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08/28/2025 17:00

Möglicher Zusammenbruch der atlantischen Umwälzzirkulation nach 2100 bei hohem Emissionspfad

Juliane Otto Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

    In Szenarien mit hohen Treibhausgasemissionen könnte die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC) – ein zentrales System von Meeresströmungen, zu dem auch der Golfstrom gehört – nach dem Jahr 2100 zusammenbrechen. Das zeigt eine neue Studie mit Beteiligung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Ein solcher Kollaps würde den nordwärts gerichteten Wärmetransport des atlantischen Ozeans unterbrechen. Er würde zu stärkerer Trockenheit im Sommer führen sowie zu extremen Wintern in Nordwesteuropa und zu Verschiebungen der tropischen Regenzonen.

    „Die meisten Klimaprojektionen enden im Jahr 2100. Einige der Standardmodelle des Weltklimarats IPCC wurden nun jedoch über Jahrhunderte in die Zukunft gerechnet und zeigen sehr besorgniserregende Ergebnisse“, sagt Sybren Drijfhout vom Königlich-Niederländischen Meteorologischen Institut, Hauptautor der in Environmental Research Letters veröffentlichten Studie. „Die Umwälzzirkulation im Nordatlantik verlangsamt sich bis zum Jahr 2100 stark und bricht danach in allen Szenarien mit hohen Emission und sogar in einigen Szenarien mit mittleren und niedrigen Emissionen zusammen. Das Risiko eines Zusammenbruchs ist somit höher als von vielen Menschen bisher angenommen.“

    +++ Kollaps der winterlichen Tiefenkonvektion als Kipppunkt +++

    Die AMOC transportiert von der Sonne erwärmtes tropisches Wasser nahe der Oberfläche nach Norden und leitet kälteres, dichteres Wasser in der Tiefe wieder nach Süden. Dieses „Förderband“ des Ozeans trägt zu Europas relativ mildem Klima bei und beeinflusst Wetterlagen weltweit.

    In den Computersimulationen wird der AMOC-Zusammenbruch durch einen Kipppunkt ausgelöst: den Kollaps der winterlichen Konvektion – die tiefe winterliche Durchmischung, bei der kaltes, dichtes Wasser im Winter absinkt – in der Labradorsee, der Irminger See und die Nordischen Meere. Die globale Erwärmung verringert den Wärmeverlust des Ozeans im Winter, weil die Atmosphäre nicht mehr kalt genug ist. Dadurch schwächt sich die vertikale Durchmischung des Ozeans ab: Die Meeresoberfläche bleibt wärmer und leichter und kann weniger gut absinken und sich mit tieferem Wasser vermischen. Dies schwächt die AMOC, sodass weniger warmes, salzhaltiges Wasser nach Norden transportiert wird.

    In den nördlichen Regionen werden die Oberflächengewässer dadurch kühler und weniger salzig. Die verringerte Salinität macht das Wasser noch leichter, sodass es noch schwerer absinkt. Damit entsteht eine sich selbst verstärkende Rückkopplung, die durch die atmosphärische Erwärmung ausgelöst und dann durch die geschwächte Strömung und die Entsalzung des Meerwassers aufrechterhalten wird.

    „In unseren Simulationen tritt der Kipppunkt in wichtigen Meeresgebieten des Nordatlantiks typischerweise in den nächsten Jahrzehnten ein. Das ist sehr bedenklich“, sagt Stefan Rahmstorf, Leiter der PIK-Forschungsabteilung Erdsystemanalyse und Co-Autor der Studie. Nach diesem Kipppunkt würde der Zusammenbruch der AMOC durch die sich selbst verstärkende Rückkopplung unvermeidlich. Laut der Studie sinkt die Wärmemenge, die der Ozean im äußersten Norden des Atlantiks abgibt, dann auf weniger als 20 Prozent des heutigen Werts, in einigen Modellen fast auf null. Leitautor Drijfhout ergänzt: „Zudem zeigen aktuelle Beobachtungsdaten in diesen Gebieten in den vergangenen fünf bis zehn Jahren abnehmende Trends bei der winterlichen Konvektion. Das könnte eine natürliche Schwankung sein, ist jedoch im Einklang mit den Modellprojektionen.“

    +++ Es ist entscheidend, die Emissionen schnell zu senken +++

    Die Ergebnisse basieren auf erweiterten CMIP6-Simulationen (Coupled Model Intercomparison Project), die auch im jüngsten IPCC-Sachstandsbericht verwendet wurden und in der Studie bis in die Jahre 2300 bis 2500 fortgeführt werden. In allen neun erweiterten Simulationen mit hohen Emissionspfaden zeigen die Modelle einen Übergang zu einer schwachen, flachen Zirkulation, in der die AMOC zusammenbricht; einige Simulationen mit mittleren und niedrigen Emissionspfaden ergeben ein ähnliches Bild. In jedem Fall folgt diese Veränderung auf ein Versiegen der winterlichen Konvektion in den Meeresgebieten des Nordatlantiks um die Mitte des Jahrhunderts.

    „Eine drastische Schwächung und ein Zusammenbruch dieses Meeresströmungssystems hätten gravierende weltweite Folgen“, betont PIK-Forscher Rahmstorf. „In den Modellen kommen die Strömungen innerhalb von 50 bis 100 Jahren nach Überschreiten des Kipppunkts vollständig zum Erliegen. Allerdings unterschätzen die Standardmodelle das Risiko vermutlich: Sie berücksichtigen nicht das zusätzliche Süßwasser aus dem Abschmelzen des grönländischen Eisschilds, welches das System wahrscheinlich weiter schwächen würde. Deshalb ist es entscheidend, die Emissionen schnell zu senken. Das verringert das Risiko eines AMOC-Zusammenbruchs erheblich, auch wenn es nicht ausreicht, es vollständig zu vermeiden.“

    Artikel: Sybren Drijfhout, Joran R. Angevaare, Jennifer Mecking, René M. van Westen, Stefan Rahmstorf (2025): Shutdown of northern Atlantic overturning after 2100 following deep mixing collapse in CMIP6 projections. Environmental Research Letters. DOI [10.1088/1748-9326/adfa3b]

    Weblink zum Artikel, sobald dieser veröffentlicht ist: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/adfa3b


    Original publication:

    Sybren Drijfhout, Joran R. Angevaare, Jennifer Mecking, René M. van Westen, Stefan Rahmstorf (2025): Shutdown of northern Atlantic overturning after 2100 following deep mixing collapse in CMIP6 projections. Environmental Research Letters. DOI [10.1088/1748-9326/adfa3b]


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    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Environment / ecology, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research results
    German


     

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