Schon hauchdünne Schmutzschichten auf den Schaufeln von Flugzeugturbinen haben große Auswirkungen: mehr Kerosinverbrauch, zusätzliche Emissionen und eine kürzere Lebensdauer teurer Bauteile. Wissenschaftler der Hochschule Darmstadt (h_da) forschen daher seit Jahren mit der Lufthansa Technik AG an neuen umweltschonenden und zeitsparenden Prozessen der Triebwerkswäsche. Das jüngste Forschungsprojekt von Maschinenbau-Professor Gerald Ruß hat ein neuartiges Reinigungsverfahren für die Heißgassektion, also Brennkammer und Turbine, ziviler Flugzeuge entwickelt. Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Vorhaben wird aktuell für eine Patentanmeldung vorbereitet.
Die Schaufeln von Flugzeugturbinen sind eher unscheinbar, nur wenige Zentimeter groß, dafür umso teurer. Etwa 70 davon bilden den Schaufelkranz einer Turbine, durch den die heiße Abluft aus der Brennkammer fließt und für den Schub sorgt. In einem einzigen Triebwerk sind fast eine Million Euro nur für diese Bauteile verbaut. Ihre spezielle Metall-Legierung, Form und Beschichtung machen die handgroßen Elemente so einzigartig und kostspielig. Kostenintensiv und aufwändig ist bislang auch ihre Reinigung.
Der Schmutz dringt im laufenden Betrieb durch den riesigen Fan ein, das Gebläse. Hierüber wird die Luft angesaugt, die das Triebwerk für den Betrieb benötigt. Mit diesem Luftsog fließen Staub, Pollen, Asche, Abgase oder Sand in das Innere des Triebwerkes – je nach Bodennähe, Einsatzort oder auch Flugroute. Gelangt die verschmutzte Luft in die Brennkammer und die Turbine, wo Temperaturen von über tausend Grad herrschen, schmelzen die Partikel und lagern sich als dünner Film auf der Oberfläche der Schaufeln ab. „Das verändert die Aerodynamik und den Wirkungsgrad und der Kerosinverbrauch steigt, was wiederum den Ausstoß von Emissionen erhöht und die Lebensdauer der Bauteile verkürzt“, erklärt Prof. Dr. Gerald Ruß, Experte für Kraft- und Arbeitsmaschinen und Wärmetechnik am Fachbereich Maschinenbau und Kunststofftechnik der h_da.
Im normalen zivilen Flugbetrieb müssen die Triebwerke daher regelmäßig und flugroutenabhängig gewartet und gereinigt werden. Das ist für die Airlines aufwendig und teuer, vor allem wenn es um die Säuberung des Heißgas-Bereiches mit Brennkammer, Hochdruckturbine, Niederdruckturbine und Düse geht – die sogenannte Hot Section. Um genau diesen Bereich dreht sich das jüngste Forschungsprojekt der h_da zusammen mit der Lufthansa Technik AG. Das Vorhaben zur „Entwicklung eines Reinigungsmodells für neuartige Reinigungsverfahren im Bereich der Heißgassektion von zivilen Flugtriebwerken“ wurde vier Jahre lang vom Bundeswirtschaftsministerium mit fast zwei Millionen Euro gefördert. 1,1 Millionen Euro flossen dabei an die h_da.
„Bisher ist die Reinigung der Hot Section für die Fluggesellschaften nur möglich im Rahmen einer teuren, großen Inspektion, bei der die Maschinen aus dem Flugbetrieb genommen und die Triebwerke vom Flügel abmontiert werden müssen“, erläutert Prof. Dr. Gerald Ruß. Ziel der h_da-Forschung ist dagegen die Wartung und Reinigung während eines normalen, kleineren Checks, bei dem das Triebwerk an Ort und Stelle verbleiben kann – also unter „On Wing-Bedingungen“. „Wenn das gelingt, ist das für Airlines sehr lohnend“, sagt Ruß.
Die Bauteile der sogenannten Hot Section sind allerdings schwer zugänglich. Die Forschenden haben sich in dem Projekt daher gezielt auf die Reinigung über die Inspektionsöffnungen konzentriert, um die aufwändige Demontage von Bauteilen und Verkleidungselementen zu umgehen. Die Inspektionsöffnungen sind rund acht bis zehn Öffnungen, die aussehen wie handtellergroße Schrauben. „Die Kunst besteht darin, das Reinigungsmittel über diese Öffnungen zu injizieren“, sagt Prof. Dr. Gerald Ruß. Per Hand ist das schwierig, weshalb sein Wissenschaftsteam einen Roboterarm konstruiert und programmiert hat, der die Reinigung automatisch vornehmen soll.
Hierbei arbeiteten die Forschenden der h_da an Originalbauteilen und unter realen Betriebsbedingungen: In der Turbinenhalle der h_da steht das Strahltriebwerk einer Boeing 747-200, das über viele Jahre im Linieneinsatz bei verschiedenen Airlines war. Ruß, der früher für einen Triebwerkshersteller gearbeitet und gute Kontakte in die Branche hat, konnte den Kauf des ausrangierten Triebwerkes für die Hochschule in die Wege leiten. Die Dimensionen sind beeindruckend. Das Bauteil, das die verschiedenen Triebwerksstufen offenlegt, ist 4,65 Meter lang, fast vier Tonnen schwer und hat einen Durchmesser von 2,44 Meter. Das Aggregat nimmt fast die gesamte Halle ein.
„Wir haben zahlreiche Reinigungsmöglichkeiten gescannt“, berichtet er. Darunter die Säuberung per Blitzlicht, Laser, Wasser, Trockeneis oder auch Plasmastrahl. Das h_da-Team hat analysiert, welche Mittel oder womöglich Reinigungsmittel-Kombinationen wirken und ob dabei eventuell Bauteile beschädigt werden. „Wir haben ein Konzept erarbeitet, das Potenzial zeigt“, sagt Ruß. „Was wir entwickelt haben, hat im ersten Versuch unter realitätsnahen Bedingungen vielversprechende Ergebnisse gezeigt.“ Es wäre eines der ersten Verfahren dieser Art in der kommerziellen Luftfahrt. Einzelheiten darf er aus Verschwiegenheitsgründen aber nicht nennen, da eine Patentanmeldung geprüft wird.
Nur so viel verrät er: Das eigentliche Reinigungsprozedere dauert nicht länger als 20 Minuten. Deutlich schneller als bisher könnten Triebwerk und Flugzeug wieder in Betrieb gehen. Das wäre ein enormer Fortschritt und eine Zeitersparnis für die Airline. Triebwerke könnten so öfter und unkomplizierter gereinigt werden, wären sauberer und sparsamer. Gereinigte Maschinen brauchen weniger Treibstoff. „Das würde – allein bezogen auf die deutschen Airlines – einige hunderttausend Tonnen CO2-Emissionen weniger im Jahr bedeuten“, betont Gerald Ruß. Die anwendungsbezogene Forschung der Hochschule Darmstadt sieht er daher auch als Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz.
Ein ausführlicher Artikel zum Thema findet sich in unserem Wissenschaftsmagazin impact:
https://impact.h-da.de/neues-verfahren-zur-triebwerksreinigung-von-flugzeugen
Fachliche Ansprechperson für die Medien
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Fachbereich Maschinenbau und Kunststofftechnik
Prof. Dr. Gerald Ruß
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Mail gerald.russ@h-da.de
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Die Hochschule Darmstadt (h_da) ist eine der größten deutschen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs). Sie bietet ihren aktuell 14.500 Studierenden ein praxisnahes und anwendungsorientiertes Studium in den Bereichen MINT, Wirtschaft und Gesellschaft sowie Architektur, Medien und Design. Viele Projekte und Inhalte in Studium, Forschung und gesellschaftlichem Transfer beschäftigen sich mit den Zukunftsthemen Nachhaltige Entwicklung, Mobilität und Digitalisierung. Die h_da betreibt ein eigenes Promotionszentrum Nachhaltigkeitswissenschaften und vergibt als erste und einzige deutsche Hochschule den akademischen Grad eines Doktors der Nachhaltigkeitswissenschaften. Visionär ist die europäische Hochschulallianz „European University of Technology (EUT+)“, der die h_da angehört: Gemeinsam mit acht weiteren Hochschulpartnern und gefördert von der EU-Kommission möchte die h_da zu einem neuen Hochschultyp zusammenwachsen – zur „Europäischen Universität“.
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Projektleiter Prof. Dr. Gerald Ruß vom Fachbereich Maschinenbau und Kunststofftechnik der h_da.
Source: Samira Schulz
Copyright: h_da/Samira Schulz
Seit Jahren arbeitet das Forschungsteam um Prof. Dr. Gerald Ruß (links) zusammen mit der Lufthansa T ...
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Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
Environment / ecology, Mechanical engineering, Traffic / transport
transregional, national
Cooperation agreements, Research projects
German
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