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08/12/2025 15:00

Astronomen entdecken das „Auge von Sauron“ im Welt-raum

Norbert Junkes Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Radioastronomie

    Ein beeindruckendes neues Bild eines kosmischen Jets hat Astronomen dabei geholfen, das Geheimnis hinter der ungewöhnlich hellen Aussendung hochenergetischer Gammastrahlung und Neutrinos aus einem seltsamen Himmelsobjekt zu lüften. Die Forscher haben etwas eingefangen, das wie das mythische „Auge von Sauron” im fernen Universum aussieht – und damit möglicherweise ein jahrzehntelanges kosmisches Rätsel gelöst. Ein internationales Team hat eine Entdeckung gemacht, die dazu beitragen wird, zu verstehen, wie ein scheinbar langsam bewegter Blazar mit der Bezeichnung PKS 1424+240 eine der hellsten jemals beobachteten Quellen hochenergetischer Gammastrahlen und kosmischer Neutrinos sein kann.

    Der Milliarden von Lichtjahren entfernte Blazar PKS 1424+240 hat Astronomen lange Zeit vor ein Rätsel gestellt. Er sticht als hellstes Neutrino-emittierendes Objekt seiner Art am Himmel hervor – identifiziert durch Beobachtungen mit dem IceCube Neutrino-Observatorium – und strahlt außerdem in sehr hochenergetischer Gammastrahlung, die von bodengestützten Cherenkov-Teleskopen beobachtet wird. Seltsamerweise scheint sich sein Radiojet jedoch nur langsam zu bewegen, was den Erwartungen widerspricht, dass nur die schnellsten Jets solch intensive hochenergetische Emissionen erzeugen können.

    Dank 15 Jahren ultrapräziser Radiobeobachtungen mit dem Very Long Baseline Array (VLBA) konnten Forscher nun ein detailliertes Bild dieses Jets mit der bislang besten Auflösung erstellen.

    „Als wir das Bild rekonstruierten, sah es wirklich atemberaubend aus“, sagt Yuri Kovalev, Hauptautor der Studie und Projektleiter des vom „European Research Council“ (ERC) finanzierten MuSES-Projekts am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). „Wir haben noch nie etwas Vergleichbares gesehen – ein nahezu perfektes ringförmiges Magnetfeld mit einem Jet, der direkt in unsere Richtung zeigt.“

    Da der Jet fast genau in Richtung Erde ausgerichtet ist, wird seine hochenergetische Strahlung durch die Effekte der speziellen Relativitätstheorie dramatisch verstärkt. „Diese Ausrichtung bewirkt eine Steigerung der Helligkeit um den Faktor 30 oder mehr“, erklärt Mitautor Jack Livingston, ebenfalls vom MPIfR. „Gleichzeitig scheint sich der Jet aufgrund von Projektionseffekten langsam zu bewegen – eine klassische optische Täuschung.“

    Diese frontale Geometrie ermöglicht es den Wissenschaftlern, direkt in das Herz des Jets des Blazars zu blicken – eine äußerst seltene Gelegenheit. Mit Hilfe polarisierter Radiosignale konnte das Team die Struktur des Magnetfelds des Jets kartieren und dessen wahrscheinliche spiralförmige oder toroidale (ringförmige) Form aufdecken. Diese Struktur spielt eine Schlüsselrolle beim Ausstoß und der Bündelung des Plasmastroms und könnte für die Beschleuni-gung von Teilchen auf extreme Energien entscheidend sein.

    „Die Lösung dieses Rätsels bestätigt, dass aktive Galaxienkerne mit supermassereichen Schwarzen Löchern nicht nur leistungsstarke Beschleuniger von Elektronen sind, sondern auch von Protonen – dem Ursprung der beobachteten hochenergetischen Neutrinos“, schließt Kovalev.

    Die Entdeckung ist ein Triumph für das MOJAVE-Programm, ein jahrzehntelanges Projekt zur Beobachtung relativistischer Jets in aktiven Galaxien mit Hilfe des „Very Long Baseline Array“ (VLBA). Wissenschaftler nutzen die Technik der „Very Long Baseline Interferometry“ (VLBI), die Radioteleskope auf der ganzen Welt zu einem virtuellen Teleskop von der Größe der Erde verbindet. Dies ermöglicht die höchste Auflösung, die in der Astronomie verfügbar ist, und erlaubt es ihnen, feinste Details in entfernten kosmischen Jets zu untersuchen.

    „Als wir mit MOJAVE begonnen haben, schien die Idee, eines Tages weit entfernte Jets von Schwarzen Löchern direkt mit kosmischen Neutrinos in Verbindung zu bringen, wie Science Fiction. Heute haben unsere Beobachtungen dies Wirklichkeit werden lassen“, sagt Anton Zensus, Direktor am MPIfR und Mitbegründer des MOJAVE-Programms.

    Dieses Ergebnis stärkt den Zusammenhang zwischen relativistischen Jets, hochenergetischen Neutrinos und der Rolle von Magnetfeldern bei der Entstehung kosmischer Beschleuniger – ein Meilenstein auf dem Gebiet der Multimessenger-Astronomie.

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    Weitere Informationen

    Ein Blazar ist eine Art aktiver Galaxienkern, der von einem supermassereichen Schwarzen Loch angetrieben wird und einen Plasmastrahl mit beinahe Lichtgeschwindigkeit ausstößt. Das Besondere an einem Blazar ist seine Ausrichtung: Einer seiner Strahlen ist in einem Winkel von nur etwa 10 Grad zur Erde ausgerichtet. Durch diese Ausrichtung erscheinen Blazare im gesamten elektromagnetischen Spektrum hell und ermöglichen es Wissenschaftlern, extreme physikalische Prozesse zu untersuchen – darunter die Beschleunigung von Teilchen auf Energien, die weit über denen liegen, die in Teilchenbeschleunigern auf der Erde erreicht werden können.

    Das VLBA („Very Long Baseline Array“) ist ein Netzwerk von zehn Antennen an Standorten im kontinentalen Bereich der Vereinigten Staaten sowie auf Hawaii und St. Croix, das im VLBI-Modus („Very Long Baseline Interferometry“) betrieben wird. Die Abstände zwischen den Antennen variieren bis zu maximal zehntausend Kilometern und ermöglichen eine Winkelauflösung am Himmel bis herunter zu 50 Mikrobogensekunden.

    MOJAVE („Monitoring Of Jets in Active galactic nuclei with VLBA Experiments“) ist ein Langzeitprogramm zur Überwachung der Radiohelligkeit und Polarisationsschwankungen in Jets, die mit aktiven Galaxien am Nordhimmel in Verbindung stehen. Die Beobachtungen werden mit dem „Very Long Baseline Array“ durchgeführt, das es ermöglicht, vollständige Polarisationsbilder mit einer Winkelauflösung von unter einer Millibogensekunde (dem scheinbaren Abstand zwischen zwei Autoscheinwerfern, wie ihn ein Astronaut vom Mond aus auf der Erde sehen würde) zu erstellen. Diese Daten werden genutzt, um die komplexe Entwicklung und die Magnetfeldstrukturen von Jets auf der Skala von Lichtjahren besser zu verstehen, nahe ihrem Ursprungsort im aktiven Kern von Galaxien, und um zu erforschen, wie diese Aktivität mit hochenergetischer elektromagnetischer Strahlung und der Aussendung von Neutrinos zusammenhängt.

    MuSES, kurz für „Multi-messenger Studies of Energetic Sources“, ist eine wegweisende Initiative in der Astrophysik. Sie widmet sich der Erforschung aktiver Galaxienkerne, die zu den leistungsstärksten Teilchenbeschleunigern im Kosmos zählen. Diese Himmelsobjekte nutzen die Gravitationsenergie von Materie, die von supermassereichen Schwarzen Löchern angesammelt wird, und wandeln sie in elektromagnetische und kinetische Energie um. Dadurch entstehen hochrelativistische Elektronen und Protonen. Die Beschleunigung von Protonen und ihr Zusammenhang mit der Neutrino-Produktion sind noch nicht vollständig verstanden, was für Forschende eine große Herausforderung darstellt. Mit MuSES wird versucht, diese grundlegenden Fragen mithilfe der jüngsten Fortschritte in der Multi-Messenger-Astronomie anzugehen.

    Das MuSES-Projekt wurde von der Europäischen Union in der ERC-Fördervereinbarung Nr. 101142396 finanziert. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder der „European Research Council Executive Agency“ (ERCEA) wider. Weder die Europäische Union noch die Förderbehörde können dafür verantwortlich gemacht werden.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Yuri Kovalev
    Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
    Fon: +49 228 525-424
    E-mail: ykovalev@mpifr-bonn.mpg.de

    Dr. Jack Livingston
    Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
    Fon: +49 228 525-431
    jlivingston@mpifr-bonn.mpg.de


    Original publication:

    Y. Y. Kovalev, A. B. Pushkarev, J. L. Gomez, D. C. Homan, M. L. Lister, J. D. Livingston, I. N. Pashchenko, A. V. Plavin, T. Savolainen, S. V. Troitsky: Looking into the Jet Cone of the Neutrino-Associated Very High Energy Blazar PKS 1424+240, A&A Letters, August 12, 2025 (DOI: 10.1051/0004-6361/202555400)

    https://doi.org/10.1051/0004-6361/202555400

    Preprint: https://arxiv.org/abs/2504.09287


    More information:

    https://www.mpifr-bonn.mpg.de/pressemeldungen/2025/5


    Images

    Das „Auge von Sauron“: ein Plasmastrahl im Blazar PKS 1424+240, durchzogen von einem nahezu perfekten ringförmigen Magnetfeld. Dabei werden hochenergetische Gammastrahlen und Neutrinos werden stark in Richtung Erde gebündelt.
    Das „Auge von Sauron“: ein Plasmastrahl im Blazar PKS 1424+240, durchzogen von einem nahezu perfekte ...

    Copyright: Y.Y. Kovalev et al.

    Blick in den stark gebündelten Plasmastrahlkegel des Blazars PKS 1424+240 mit einem Radioteleskop des Very Long Baseline Array (VLBA).
    Blick in den stark gebündelten Plasmastrahlkegel des Blazars PKS 1424+240 mit einem Radioteleskop de ...

    Copyright: NSF/AUI/NRAO/B. Saxton/Y.Y. Kovalev et al.


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Das „Auge von Sauron“: ein Plasmastrahl im Blazar PKS 1424+240, durchzogen von einem nahezu perfekten ringförmigen Magnetfeld. Dabei werden hochenergetische Gammastrahlen und Neutrinos werden stark in Richtung Erde gebündelt.


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