Ein internationales Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Johns Hopkins University und der Duke University hat entdeckt, dass eine hundert Jahre alte Theorie, die Turbulenzen in Flüssigkeiten beschreibt, auch auf ein sehr sprudelndes Problem zutrifft: nämlich wie genau aufsteigende Blasen das Wasser um sich herum aufwirbeln. Die Experimente, bei denen die Forschenden einzelne Blasen und Flüssigkeitspartikel in 3D verfolgten, liefern den ersten direkten experimentellen Beweis dafür, dass die sogenannte „Kolmogorov-Skalierung“ in blaseninduzierten Turbulenzen auftreten kann. Die Ergebnisse wurden in Physical Review Letters (DOI: 10.1103/v9mh-7pw1) veröffentlicht.
Durch Blasen verursachte Turbulenzen treten an vielen Orten auf: von kohlensäurehaltigen Getränken über industrielle Mischprozesse bis hin zur tosenden Brandung der See. Wenn genügend Blasen durch eine Flüssigkeit aufsteigen, versetzen ihre Nachströmungen die umgebende Flüssigkeit in eine komplexe, turbulente Bewegung. Diese Regeln hinter diesem Chaos zu verstehen ist entscheidend, um Industriedesigns und Klimamodelle zu verbessern. Eine zentrale Frage beschäftigt Forschende jedoch seit langem: Lässt sich die mathematische Theorie der Turbulenz, die der russische Mathematiker Andrei Kolmogorov 1941 entwickelt hat – bekannt als „K41-Skalierung“ – auf Strömungen anwenden, bei denen Blasen die Bewegung antreiben? Bislang war die Antwort aufgrund widersprüchlicher Ergebnisse aus Experimenten und Computersimulationen unklar.
„Wir wollten eine definitive Antwort erhalten, indem wir die Turbulenzen zwischen und um die Blasen herum auf sehr kleinen Skalen genau untersuchten“, sagt Dr. Tian Ma, Hauptautor der Studie und Physiker am Institut für Fluiddynamik des HZDR. Um dies zu erreichen, nutzten die Forschenden eine moderne 3D-Lagrange-Tracking-Methode beider Phasen – eine Technik, mit der sich sowohl die Blasen als auch winzige Markierungspartikel in der umgebenden Flüssigkeit in Echtzeit und mit hoher Präzision verfolgen lassen. Der Versuchsaufbau umfasste eine 11,5 cm breite Wassersäule, in die von unten kontrolliert eine Vielzahl von Gasblasen eingeleitet wurde. Vier Hochgeschwindigkeitskameras zeichneten das Geschehen mit 2500 Bildern pro Sekunde auf.
Die Forschenden untersuchten vier verschiedene Fälle, wobei sie die Blasengröße und die Gasmenge variierten, um realistische Blasenströmungen nachzubilden. Entscheidend war, dass die Blasen mit einem Durchmesser von drei bis fünf Millimetern groß genug waren, um beim Aufsteigen in unregelmäßige Oszillationen zu geraten und dabei starke turbulente Nachströmungen erzeugten. In zwei der vier Fälle – denen mit moderater Blasengröße und -dichte – entsprachen die Turbulenzen in der Strömung weitgehend Kolmogorovs Vorhersagen im kleinen Maßstab, das heißt für Wirbel, die kleiner als die Blasen waren. Dies ist das erste Mal, dass eine solche Skalierung inmitten eines Blasenschwarms experimentell bestätigt wurde.
Turbulenzen entschlüsseln: Energiekaskaden von groß zu klein
„Kolmogorovs Theorie ist elegant. Sie beschreibt, wie die Energie von großen turbulenten Wirbeln zu immer kleineren übergeht und dort schließlich durch Reibungseffekte verloren geht – und wie dieser Prozess die Schwankungen der turbulenten Strömungsbewegung steuert“, erklärt Co-Autor Dr. Andrew Bragg von der Duke University. „Die Erkenntnis, dass diese Theorie auch blasengetriebene Turbulenzen so gut beschreibt, ist sowohl überraschend als auch spannend.“
Das Team entwickelte auch eine neue mathematische Formel, um die Rate zu schätzen, mit der Turbulenzen aufgrund viskoser Effekte Energie verlieren, bekannt als Energiedissipationsrate. Ihre Formel, die nur von zwei blasenbezogenen Parametern abhängt – ihrer Größe und der Dichte der Blasen – stimmte bemerkenswert gut mit den experimentellen Daten überein. Interessanterweise stellten sie fest, dass die Kolmogorov-Skalierung in Bereichen außerhalb der direkten Nachströmungen der Blasen stärker war. In diesen Nachströmungen ist die Flüssigkeit so stark gestört, dass die klassische turbulente Energiekaskade dort von den starken Störungen überdeckt beziehungsweise dominiert wird.
Eine entscheidende Erkenntnis ist, dass für den klassischen „Trägheitsbereich“ von Kolmogorov – in dem seine Skalierungsgesetze am besten funktionieren – deutlich größere Blasen erforderlich wären, damit dieser Bereich in blaseninduzierten Turbulenzen klar erkennbar ist. Aber es gibt einen Haken: In der Realität würden Blasen dieser Größe aufgrund ihrer eigenen Instabilität zerplatzen. Das bedeutet, dass es eine grundlegende Grenze dafür gibt, wie gut die K41-Theorie auf blasenhaltige Strömungen angewendet werden kann. „In gewisser Weise verhindert die Natur, dass wir mit Blasen eine perfekte Kolmogorov-Turbulenz erreichen. Aber unter den richtigen Bedingungen wissen wir jetzt, dass sie sich dieser annähert“, erläutert Dr. Hendrik Hessenkemper, Mitautor der Studie, der die Experimente durchgeführt hat.
Die Ergebnisse klären nicht nur eine anhaltende wissenschaftliche Debatte, sondern könnten den Ingenieurwissenschaften auch dabei helfen, blasenbasierte Systeme besser zu konstruieren, von chemischen Reaktoren bis hin zur Abwasserbehandlung. Und auf Seiten der Physik fügt es der wachsenden Liste chaotischer Phänomene, bei denen sich Kolmogorovs Theorie von 1941 als überraschend robust erweist, ein weiteres System hinzu: Blasenströmungen.
Das Team betont, dass die Studie nur der Anfang ist. Zukünftige Arbeiten könnten der Frage nachgehen, wie sich Turbulenzen bei noch komplexeren Blasenformen, Blasenmischungen oder unter anderen Schwerkraft- oder Fluidbedingungen verhalten. „Je besser wir die grundlegenden Regeln der Turbulenzen in Blasenströmungen verstehen, desto besser können wir sie in realen Anwendungen nutzen“, fasst Ma zusammen. „Und es ist ziemlich erstaunlich, dass eine Theorie, die vor über 80 Jahren aufgestellt wurde, in einer so sprudelnden Umgebung weiterhin Bestand hat.“
Publikation:
T. Ma, S. Tan, R. Ni, H. Hessenkemper, A. D. Bragg, Kolmogorov scaling in bubble-induced turbulence, in Physical Review Letters, 2025 (https://doi.org/10.1103/v9mh-7pw1).
Weitere Informationen:
Dr. Tian Ma | Leiter HZDR-Nachwuchsforschungsgruppe „Bubbles go with turbulent flows“
Institut für Fluiddynamik am HZDR
Tel.: +49 351 260 3805 | E-Mail: tian.ma@hzdr.de
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Dr. Tian Ma | Leiter HZDR-Nachwuchsforschungsgruppe „Bubbles go with turbulent flows“
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T. Ma, S. Tan, R. Ni, H. Hessenkemper, A. D. Bragg, Kolmogorov scaling in bubble-induced turbulence, in Physical Review Letters, 2025 (https://doi.org/10.1103/v9mh-7pw1).
https://www.hzdr.de/presse/kolmogorov
Hochgeschwindigkeitskameras erfassen Schwärme von Blasen, die durch eine LED-beleuchtete Wassersäule ...
Source: B. Schröder
Copyright: B. Schröder/HZDR
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Criteria of this press release:
Journalists
Energy, Oceanology / climate, Physics / astronomy
transregional, national
Cooperation agreements, Research results
German
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