Forschungsteam der Universität Tübingen zeigt im Experiment, wie Krähen lernen, ein Stäbchen präzise im Schnabel zu führen, um damit an Futter zu gelangen
Durch gezieltes Training können heimische Rabenkrähen lernen, ein Stäbchen zum Heranholen von Futter einzusetzen. Mit zunehmender Übung beweisen sie dabei einerseits großes Geschick und kommen mit wenigen Schritten an ihr Ziel; andererseits reagieren sie flexibel auf abweichende Bedingungen im Experiment. Das haben Dr. Felix Moll, Julius Würzler und Professor Andreas Nieder vom Institut für Neurobiologie der Universität Tübingen in Verhaltensversuchen mit zahmen Vögeln festgestellt. In der freien Wildbahn ist der Werkzeuggebrauch bei Rabenkrähen nicht bekannt. Die Forscher gehen allerdings davon aus, dass bereits ein geringer Evolutionsdruck ausreichen würde, dass sie solche Fähigkeiten auch ohne spezielles Training entwickelten. Ihre Studie wurde in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht.
„Der Gebrauch von Werkzeugen kommt im Tierreich insgesamt recht selten vor, am häufigsten ist er bei geschickten Generalisten wie Primaten, Papageien und Krähenvögeln zu beobachten“, berichtet Felix Moll. Nur bei zwei von den rund 40 Krähenarten passiert das regelmäßig: bei der Neukaledonienkrähe und der Hawaiikrähe. Krähen sind Singvögel mit einem ungewöhnlich großen Gehirn und komplexen Verhaltensmustern. Der instinktive Werkzeugeinsatz der Neukaledonienkrähe, auch Geradschnabelkrähe genannt, habe Forscher schon lange fasziniert, sagt er. „Die motorisch-kognitiven Fähigkeiten hinter diesem Verhalten wie die Verständnisebene von Ursache und Wirkung sowie die präzise, aber flexible Bewegungskontrolle wurden bisher aber nicht näher untersucht.“ Das Forschungsteam wollte erkunden, ob eine andere Krähenart den Werkzeuggebrauch prinzipiell ebenso gut erlernen kann – und wie das Lernen die nötigen Fähigkeiten formt.
Hohe Anforderungen
In der Studie brachten die Forscher drei Rabenkrähen mithilfe von Belohnungen zunächst bei, ein Stäbchen mit dem Schnabel aufzunehmen. Im nächsten Schritt lernten diese durch Versuch und Irrtum, mit dem Stäbchen Futterpellets aus einer durchsichtigen Plexiglasbox herauszuholen, in die sie mit dem Schnabel nicht direkt hineinkamen. Wenn das Futter zu schnell herausgeschoben wurde, konnte es vom Tisch fallen und war dann für den Vogel nicht mehr erreichbar. Die Übungsdurchgänge der Vögel wurden durch Bewegungsaufzeichnungen der Stabspitze dokumentiert. „Die Krähen holten zunächst den Stab aus einer Halterung, justierten nach, bis sie den Stab in geradliniger Verlängerung des Schnabels hielten und schoben damit das Pellet in Reichweite ihres Schnabels. Dabei beobachten sie ganz genau wie sich die Bewegungen der Stabspitze auf das Pellet auswirk-ten, um mögliche Fehler sofort zu korrigieren“, beschreibt Moll, wie die trainierten Rabenkrähen vorgingen. Erst wenn sie den Stab zurück in die Halterung gesteckt hatten, fraßen sie das Futter.
Die Aufzeichnungen früher Trainingseinheiten zeigen, wie die Vögel anfänglich mit weit ausholenden ungezielten Bewegungen des Stäbchens das Futterpellet häufig nur hin- und herschoben und viele Versuche benötigten, bis sie drankamen. „Im Vergleich dazu zeigen die Aufzeichnungen späterer Trainingseinheiten hochpräzise Bewegungsabläufe. Die Bewegungen des Stäbchens sind in den jeweiligen Standardsituationen wenig variiert, die Krähe schiebt das Futterpellet zielstrebig an eine Seite der Box und holt es heraus“, berichtet Julius Würzler. Allerdings reagierten die Vögel durchaus flexibel, wenn ihnen zum Beispiel das Stäbchen herunterfiel.
„Um den Werkzeuggebrauch zu erlernen, müssen mehrere Faktoren zusammenkommen“, meint Andreas Nieder: „Die Motivation, das konzeptionelle Wissen und große kognitive Fähigkeiten sowie die feinmotorische Kontrolle.“ Die Rabenkrähen brächten viele Voraussetzungen mit und konnten im Experiment aus einem breiten Bewegungsspektrum die effektiven Strategien auswählen und das Werkzeug als Verlängerung ihres Körpers einsetzen. „Wenn bei uns nicht die Spechte – mit ihrer hochspezialisierten langen Zunge – Totholz bewohnende Käferlarven aus ihren Gängen fischen würden, könnte diese nahrhafte Proteinquelle vielleicht irgendwann durch Werkzeug gebrauchende Rabenkrähen erschlossen werden“, fügt Moll hinzu.
Dr. Felix Moll
Universität Tübingen
Institut für Neurobiologie – Tierphysiologie
Telefon +49 7071 29-74835
felix.moll[at]uni-tuebingen.de
Felix W. Moll, Julius Würzler, and Andreas Nieder: Learned precision tool use in carrion crows. Current Biology, https://doi.org/10.1016/j.cub.2025.08.033
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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