Forschende der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) haben herausgefunden, dass die Kalziumverarbeitung im Herzmuskel Aufschluss darüber gibt, wie hoch das Risiko von Herzrhythmusstörungen nach Herzoperationen ist. Anhand des Kalziumwertes lässt sich besser vorhersagen, wer gefährdet ist. Gleichzeitig können Komplikationen gezielt vorgebeugt werden. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „European Heart Journal“ veröffentlicht.
Laut Angaben der Deutschen Herzstiftung entwickeln bis zu 60 Prozent der Patient*innen nach einem Eingriff am Herzen ein sogenanntes postoperatives Vorhofflimmern. Das Herz schlägt dabei unregelmäßig und oft zu schnell. In der Regel tritt es innerhalb der ersten vier Tage nach der Operation auf. Betroffene fühlen sich häufig müde und benommen, leiden an Brustschmerzen, Luftnot oder sogar Ohnmachtsanfällen. Das postoperative Vorhofflimmern gehört zu den häufigsten Komplikationen nach einer Herzoperation.
Forschende der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) haben gemeinsam unter der Leitung von Prof. Dr. Niels Voigt, Professor für Molekulare Pharmakologie am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UMG, und Dr. Dr. Stefan Kallenberger, Leiter der Arbeitsgruppe für Systemmedizin am BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg, einen neuen Weg gefunden, um das Risiko für gefährliche Herzrhythmusstörungen nach Herzoperationen genauer vorherzusagen. Gemeinsam mit nationalen und internationalen universitären Partner*innen konnten die Forschenden zeigen, dass sich Patient*innen mit einem besonders hohen Risiko für postoperatives Vorhofflimmern deutlich zuverlässiger erkennen lassen, wenn neben den bekannten klinischen Risikofaktoren wie Alter oder Vorerkrankungen auch Messungen der Kalziumbewegungen in den Herzmuskelzellen ergänzt werden. Schließlich spielt Kalzium eine entscheidende Rolle für die Pumpfunktion des Herzens: Es sorgt für die mechanische Bewegung, wodurch sich der Herzmuskel zusammenziehen und so das Blut durch den Körper pumpen kann. Die Bestimmung der Kalziumbewegungen erfolgt direkt während der Operation. Besteht ein erhöhtes Risiko für ein postoperatives Vorhofflimmern, können vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden. Das Forschungsvorhaben wurde vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) sowie dem Göttinger Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC) finanziell unterstützt.
„Unsere Arbeit zeigt, wie wichtig es ist, molekulare Daten und klinische Informationen intelligent zu verknüpfen. So entsteht ein genaueres Bild des individuellen Risikos und damit die Chance auf passgenaue Therapien“, sagt Prof. Voigt, Letztautor der Studie.
Die Ergebnisse wurden im „European Heart Journal“ veröffentlicht.
Originalpublikation:
Funsho E. Fakuade, Judith Gronwald, Paulina Brandes, Yannic Döring, Tony Rubio, Fitzwilliam Seibertz, Maria Knierim, Issam H. Abu-Taha, Aschrad El-Essawi, Ahmad Fawad Jebran, Bernhard C. Danner, Hassina Baraki, Markus Kamler, Ingo Kutschka, Jordi Heijmann, Dobromir Dobrev, Constanze Schmidt, Stefan M. Kallenberger, Niels Voigt: Cytosolic calcium handling signature: integration with clinical predictors enhances prediction of post-operative atrial fibrillation. European Heart Journal (2025), DOI: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf609
In die Untersuchung flossen klinische Daten von insgesamt 558 Patient*innen ein, die sich in den Universitätskliniken in Göttingen und Essen einer Herzoperation unterzogen. Alle Studienpatient*innen hatten vor der Operation einen stabilen Herzrhythmus. Unter diesem Einschlusskriterium konnte das Forschungsteam gezielt untersuchen, welche Faktoren erst im Zusammenhang mit der Operation zu dieser Komplikation führen.
Kalziumkonzentration als Vorbote
Während der Herzoperationen entnahmen die Herzchirurg*innen winzige Gewebeproben aus dem rechten Herzvorhof. In diesen Proben untersuchten die Forschenden die Kalziumverarbeitung der Herzmuskelzellen, ein entscheidender Prozess für das regelmäßige Schlagen des Herzens. Hierfür isolierten sie im Labor einzelne Herzmuskelzellen. Mithilfe der sogenannten Patch-Clamp-Technik, einer hochsensiblen Methode, bei der feinste Glaselektroden an eine einzelne Zelle angelegt werden, wurden elektrische Ströme und Kalziumbewegungen in den Zellen gemessen. So konnten die Forschenden exakt bestimmen, wie die Herzmuskelzellen Kalzium aufnehmen und wieder abgeben.
Unter der Leitung von Dr. Dr. Kallenberger wertete das Team am Universitätsklinikum Heidelberg die klinischen und zellulären Daten aus. Die Analysen zeigten: Die Kalziumkonzentration während der Anspannung des Herzens liefert einen besonders verlässlichen Hinweis darauf, ob nach einer Operation Vorhofflimmern auftreten wird. „Wir konnten erstmals zeigen, dass sich dieses Risiko schon vor dem Eingriff in den Herzmuskelzellen ablesen lässt“, sagt Dr. Funsho Fakuade, Erstautor der Studie, Mitglied des Hertha-Sponer-Colleges des MBExC und Postdoktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Voigt.
Co-Erstautorin Dr. Judith Gronwald, Assistenzärztin in der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG, ergänzt: „Für die Patient*innen kann diese Kombination aus Labor- und Klinikdaten ein echter Gewinn sein. Sie ermöglicht uns, künftig vorbeugende Maßnahmen gezielt einzusetzen und so Komplikationen zu verhindern, bevor sie entstehen.“
Prof. Dr. Niels Voigt, Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Telefon 0551 / 39-65174, niels.voigt@med.uni-goettingen.de
Funsho E. Fakuade, Judith Gronwald, Paulina Brandes, Yannic Döring, Tony Rubio, Fitzwilliam Seibertz, Maria Knierim, Issam H. Abu-Taha, Aschrad El-Essawi, Ahmad Fawad Jebran, Bernhard C. Danner, Hassina Baraki, Markus Kamler, Ingo Kutschka, Jordi Heijmann, Dobromir Dobrev, Constanze Schmidt, Stefan M. Kallenberger, Niels Voigt: Cytosolic calcium handling signature: integration with clinical predictors enhances prediction of post-operative atrial fibrillation. European Heart Journal (2025), DOI: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf609
Dr. Dr. Stefan Kallenberger (UKHD), die beiden Erstautoren Dr. Judith Gronwald (UMG) und Dr. Funsho ...
Copyright: umg/eva meyer-besting
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Medicine
transregional, national
Cooperation agreements, Research results
German
Dr. Dr. Stefan Kallenberger (UKHD), die beiden Erstautoren Dr. Judith Gronwald (UMG) und Dr. Funsho ...
Copyright: umg/eva meyer-besting
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).