Kinästhetik: Profitieren pflegebedürftige Personen oder beruflich Pflegende von ihrer Anwendung?
Nutzen und Schaden von Kinästhetik in der pflegerischen Bewegungsförderung bleibt unklar.
Im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat ein Wissenschafts-Team unter der Leitung des Instituts und Poliklinik für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sowie des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck untersucht, ob die Anwendung von Kinästhetik („Lehre von der Bewegungsempfindung“) für Pflegebedürftige mit Mobilitätseinschränkungen und für beruflich Pflegende Vorteile bringt.
Das Ergebnis: Für die Pflegebedürftigen zeigen die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern identifizierten Studien keine gesundheitlichen Vor- oder Nachteile durch die Anwendung von Kinästhetik in der Pflege. Die Aussagekraft dieser Studien ist zudem wegen methodischer Mängel eingeschränkt. Methodisch hochwertige Studien, die den Nutzen für beruflich Pflegende untersuchen, fehlen ganz. Der Nutzen oder Schaden von Kinästhetik in der pflegerischen Bewegungsförderung für bewegungseingeschränkte Menschen und für beruflich Pflegende bleibt somit unklar.
Anfrage einer Bürgerin war Ausgangspunkt des ThemenCheck-Berichts
Die Kinästhetik, die Lehre von der Bewegungsempfindung, ist vor allem im deutschsprachigen Raum verbreitet. Das Handlungskonzept dient der Bewegungsförderung von pflegebedürftigen Menschen und soll zugleich die Pflegenden körperlich entlasten. Die Kinästhetik beinhaltet keine spezifischen Techniken, um Pflegebedürftige in ihrer Bewegung zu unterstützen. Vielmehr sollen beruflich Pflegende mithilfe des kinästhetischen Konzeptsystems Bewegungsabläufe, Aktivitäten und Interaktionen strukturiert analysieren und daraus individuelle Ansätze zur Bewegungsförderung ableiten.
Die Themenvorschlagende, selbst in der Pflege tätig, fragt sich, ob die Kinästhetik im Pflegealltag tatsächlich die körperliche Belastung der Pflegenden mindert und darüber hinaus die Versorgung der Pflegebedürftigen verbessert.
Bisher fehlt ein Nachweis für den Nutzen der Kinästhetik
Die vorliegenden Studien zeigen keinen Vorteil für Pflegebedürftige durch die Anwendung kinästhetischer Prinzipien. Studien zum Nutzen der Anwendung der Kinästhetik für beruflich Pflegende gibt es nicht.
Darüber hinaus gibt es für beide Fragestellungen keine Hinweise auf Studien, deren Ergebnisse (noch) nicht veröffentlicht wurden. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass sich die Studienlage zur Anwendung der Kinästhetik in näherer Zukunft verbessert.
Die Implementierung kinästhetischer Konzepte ist zudem aufwändig und erfordert zusätzliche Ressourcen. Daher und wegen des bisher fehlenden Nutzennachweises erscheint eine Förderung der Anwendung der Kinästhetik, etwa aus Mitteln der gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung, nicht gerechtfertigt. Empfehlungen zur Kinästhetik erfordern zunächst den Nachweis eines Nutzens durch aussagekräftige, methodisch hochwertige vergleichende Interventionsstudien.
Der ThemenCheck Medizin
Interessierte können im Rahmen des ThemenCheck Medizin Vorschläge für die Bewertung von medizinischen Verfahren und Technologien einreichen. In einem zweistufigen Auswahlverfahren, an dem auch Bürgerinnen und Bürger mitwirken, werden aus den eingereichten Vorschlägen pro Jahr bis zu fünf neue Themen ausgewählt, die für die Versorgung von Patientinnen und Patienten von besonderer Bedeutung sind. Die ThemenCheck-Berichte werden nicht vom IQWiG selbst verfasst, sondern von externen Sachverständigen. Deren Bewertung wird gemeinsam mit einer allgemein verständlichen Kurzfassung und einem IQWiG-Herausgeberkommentar veröffentlicht.
Den vorläufigen Bericht zur Kinästhetik – mit der Frage, ob pflegebedürftige Menschen und beruflich Pflegende davon profitieren – hatte das Institut im Mai 2025 als vorläufigen ThemenCheck-Bericht veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach Abschluss des Stellungnahmeverfahrens wurde der Bericht überarbeitet und jetzt in seiner finalen Fassung veröffentlicht.
https://www.iqwig.de/sich-einbringen/themencheck-medizin/berichte/t23-05.html
https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_15...
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Medicine
transregional, national
Research results
German
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