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09/09/2025 14:17

Von Luxturna bis Ixo-Vec: Gentherapie bietet Patientinnen und Patienten mit Netzhauterkrankungen neue Chancen

Kerstin Ullrich Pressestelle
Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft

    Gentherapie ist längst Realität in der Augenheilkunde und entwickelt sich rasant weiter. Ihre Fortschritte sind ein Schwerpunkt auf dem Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft e.V. (DOG). Über Ergebnisse der Gentherapie mit Luxturna®, die besonders gut bei erblindenden Kindern anschlägt, aber auch über neue Strategien berichtet DOG-Präsident Professor Dr. med. Siegfried Priglinger auf der Vorab-Pressekonferenz am 18. September 2025. Dazu zählen innovative Ansätze bei der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD), die körpereigene Zellen zu Medikamenten-Herstellern umprogrammieren und so in Studien die Anzahl der notwendigen Augen-Injektionen extrem reduzieren konnten.

    Mit Luxturna wurde 2018 in der EU erstmals eine Gentherapie für eine seltene erbliche Netzhauterkrankung zugelassen, die bis zur Erblindung führen kann. „Für Kinder, die im Dunkeln kaum noch etwas sehen konnten, bedeutet diese Behandlung einen Quantensprung: Sie können nach der Therapie sogar nachts wieder Fahrradfahren“, berichtet Priglinger, der als Direktor der Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München diese Gentherapie 2019 erstmalig in Deutschland anwendete. Die Wirkung, so Priglinger, setze meist innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen ein.(1) Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden bisher nicht festgestellt.

    Hoffnung auf dauerhafte Heilung bei Kindern
    Luxturna tauscht in der Netzhaut ein defektes Gen (RPE65) gegen ein gesundes Gen – dazu wird bei einer Operation das funktionstüchtige Gen in einer Art Virus-Taxi in die krankhaften Zellen eingeschleust. Schätzungsweise 200 Menschen leiden in Deutschland an einer RPE65-Mutation. „Das Besondere an dieser Gentherapie ist: Wir können nicht nur den Krankheitsverlauf bremsen, sondern tatsächlich verloren gegangene Funktionen wiederherstellen – und das möglicherweise dauerhaft“, ergänzt Priglinger.

    Grenzen der klassischen Gentherapie
    Trotz des Erfolgs von Luxturna bleiben der Gentherapie Grenzen gesetzt. „Viele Gene sind zu groß, um sie mit den gängigen Viren zu transportieren, und wir benötigen für eine erfolgreiche Behandlung noch funktionstüchtige Sinneszellen in der Netzhaut“, betont Priglinger. „Wenn die Degeneration zu weit fortgeschritten ist, hilft die klassische Gentherapie nicht mehr.“ Genau hier setzen innovative Strategien an.

    CRISPR, Antisense und Optogenetik
    Ein vielversprechender Forschungsansatz ist die Genom-Editierung mit CRISPR-Cas9. „Diese Methode erlaubt es uns, krankmachende Mutationen direkt in den Photorezeptoren, den lichtempfindlichen Sehzellen, zu korrigieren – ein echter Meilenstein“, erklärt Priglinger. Erste klinische Studien laufen bereits. Auch Antisense-Oligonukleotide eröffnen neue Optionen: Sie verhindern, dass schädliche Proteine entstehen und ermöglichen die Bildung funktionsfähiger Eiweiße. Besonders innovativ ist die Optogenetik, die auch in fortgeschrittenen Krankheitsstadien helfen könnte. „Wir können damit nicht-lichtsensitive Zellen lichtempfindlich machen. In Kombination mit speziellen Brillen konnten Menschen wieder rudimentär sehen, etwa Bewegungen oder Objekte erkennen“, so Priglinger.

    In Erprobung: Augenzellen, die Medikamente produzieren
    Während die bisherigen Gentherapien vor allem auf seltene Erkrankungen zielen, richtet sich der Blick der Forschenden nun zunehmend auch auf Volkskrankheiten wie die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) oder die diabetische Retinopathie. „Hier geht es nicht darum, ein defektes Gen zu reparieren, sondern das Auge so umzuprogrammieren, dass es selbst dauerhaft therapeutische Wirkstoffe produziert“, so Priglinger.

    Macht Gentherapie bald AMD-Injektionen überflüssig?
    Erste klinische Studien, bei denen gentechnisch veränderte körpereigene Zellen Hemmstoffe gegen die krankmachenden Wachstumsfaktoren bei AMD produzieren, fördern jedenfalls vielversprechende Ergebnisse zutage. „AMD-Patientinnen und -Patienten konnten nach der einmaligen Behandlung mit der Ixo-Vec-Gentherapie die Anzahl ihrer regulären Anti-VEGF-Injektionen um 80 bis 98 Prozent reduzieren“,(2) berichtet der DOG-Präsident. Dies sei ein beachtliches Ergebnis.

    Neue Chancen für Millionen Menschen
    „Die Gentherapie hat am Auge bewiesen, dass sie funktioniert. Luxturna ist ein Meilenstein – aber nur der Anfang“, fasst Priglinger zusammen. Neue Techniken wie CRISPR-Cas9, Antisense-Oligonukleotide, Optogenetik und die Ixo-Vec-Therapie könnten schon bald weitere Durchbrüche ermöglichen. „Für Betroffene heißt das: Erkrankungen, die bisher als unheilbar galten, werden zunehmend behandelbar – und das gilt langfristig auch für Millionen Menschen mit häufigen Netzhauterkrankungen“, freut sich der DOG-Präsident.

    Weitere Details zu Methoden und Perspektiven wird Professor Dr. med. Siegfried Priglinger auf der Online-Vorab-Pressekonferenz erläutern.

    Literatur:
    (1) Gene Therapy with Voretigene Neparvovec Improves Vision and Partially Restores Electrophysiological Function in Pre-School Children with Leber Congenital Amaurosis. Gerhardt MJ, Priglinger CS, Rudolph G, Hufendiek K, Framme C, Jägle H, Salchow DJ, Anschütz A, Michalakis S, Priglinger SG. Biomedicines. 2022 Dec 30;11(1):103.
    doi: 10.3390/biomedicines11010103.

    (2) Khanani AM, Boyer DS, Wykoff CC, Regillo CD, Busbee BG, Pieramici D, Danzig CJ, Joondeph BC, Major JC Jr, Turpcu A, Kiss S. Safety and efficacy of ixoberogene soroparvovec in neovascular age-related macular degeneration in the United States (OPTIC): a prospective, two-year, multicentre phase 1 study. EClinicalMedicine. 2023 Dec 22;67:102394. doi: 10.1016/j.eclinm.2023.102394. PMID: 38152412; PMCID: PMC10751837.

    • Russell S et al., Luxturna clinical trial results, Lancet, 2017
    • ClinicalTrials.gov – PIONEER Optogenetik-Studie (NCT03326336)
    • Maeder ML et al., First in vivo CRISPR treatment of CEP290-associated retinal disease, Nat Med, 2019

    Bei Veröffentlichung Beleg erbeten.

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    Die Woche des Sehens

    Bereits zum 24. Mal findet in diesem Jahr die Woche des Sehens statt. Schirmherrin der bundesweiten Aufklärungskampagne vom 8. bis zum 15. Oktober ist die Fernsehjournalistin Gundula Gause. Die Aktionswoche wird getragen vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband, dem Deutschen Komitee zur Verhütung von Blindheit, der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und der PRO RETINA Deutschland. Unterstützt wird sie zudem von der Aktion Mensch. Weitere Informationen unter: www.woche-des-sehens.de
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    Vorab-Online-Pressekonferenz
    Termin: Donnerstag, 18. September 2025, 11.00 bis 12.00 Uhr
    Link zur Anmeldung:
    https://attendee.gotowebinar.com/register/3468318619210152279

    Themen und Referierende:

    Von Luxturna bis CRISPR – wohin steuert die Gentherapie am Auge?
    Professor Dr. med. Siegfried Priglinger
    Präsident der DOG; Direktor der Augenklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München

    Ernährung bei Grünem Star, AMD, diabetesbedingter Retinopathie und Trockenem Auge – was hilft bei Augenerkrankungen, was nicht?
    Professor Dr. Dr. med. Robert Patrick Finger
    Direktor der Augenklinik am Universitätsklinikum Mannheim

    Tumoren am Lid: Geht es auch ohne Operation? Fortschritte in der Behandlung von Lidtumoren durch neue Systemtherapien
    Professor Dr. med. Vinodh Kakkassery
    Chefarzt der Klinik für Augenheilkunde, Klinikum Chemnitz gGmbH

    Neue Möglichkeiten in der Augenchirurgie durch Künstliche Intelligenz
    Dr. med. Ben Asani
    Facharzt an der Augenklinik, LMU Klinikum, München

    Moderation:
    Kerstin Ullrich, Pressestelle DOG, Berlin


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications
    German


     

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