Bienen nutzen den Stand der Sonne am Himmel zur Orientierung – selbst dann, wenn sie von Wolken verdeckt wird. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung Konstanzer Forschender hat nun herausgefunden, wie ein spezieller Bereich im Auge sie dabei unterstützt.
Die Suche nach Nektar kann eine Honigbiene auf ihr unbekannten Routen kilometerweit von ihrem Stock wegführen – und doch findet sie immer den Weg zurück. Der Stand der Sonne dient ihr dabei sogar dann als eine Art Kompass, wenn die direkte Sicht durch Wolken oder andere Objekte verhindert ist. Diese Fähigkeit verdanken die Bienen dem speziellen Aufbau ihrer Facettenaugen, mit denen sie Muster aus polarisiertem Licht am Himmel analysieren, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben.
Ein Forschungsteam der Universität Konstanz und der Universität Ljubljana hat nun herausgefunden, wie das Bienenauge dies ermöglicht. Dazu untersuchten sie in ihrer aktuellen Studie, veröffentlicht in Biology Letters of the Royal Society Publishing, wie einige lichtempfindliche Zellen im Auge der Bienen miteinander verknüpft sind. Sie entdeckten in dem gen Himmel gerichteten Bereich des Bienenauges, dass ein Signal, das eine Zelle aufnahm, auch in anderen registriert wurden. Diese unerwartete Verbindung erzeugt ein weniger detailliertes, aber genaueres Bild des polarisierten Lichts am Himmel.
Eine Facette unter vielen
Im Gegensatz zum menschlichen Auge, bei dem eine einzelne Linse das Licht aus der Umgebung auf unsere Sehzellen bündelt, ist das Auge der Bienen aus tausenden kleinen Einzelaugen oder „Facetten“ zusammengesetzt, von denen jedes seine eigene Linse hat. Diese Art von Auge wird daher auch als Komplex- oder Facettenauge bezeichnet. Die Facettenaugen der Biene weisen dabei zwei unterschiedliche Areale auf. „Der Großteil der Facetten erzeugt zusammen ein scharfes Bild der Umgebung. Im oberen Bereich des Auges gibt es jedoch eine Gruppe von Facetten, die anders funktionieren und für die Erfassung des polarisierten Himmelslichts zuständig sind. Die haben wir uns genauer angesehen“, sagt Georgios Kolyfetis. Er ist Doktorand in der Arbeitsgruppe des Biologen James Foster am Fachbereich Biologie der Universität Konstanz und Co-Autor der Studie.
„Jede dieser lichtempfindlichen oberen Facetten ist weniger sensibel als die im Rest des Auges. So wird die Biene nicht geblendet, wenn sie mit diesem Teil ihres Auges permanent in den Tageshimmel schaut“, erklärt er weiter. Was zunächst sinnvoll erscheint, hat jedoch seinen Preis: Die verringerte Empfindlichkeit dieser Facetten verhindert zugleich die Wahrnehmung von kleineren Veränderungen am Himmel. „Während der Rest der Welt schärfer wiedergegeben wird, sieht der Himmel für eine Biene eher wie ein Aquarellbild aus, in dem benachbarte Pinselstriche einfach ineinander übergehen und Details verschwinden“, erklärt Studienleiter James Foster das Phänomen. „Gerade dadurch ist dieser Bereich des Auges jedoch besonders gut darin, großflächige Polarisationsmuster am Himmel wahrzunehmen.“
Gemeinsamer Einsatz für ein ganzes Bild
Um das zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Funktionsweise des menschlichen Auges. Beim Betrachten der Umgebung fängt es einzelne Bildpunkte ein und baut daraus ein Gesamtbild zusammen. Bei schlechten Lichtverhältnissen oder nachts gelingt diese exakte Wahrnehmung nicht mehr. Das Auge gleicht das aus, indem es benachbarte Bildpunkte zusammenfasst. Zugunsten der Verstärkung des Lichtsignals gehen dabei Details verloren. Wissenschaftler*innen sprechen bei dieser Art der Verschaltung benachbarter Bereiche von „räumlicher Summation“. Wie die aktuelle Studie zeigt, arbeitet die oberen Facettengruppe der Bienenaugen derartig zusammen – nur eben dauerhaft statt nachts.
Ganz gleich ist die Funktion jedoch nicht. „Bei den Augen von Säugetieren oder dem Menschen fassen Nervenzellen die Signale von mehreren Lichtrezeptoren zusammen und leiten dieses Gesamtsignal dann an das Gehirn weiter. Bei Bienen hingegen sind einige der Lichtzellen direkt miteinander verbunden“, erklärt Gregor Belušič, Neurobiologe an der Universität Ljubljana und Co-Autor der Studie. „Jede einzelne Facette reagiert also auch auf das, was ihre Nachbarn sehen.“
Nur das sehen, was wichtig ist
Doch wozu das Ganze? Das unscharfe Abbild der Umgebung über ihnen könnte dazu dienen, Unwichtiges auszublenden und sich nur auf das große Ganze zu konzentrieren. „Eine Biene registriert und analysiert das Polarisationsmuster des Lichts am Himmel und schlussfolgert daraus den Stand der Sonne. Danach richtet sie dann wiederum ihren inneren Kompass aus. Störfaktoren wie Wolken oder immer wechselnde Äste über ihnen werden dabei schlicht nicht wahrgenommen“, fasst Kolyfetis zusammen.
Die Entdeckung dieser Funktionsweise von Bienenaugen ist nicht nur biologisch interessant, sondern könnte auch der Weiterentwicklung moderner Technologien dienen. „Denkbar wäre beispielsweise eine Übertragung dieser Strategie auf die Navigation autonomer Fahrweisen. Kameras könnten als eine Art Himmelskompass dienen, wenn GPS- und Magnetsignale unzuverlässig sind oder ausfallen“, nennt Foster eine Möglichkeit. Da Bienen diese Leistung mit einer kleinen Gruppe von Facetten vollbringen, könnten „künstliche Bienenaugen” eine preiswerte Ergänzung zu autonomen Navigationssystemen sein.
Faktenübersicht:
- Originalpublikation: George E. Kolyfetis, Gregor Belušič, James J. Foster: „Electrophysiological recordings reveal photoreceptor coupling in the dorsal rim areas of honeybee and bumblebee eyes” (2025), Biol. Lett. 21: 20250234; DOI: 10.1098/rsbl.2025.0234
- Georgios Kolyfetis ist Doktorand der Neurobiologie an der Universität Konstanz. In seiner Forschungsarbeit beschäftigt er sich mit dem Sehverhalten von Bienen.
- Dr. James Foster ist Neurobiologe an der Universität Konstanz. Seine Forschung beschäftigt sich vor allem damit, wie Tiere polarisiertes Licht wahrnehmen und darauf reagieren.
- Prof. Gregor Belušič ist Neurobiologe an der Universität Ljubljana, Slowenien. Seine Forschung konzentriert sich auf die Physiologie des visuellen Systems von Insekten.
George E. Kolyfetis, Gregor Belušič, James J. Foster: „Electrophysiological recordings reveal photoreceptor coupling in the dorsal rim areas of honeybee and bumblebee eyes” (2025), Biol. Lett. 21: 20250234; DOI: 10.1098/rsbl.2025.0234
Eine Biene auf einer Blüte
Source: lupac
Copyright: lupac/Pixabay
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).