• Anstatt am rauschenden Fluss lauter zu singen, reduzieren Wasseramseln die Lautstärke und blinzeln häufiger mit ihren weißen Augenlidern. Sie nutzen diese visuellen Signale anstatt der Stimme, um anderen Vögeln in der Nähe Botschaften zu vermitteln.
• Wasseramseln ändern ihre Kommunikation je nachdem, wie laut es ist und ob Artgenossen anwesend sind. Dadurch ist ihr Verhalten ungewöhnlich flexibel.
• Dies ist bislang eines der deutlichsten Beispiele dafür, dass ein Wildtier zwischen verschiedenen Sinnen bei der Kommunikation wechselt. Es liefert neue Einblicke, wie Tiere ihre Signale an schwierige Umgebungen anpassen.
Sich in einem lauten Raum zu unterhalten, kann ziemlich schwierig sein. Oft ist einfacher, sich auf Handzeichen zu verlassen, als den Lärm zu übertönen. Wasseramseln stehen an den schnell fließenden Bächen, an denen sie leben, vor einer ähnlichen Herausforderung: Das Rauschen des Wassers kann mitunter ihren melodischen Gesang übertönen. Doch anstatt gegen den Fluss anzusingen, um ihr Revier zu verteidigen oder Partner anzulocken, versuchen es diese pummeligen Vögel manchmal mit einer komplett anderen Strategie: Sie setzen statt Geräusche auf Sichtbares und blinzeln mit ihren strahlend weißen Augenlidern.
Eine neue Studie unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz und der Lancaster University ist eine der ersten, die diesen Wechsel zwischen Sinnesmodalitäten bei einem Wildvogel dokumentiert. Die Ergebnisse geben Aufschluss darüber, wie Vögel ihre Kommunikation je nach sozialen und umweltbedingten Reizen anpassen können und wie sich diese Flexibilität als Reaktion auf Lärm entwickelt haben könnte.
Gesehen werden, um gehört zu werden
In den Hochlandgebieten, in denen Wasseramseln leben, ist ihr abwechslungsreicher, hoher, metallischer Gesang eines der ersten Anzeichen für den Frühling. Die Vögel leben an schnell fließenden, klaren Gewässern und so sieht man sie manchmal auf Flusssteinen sitzen oder tief über das Wasser fliegen. Ihr Lebensraum ist ideal für die Nahrungssuche, aber erschwert die Kommunikation, besonders nach starken Regenfällen.
In einer neuen Studie untersuchten Forschende Wasseramseln im britischen Yorkshire Dales National Park. Sie fanden heraus, dass die Vögel nicht unbedingt ihre Stimmen erheben, wenn der Flusslärm zunimmt und andere Wasseramseln in der Nähe sind. Stattdessen blinzeln sie häufiger mit ihren weißen Augenlidern, die sich deutlich von ihrem dunkelbraunen Gefieder abheben. Diese visuellen Signale könnten laut den Autor*innen dazu dienen, Partner anzulocken oder Rivalen auf sich aufmerksam zu machen, die das singende Tier sonst übersehen würden. Das zeigt, wie die Vögel den Einsatz von Lauten und Sichtbarem genau abstimmen, um in ihrer lauten Welt zu kommunizieren.
„Wasseramseln fügen ihren Gesängen nicht nur visuelle Signale hinzu – sie scheinen je nach Situation zwischen ihnen zu wechseln“, sagt Léna de Framond, Erstautorin der Studie. „Wenn der Fluss lauter wird und andere Vögel in der Nähe sind, blinzeln sie häufiger. Tatsächlich singen die Vögel, die am häufigsten blinzeln, nicht so laut, was auf eine Verlagerung zur visuellen Kommunikation hindeutet. Wenn sie aber allein sind, neigen sie dazu, lauter zu singen, um den Lärm zu übertönen. Dieser Unterschied zeigt uns, dass es ein soziales Verhalten ist und nicht nur eine Reaktion auf Geräusche – ein seltenes Beispiel für eine multimodale Verlagerung bei einem Wildtier, die durch Lärm ausgelöst wird.“
Evolution durch Flusslärm
In lauten Umgebungen kann es von großem Vorteil sein, mehr als einen Sinn zur Kommunikation zu nutzen. Viele Tiere konzentrieren sich allerdings auf einen Sinn – beispielsweise indem sie lauter singen, die Tonhöhe ändern oder sich wiederholen. Es gibt überraschend wenige Belege dafür, dass Tiere zwischen verschiedenen Sinnen wechseln, beispielsweise vom Hören zum Sehen oder vom Tasten zum Riechen.
Wasseramseln sind dafür ein hervorragender Testfall: Sie leben das ganze Jahr über an schnell fließenden Bächen und Flüssen, wo der Hintergrundlärm oft sehr hoch ist, und sie haben leuchtend weiße Augenlider, die als visuelles Signal dienen können.
So verbrachte das Team mehr als 300 Stunden damit, Wasseramseln zu beobachten, von denen die meisten zur Identifizierung mit farbigen Ringen markiert waren. Durch detaillierte Verhaltensbeobachtungen, kalibrierte Audioaufnahmen und statistische Analysen entdeckten sie eines der bislang eindeutigsten Beispiele dafür, dass Tiere zur Kommunikation zwischen ihren Sinnen wechseln.
„Die Studie gibt nicht nur Aufschluss darüber, wie Wasseramseln kommunizieren, sondern auch darüber, wie Umweltbedingungen – also beispielsweise laute Flüsse – die Evolution von Signalen beeinflussen“, sagt Henrik Brumm vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz, der die Studie geleitet hat. „Besonders interessant ist, wie komplex das Verhalten der Wasseramsel ist und ihre Fähigkeit sich rasch an veränderte Bedingungen anzupassen.“
„Unsere Entdeckung wirft auch neue Fragen auf – zum Bespiel wie Tierarten Komplexität und Eindeutigkeit in ihrer Kommunikation in Einklang bringen. Mehr Signale können zwar helfen, Aufmerksamkeit zu erregen, aber auch das Risiko von Missverständnissen erhöhen. Zudem müssen die Signale zu den Sinnen der Tiere passen, für die sie bestimmt sind. Es könnte sein, dass die Fähigkeit zur multimodalen Verlagerung in der Natur häufiger vorkommt, als wir denken. Vielleicht sehen wir momentan nur die Spitze des Eisbergs und es ist spannend, sich auszumalen, wohin diese Forschung noch führen kann.“
Dr. Henrik Brumm
Forschungsgruppenleiter
MPI für biologische Intelligenz
Henrik.brumm@bi.mpg.de
Stream noise induces song plasticity and a shift to visual signals in a riverine songbird
Léna de Framond, Stuart P. Sharp, Kevin Duclos, Thejasvi Beleyur, Henrik Brumm
Current Biology, online 15. August 2025
https://www.bi.mpg.de/brumm/de - Webseite der Forschungsgruppe
Am rauschenden Fluss blinzeln Wasseramseln häufiger mit ihren weißen Augenlidern anstatt lauter zu s ...
Copyright: © Kevin Duclos
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
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