Benjamin Müsegades hat seit dem 1. September 2025 den Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte der Universität Würzburg inne. Für den Mittelalterexperten ist Würzburg der passende Ort.
Wenn heute von Franken die Rede ist, haben vermutlich die meisten Menschen ein klar umrissenes Gebiet im Norden Bayerns vor Augen und denken an Städte wie Würzburg, Nürnberg oder Bayreuth. Dementsprechend sollte sich ein Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte genau mit dieser Region beschäftigen. Das stimmt auch – zumindest fast.
„Wir erforschen die Geschichte des historischen Frankens – also der heutigen Bezirke Ober-, Unter- und Mittelfranken plus ein paar angrenzender Gebiete im südlichen Thüringen, im Nordosten Baden-Württembergs und im Grenzgebiet zu Hessen, die früher ebenfalls fränkisch waren“, erklärt Benjamin Müsegades. Der Historiker leitet seit dem 1. September 2025 den Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU); er folgt damit Helmut Flachenecker nach, der diesen Lehrstuhl knapp 22 Jahre innegehabt hatte.
Ein Blick auf Adel und Bauern
„Wir interessieren uns für den historischen Raum, die Menschen und die Überlieferung“, sagt Müsegades. Als Mediävist ist er hauptsächlich für die Geschichte von den Anfängen im 4. Jahrhundert bis zum Ende des Mittelalters um etwa 1520/30 zuständig. Schwerpunkte seiner Forschung sind die Geschichte des Adels – sowohl des Hoch- als auch des Niederadels, beispielsweise des Hauses Brandenburg-Ansbach oder der Grafen von Henneberg, sowie die der Fürstbischöfe.
Auch für die Rolle der Bauern im Mittelalter interessiert sich der neue Lehrstuhlinhaber. „Ein Bauer führt kein Tagebuch. Von daher gibt es wenig schriftliche Zeugnisse, die uns über sein Leben Auskunft geben“, sagt er. Deshalb muss Müsegades indirekt über andere Quellen die Lebensverhältnisse auf dem Land erschließen. Ein Beispiel dafür sind Listen, aus denen hervorgeht, wie viele Tiere, welchen Anteil der Ernte und welche Leistungen sonst noch ein Herrscher von seinen Bauern forderte. „Das kann man mit den tatsächlich gelieferten Mengen vergleichen und daraus Schlüsse über die wirtschaftliche und soziale Situation der Landbevölkerung ziehen.“ Eine andere Möglichkeit ist die Analyse von Verzeichnissen, die vermerken, ob Leibeigene flüchteten oder anderweitig mit ihren Herren im Konflikt lagen.
Arbeit an Originalquellen mit Studierenden
Die Arbeit mit historischen Quellen fasziniert Benjamin Müsegades: „Ich arbeite gern mit ungedruckten Überlieferungen, die ich in Archiven und Bibliotheken finde“, sagt er. Diese Faszination will er auch seinen Studierenden vermitteln – beispielsweise, indem er gemeinsam mit ihnen solche Quellen wissenschaftlich bearbeitet und ediert. Reizvoll findet er es auch, mit Studierenden Kirchen, Burgen und andere bauliche Zeugnisse der Geschichte zu erforschen. In Würzburg würde er deshalb gerne mit ihnen einen Blick in den Dom werfen.
Diese sichtbaren Spuren waren es übrigens auch, die Müsegades schon als Student hierhergezogen haben. Nach einem Studienjahr in den USA hatte er vor fast 20 Jahren noch etwas Zeit bis zum Semesterstart in Deutschland. „Da wollte ich mir typische mittelalterliche Städte anschauen“, sagt er. Seine Wahl ist damals auf Mainz und auf Würzburg gefallen. „Würzburg ist wirklich sehr stark geprägt vom Mittelalter.“
Ein weiterer Schwerpunkt von Müsegades‘ Forschung ist die Geschichte des Fachs selbst. Dabei liegt sein Fokus auf der Nachkriegszeit. Ihn interessiert unter anderem, wer damals berufen wurde und welche Themen die jeweiligen Wissenschaftler bearbeitet haben.
Benjamin Müsegades‘ Werdegang
Benjamin Müsegades (*1982) stammt aus der Nähe von Hamburg; an der Universität Greifswald und an der University of the South in Sewanee (Tennessee, USA) hat er Geschichte und Englisch für das Lehramt an Gymnasien studiert. 2013 wurde er in Greifswald mit der Arbeit „Zwischen Hofmeister und Präzeptor. Reichsfürstliche Erziehung und Ausbildung 1400–1540“ promoviert. Von September 2013 bis März 2021 war er Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde der Universität Heidelberg, für einige Monate unterbrochen von einer Postdoc-Fellowship in London.
Anfangs 2020 schloss Müsegades seine Habilitation an der Universität Heidelberg ab mit der Arbeit „Heilige in der mittelalterlichen Bischofsstadt. Speyer und Lincoln im Vergleich (11. bis frühes 16. Jahrhundert)“. Es folgten Vertretung der Professur für Europäische Geschichte des Mittelalters an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Professur für Vergleichende Landesgeschichte in europäischer Perspektive an der Universität Heidelberg. Zum 1. März 2025 wurde er zum Direktor des Hessischen Instituts für Landesgeschichte in Marburg ernannt.
Ein Norddeutscher, der in Ostdeutschland studiert hat und jetzt Spezialist für fränkische Landesgeschichte wird: Geht das überhaupt? Diese Frage hat Benjamin Müsegades offensichtlich schon öfter zu hören bekommen. Er beantwortet sie, ohne lange nachdenken zu müssen, mit einem Zitat seines Kieler Kollegen Oliver Auge. Der hat auf eine vergleichbare Frage geantwortet: „Sie müssen kein Wal sein, um Walfische zu erforschen“.
Prof. Dr. Benjamin Müsegades, Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte, T: +49 931 31-89246, benjamin.muesegades@uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. Benjamin Müsegades
Source: Gunnar Bartsch
Copyright: Universität Würzburg
Criteria of this press release:
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