigere Ansätze zu entwickeln. Gerade in Zeiten von Krisen, wenn das Vertrauen in die vermeintlich planungsfreien Märkte erodiert, sind solche Ansätze von wachsendem Interesse. Im Fokus stehen zwei Beispiele: Community Wealth Building, bei dem lokale Gemeinschaften wirtschaftlich gestärkt werden, und “Plattform-Kooperativen” als demokratische Alternativen zu klassischen Plattformunternehmen. In beiden Fallstudien wird untersucht, wer plant, was geplant wird, wie Mitbestimmung funktioniert, wie zentrale Steuerung und lokale Selbstverwaltung zusammenwirken und welche Strategien für sozialen Wandel entwickelt werden.
Einstein Visiting Fellows
Lange galt der Schlaf als entscheidend für die Gedächtnisbildung. Doch aktuelle Forschung zeigt: Auch im wachen Zustand kann das Gehirn neue Informationen verarbeiten und dauerhaft speichern, allerdings auf andere Weise. Lucy Palmer, Professorin am australischen Florey Institute of Neuroscience and Mental Health, wird untersuchen, wie unser Gehirn Erinnerungen festigt – im Schlaf und im Wachzustand. Im Zentrum steht dabei, wie sich die neuronalen Mechanismen der Gedächtniskonsolidierung zwischen Schlaf und Wachzustand unterscheiden und ob der Hippocampus je nach Zustand sogar gegensätzliche Rollen spielt. In Kooperation mit dem Exzellenzcluster NeuroCure der HU Berlin und ihrem Gastgeber Professor Matthew Larkum (HU Berlin) will Palmer erforschen, wie diese beiden Zustände zusammenwirken und wie neue Erinnerungen in vorhandenes Wissen eingebettet werden. Mithilfe von In-vivo-Bildgebung und optogenetischen Verfahren wird die Hirnaktivität in Tiermodellen gemessen und gezielt beeinflusst. Ziel ist es, besser zu verstehen, wie das Gehirn flexibel mit neuen Informationen umgeht. Die Erkenntnisse sollen auch helfen, neue Ansätze zur Behandlung von Gedächtnisstörungen wie Alzheimer oder Posttraumatischer Belastungsstörung zu entwickeln – etwa durch gezielte Förderung oder Korrektur von Gedächtnisprozessen.
Für den Einstein Visiting Fellow David McAlpine wurde eine Verlängerung der Förderung bewilligt. Der Professor für Auditive Neurologie an der Macquarie University in Sydney (Australien) setzt sein Projekt „Listen and Learn: The Adapting Auditory Brain“ in Kooperation mit dem Team von Livia de Hoz, Leiterin des de Hoz Lab am Neuroscience Research Center der Charité, fort. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, wie Menschen in unterschiedlichen Umgebungen effektiv hören können. Mit Hilfe moderner Messtechniken analysieren die Forschenden dafür bei Mäusen die Aktivität von Hirnregionen, die beim Hören beteiligt sind – etwa im Mittelhirn und der Hörrinde. In der nächsten Projektphase soll geklärt werden, wie Verhalten, Vorhersagbarkeit von Geräuschen und aktive Aufmerksamkeit das Hören beeinflussen. Zudem werden die gewonnenen Erkenntnisse in Experimente mit neurodiversen Menschen übertragen, um zu untersuchen, wie dieser Lernprozess bei ihnen verändert ist. So soll das Projekt das Verständnis davon vertiefen, wie das Gehirn die Muster der Welt lernt, insbesondere im auditiven Bereich, und zu Fortschritten in der Hörtechnologie beitragen.
Einstein-Zirkel
Initiative zu Gefäßbiologie und Tumorinteraktion
Berlin ist ein führender Standort für biomedizinische Forschung – besonders in der Onkologie, Gefäßbiologie und Immunonkologie. Technologien wie Einzelzellanalysen oder räumliche Bildgebung eröffnen heute ganz neue Einblicke in das Zusammenspiel von Blutgefäßen und Tumoren. Der Einstein-Zirkel „Spatial Biology in Cancer: Focus on Inflammation and Endothelial Cells in Bone Marrow“ unter der Leitung von Professorin Il-Kang Na, Oberärztin an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie der Charité und Professorin für Funktionelle Immunonkologie am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), bringt die Berliner Spitzeninstitute Charité, Max Delbrück Center, Leibniz-Institut Deutsches Rheuma-Forschungszentrum und FU Berlin mit internationalen Expert:innen zusammen, beispielsweise im Rahmen der European Society for Spatial Biology e.V. Diese wurde von Professor Anja Hauser, die ebenfalls am Einstein-Zirkel beteiligt ist, mitgegründet. Gemeinsam sollen Forschungsprojekte gestartet, Erkenntnisse ausgetauscht und Ansätze für neue Therapien weiterentwickelt werden. In „Zirkeltreffen“ werden Studien vorbereitet, Ergebnisse diskutiert und Förderanträge koordiniert. Schwerpunktmäßig ist die Einwerbung von Drittmitteln zur Förderung junger Talente geplant wie zum Beispiel ein europaweites Graduiertenprogramm, um die Graduiertenschule Berlin School of Integrative Oncology weiter auszubauen. Ziel ist, Berlin weiter als Zentrum für exzellente Krebsforschung zu stärken und so die Behandlung von Patient:innen spürbar zu verbessern.
Die Einstein Stiftung Berlin ist eine gemeinnützige, unabhängige und wissenschaftsgeleitete Einrichtung, die 2009 als Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet wurde. Sie fördert Wissenschaft und Forschung fächer- und institutionenübergreifend in und für Berlin auf internationalem Spitzenniveau. Rund 240 Wissenschaftler:innen – unter ihnen drei Nobelpreisträger –, über 70 Projekte und acht Einstein-Zentren wurden bislang gefördert.
https://www.einsteinfoundation.de/presse/2025/22072025-08/25
Criteria of this press release:
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