Ein gemeinsames Team der Universität Stuttgart und der australischen University of Melbourne hat ein neues Verfahren zur einfachen Analyse kleinster Nanoplastikpartikel in Umweltproben entwickelt. Alles, was dazu nötig ist, sind ein gewöhnliches optisches Mikroskop und ein neu entwickelter Teststreifen – das sogenannte optische Sieb. Die Forschungsergebnisse sind nun in „Nature Photonics“ erschienen (doi: 10.1038/s41566-025-01733-x).
„Perspektivisch kann der Teststreifen als einfaches Analysewerkzeug in der Umwelt- und Gesundheitsforschung dienen“, erklärt Prof. Harald Giessen, Leiter des 4. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart. „Für die nähere Zukunft arbeiten wir darauf hin, Nanoplastik-Konzentrationen unmittelbar vor Ort zu analysieren. Aber auch Blut oder Gewebe könnte man mit unserem neuen Verfahren auf Nanoplastikpartikel untersuchen lassen.“
Nanoplastik als Gefahr für Mensch und Umwelt
Plastikmüll ist eines der zentralen und akuten globalen Probleme des 21. Jahrhunderts. Er verunreinigt nicht nur Meere, Flüsse und Strände, sondern wurde mittlerweile auch in Lebewesen und Organismen in Form von Mikroplastik nachgewiesen. Bisher richtete sich die Aufmerksamkeit der Umweltforscher*innen primär auf größere Kunststoffreste. Seit geraumer Zeit ist aber auch bekannt, dass eine vermutlich noch größere Gefahr heranwächst: Nanoplastikpartikel. Diese winzigen Partikel sind wesentlich kleiner als ein menschliches Haar und entstehen durch den Zerfall größerer Kunststoffteilchen. Mit dem bloßen Auge sind sie nicht zu erkennen. Diese Teilchen im Submikrometerbereich können zudem mühelos organische Barrieren wie die Haut oder die Blut-Hirn-Schranke überwinden.
Farbveränderungen machen winzige Partikel sichtbar
Aufgrund der geringen Partikelgröße stellt insbesondere ihre Detektion eine Herausforderung dar. Dies führt dazu, dass es nicht nur Lücken im Verständnis darüber gibt, wie sich die Partikel auf Organismen auswirken, sondern auch rasche und verlässliche Nachweisverfahren fehlen. Forschende der Universität Stuttgart haben nun in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe aus Melbourne in Australien ein neuartiges Verfahren entwickelt, mit dem sich solche kleinen Partikel schnell und kostengünstig detektieren lassen. Farbumschläge auf einem speziellen Teststreifen machen Nanoplastik unter dem Lichtmikroskop sichtbar und erlauben es, die Partikelanzahl zu zählen und ihre Größe zu bestimmen. „Im Vergleich zu herkömmlichen, verbreiteten Methoden wie der Rasterelektronenmikroskopie ist das neue Verfahren wesentlich günstiger, erfordert kein Fachpersonal für die Bedienung und reduziert die notwendige Zeit für eine ausführliche Analyse“, erläutert Dr. Mario Hentschel, Leiter des Mikrostrukturlabors am 4. Physikalischen Institut.
Optisches Sieb statt teurem Elektronenmikroskop
Das „optische Sieb“ nutzt Resonanzeffekte in kleinen Löchern, um die Nanoplastikpartikel sichtbar zu machen. Eine Studie zu optischen Effekten in solchen Löchern hat die Forschungsgruppe der Universität Stuttgart erstmals 2023 veröffentlicht. Das Verfahren basiert auf winzigen Vertiefungen, sogenannten Mie Voids, die in einem Halbleiter hergestellt werden. In Abhängigkeit von Durchmesser und Tiefe wechselwirken die Löcher charakteristisch mit dem einfallenden Licht. Dies führt zu einer eindeutigen Farbwirkung, die unter einem optischen Mikroskop zu erkennen ist. Fällt nun ein Partikel in eine der Vertiefungen, so kommt es zu einer deutlichen Veränderung der Farbe. Aus der Farbe kann somit gefolgert werden, ob ein Partikel vorhanden ist oder nicht.
„Der Teststreifen funktioniert also wie ein klassisches Sieb“, erklärt Dominik Ludescher, Doktorand und Erstautor der Veröffentlichung in „Nature Photonics“. Partikel mit Größen von 0,2 bis 1 Mikrometer können so ohne Probleme untersucht werden. „Die Partikel werden mithilfe des Siebs, bei dem die Größe und Tiefe der Löcher den Nanoplastikpartikeln angepasst werden können, aus der Flüssigkeit gefiltert und mittels des Farbumschlags detektiert. Damit können wir feststellen, ob die Vertiefungen gefüllt oder leer sind.“
Anzahl, Größe und Größenverteilung der Partikel bestimmbar
Doch das verwendete System kann noch mehr. Wenn man das Sieb mit Vertiefungen unterschiedlicher Größen versieht, sammelt sich in jedem Loch immer nur ein Teilchen, welches eine passende Größe hat. „Ist ein Partikel zu groß, passt er gar nicht in die Vertiefung und wird beim Reinigungsprozess einfach weggespült“, sagt Ludescher. „Ist ein Partikel zu klein, so bleibt er in der Vertiefung nur schlecht haften und wird bei der Reinigung ebenfalls weggespült.“ Auf diese Weise können die Teststreifen so angepasst werden, dass aus der Farbe die Größe und die Anzahl der Teilchen in einem einzelnen Loch bestimmt werden kann.
Synthetisierte Umweltproben untersucht
Die Forschenden nutzten bei ihren Messungen kugelförmige Partikel verschiedener Durchmesser, die es in bekannten Konzentrationen in Wasser zu kaufen gibt. Da reale Proben aus Gewässern mit bekannten Nanopartikelkonzentrationen bislang nicht existieren, stellte das Team selbst eine geeignete Probe her. Die Forschenden verwendeten eine Wasserprobe aus einem See, die eine Mischung aus Sand und weiteren organischen Bestandteilen enthielt, und gaben kugelförmige Partikel hinzu, deren Menge bekannt war. Die Konzentration der Plastikpartikel betrug 150 Mikrogramm pro Milliliter. Auch bei dieser Probe ließ sich mit dem „optischen Sieb“ die Anzahl und Größenverteilung der Nanoplastikpartikel bestimmen.
Anwendbar wie ein Teststreifen
„Auf lange Sicht soll das optische Sieb als einfaches Analysewerkzeug in der Umwelt- und Gesundheitsforschung zum Einsatz kommen. Die Technik hat das Potenzial, als mobiler Teststreifen zu dienen, der dann direkt vor Ort Aussagen über den Gehalt von Nanoplastik in Gewässern oder Böden liefern könnte“, erklärt Mario Hentschel. Als Nächstes plant das Team Experimente mit Nanoplastikpartikeln, die nicht kugelförmig sind. Zudem wollen die Forschenden untersuchen, ob sich mit dem Verfahren Partikel unterschiedlicher Kunststoffe unterscheiden lassen. Auch an einer Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen, die spezifisches Know-how in der Aufbereitung realer Proben aus Gewässern haben, sind die Stuttgarter Forschenden sehr interessiert.
Prof. Dr. Harald Giessen, Universität Stuttgart, 4. Physikalisches Institut, Tel.: +49 711 685 65111, E-Mail: h.giessen@pi4.uni-stuttgart.de
Dr. Mario Hentschel, Universität Stuttgart, 4. Physikalisches Institut, Tel.: +49 711 685 65104, E-Mail: m.hentschel@pi4.uni-stuttgart.de
Dominik Ludescher, Universität Stuttgart, 4. Physikalisches Institut, Tel.: +49 711 685 64956, E-Mail: d.ludescher@pi4.uni-stuttgart.de
https://www.nature.com/articles/s41566-025-01733-x
https://D. Ludescher, L. Wesemann, J. Schwab, J. Karst, S. B. Sulejman, M. Ubl, B. O. Clarke, A. Roberts, H. Giessen, and M. Hentschel: Optical Sieve for Nanoplastic Detection, Sizing, and Counting, Nature Photonics, doi 10.1038/s41566-025-01733-x.
https://www.pi4.uni-stuttgart.de/de/
Nanoplastikpartikel sichtbar gemacht: Durch den neu entwickelten Teststreifen der Universität Stuttg ...
Source: 4. Physikalisches Institut
Copyright: Universität Stuttgart
Das optische Sieb: Nanoplastikpartikel fallen im Teststreifen in Vertiefungen passender Größe. Die F ...
Source: 4. Physikalisches Institut
Copyright: Universität Stuttgart
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars
Electrical engineering, Environment / ecology, Physics / astronomy
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
Nanoplastikpartikel sichtbar gemacht: Durch den neu entwickelten Teststreifen der Universität Stuttg ...
Source: 4. Physikalisches Institut
Copyright: Universität Stuttgart
Das optische Sieb: Nanoplastikpartikel fallen im Teststreifen in Vertiefungen passender Größe. Die F ...
Source: 4. Physikalisches Institut
Copyright: Universität Stuttgart
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).