Hormonabhängiger weiblicher Schutz der Nieren funktioniert über ein vielschichtiges Abwehrsystem gegen Ferroptose / Aktuelle Arbeit im renommierten Journal Nature veröffentlicht / Dimension der neuen Erkenntnisse weitreichend
Akutes Nierenversagen ist eine klinische Herausforderung, da das Ereignis häufig auftritt und es keine zielgerichtete Therapie gibt. Dass Frauen weniger anfällig für akutes Nierenversagen sind als Männer, ist keine neue Erkenntnis. Bereits seit 1940 gibt es diese Beobachtung, belegt auch durch epidemiologische Studien. Was diesem Phänomen zugrunde liegt, ist jedoch bis heute ein Rätsel. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Heidelberg, an der Medizinischen Fakultät Mannheim, sind der Lösung dieses Rätsels auf der Spur. In einer aktuell im renommierten Fachjournal Nature veröffentlichten Arbeit liefern sie eine überzeugende Erklärung für dieses Phänomen.
Die Forscher rücken das weibliche Sexualhormon Östrogen sowie den Vorgang der Ferroptose, eine von Eisen abhängige Form des regulierten Zelltods, in den Fokus. Sie fanden heraus, dass Östrogene die Ferroptose blockieren. Dies steht im Einklang mit der Beobachtung, dass der Schutz der Nieren von Frauen mit der Menopause, wenn die Produktion der Geschlechtshormone abnimmt, verlorengeht.
Interessant ist dabei, dass Östrogen, und insbesondere dessen hydroxylierte Derivate wie 2-Hydroxyestradiol, Schlüsselmediatoren eines vielschichtigen weiblichen Schutzes sind: Das Hormon entfaltet seine Funktion als Ferroptose-Abwehrsystem in verschiedener Art und Weise, über genomische und nicht-genomische Mechanismen.
Es zeigte sich, dass das natürliche Hormon wie ein körpereigenes Medikament gegen Ferroptose wirkt. Zusätzlich initiiert Östrogen über den Östrogen-Rezeptor im Zellkern verschiedene biologische Systeme, die als Abwehrmechanismen gegen Ferroptose zu werten sind. So reguliert der Rezeptor beispielsweise die Produktion von Hydropersulfiden, die als Radikalfänger die Ferroptose in Schach halten. Darüber hinaus wirkt Östrogen-Rezeptorstimulation auch der Veränderung bestimmter Fette in der Zellmembran entgegen, sogenannte Etherlipide, und hemmt auch auf diese Weise Ferroptose.
Diese Beobachtungen bieten interessante Ansatzpunkte für die Therapie von Nierenerkrankungen. Aber nicht nur! Die Ferroptose hat für eine Vielzahl von Krankheitsprozessen eine Bedeutung. „Unsere Erkenntnisse können auch weit über die Niere hinaus Auswirkungen haben, sogar auf die Krebsforschung. Sie rücken die Ferroptose in den Blick der Geschlechtsunterschiede von Mann und Frau auch in Bezug auf Herzerkrankungen und Schlaganfall, vor denen Frauen im Vergleich zu Männern eher geschützt sind, bis hin zur bekanntlich höheren Lebenserwartung von Frauen“, erläutert Professor Dr. Andreas Linkermann, Direktor der V. Medizinischen Klinik an der Universitätsmedizin Mannheim und Letztautor der Nature-Publikation.
Die Dimension, die die vorliegende Arbeit auch für andere Erkrankungen, und ebenso in anderem Kontext haben kann, lässt sich also noch kaum ermessen. Auch ethische Fragestellungen können davon betroffen sein, etwa in der Transplantationsmedizin, wo sich die Frage stellen könnte, ob Organe weiblicher Spenderinnen – vor der Menopause – „wertvoller“ sind als die von männlichen Spendern, weil sie gegenüber dem chirurgischen Prozess der Organübertragung weniger anfällig sind. „Um die Bedeutung der Ferroptose eröffnet sich tatsächlich ein ganz neues Forschungsfeld“, folgert Andreas Linkermann daraus.
News and Views
Wie weitreichend die Erkenntnisse der Mannheimer, an der Universität Heidelberg forschenden Nephrologen sein können, hat auch der weltweit anerkannte Experte auf diesem Gebiet, Tom Vanden Berghe, erkannt. In seinen „News and Views“, veröffentlicht in derselben Ausgabe von Nature unter dem Titel “Oestrogen defends against kidney damage caused by iron-dependent cell death”, zieht er den folgenden Schluss:
“Die Arbeit stellt einen Meilenstein in unserem Verständnis der Geschlechtsunterschiede beim akuten Nierenversagen dar und erweitert die physiologische Relevanz der Ferroptose über Krebs und Neurodegeneration hinaus. Wichtig ist, dass diese Ergebnisse dazu beitragen können, die erhöhte Anfälligkeit für eine akute Nierenschädigung bei Frauen nach der Menopause zu erklären und eine rationale Grundlage für die Erforschung östrogener Metaboliten oder Ferroptosehemmer als Therapeutika zu schaffen. Da die Ferroptose als zentraler Mechanismus von Gewebeverletzungen an Bedeutung gewinnt, unterstreicht diese Studie die Bedeutung des Geschlechts als biologische Variable bei ihrer Regulierung.“
Förderung
Die Arbeiten wurden sowohl von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Linkermann, FASN
Direktor V. Medizinische Klinik - Nephrologie/Hypertensiologie/Transplantationsmedizin
Endokrinologie/Diabetologie/Lipidologie/Rheumatologie/Pneumologie
Facharzt für Innere Medizin, Nephrologe, Transplantationsmediziner
Medizinische Fakultät Mannheim der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Universitätsklinikum Mannheim GmbH
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3, 68167 Mannheim
Telefon 0621/383-5172
Andreas.linkermann@medma.uni-heidelberg.de
Tonnus, W., Maremonti, F., Gavali, S. et al.
Multiple oestradiol functions inhibit ferroptosis and acute kidney injury.
DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-09389-x
News and Views: Oestrogen defends against kidney damage caused by iron-dependent cell death
DOI: https://doi.org/10.1038/d41586-025-02422-z
Nature (2025)
Prof. Dr. med. Andreas Linkermann und zwei der drei Erstautor:innen der im Journal Nature veröffentl ...
Source: FGV-Medienzentrum
Copyright: Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
Prof. Dr. med. Andreas Linkermann und zwei der drei Erstautor:innen der im Journal Nature veröffentl ...
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