Forscher:innen der Freunberger Gruppe am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) erlangten zentrale Erkenntnisse über die Redoxchemie von Sauerstoff und reaktiven Sauerstoffspezies (ROS). Während einige ROS eine wichtige Rolle bei der Zellsignalisierung spielen, schädigt der besonders schädliche Singulett-Sauerstoff Zellen und beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit von Batterien. Das Team hat erstmals einen Weg gefunden, diesen zu regulieren. Die in Nature veröffentlichten Ergebnisse könnten breite Anwendungsmöglichkeiten finden, darunter auch im Bereich der Energiespeicherung.
Obwohl „Oxidation“ seltsamerweise ähnlich wie der englische Begriff „oxygen“ (Sauerstoff) klingt, haben die beiden Wörter wenig gemeinsam. Oxidation-Reduktion – oder einfach Redox – bezieht sich auf zwei eng miteinander verbundene Phänomene, bei denen es um den Austausch von Elektronen in einer chemischen Reaktion geht. Das Molekül, das Elektronen verliert, wird oxidiert, während dasjenige, das Elektronen gewinnt, reduziert wird. Daher können Substanzen in verschiedenen Redoxzuständen vorliegen. Die Redoxchemie von Sauerstoff, einem der am häufigsten vorkommenden Elemente, hat jedoch noch nicht alle ihre Geheimnisse preisgegeben.
Von der am stärksten reduzierten bis zur am stärksten oxidierten Form werden die vier gängigen Redoxzustände von Sauerstoff als Oxid, Peroxid, Superoxid und molekularer Sauerstoff bezeichnet. Oxid ist die Form, die in Wasser, Rost und Sand vorkommt, während Peroxid häufig in Bleichmitteln verwendet wird. Superoxid hingegen ist der Zustand, der molekularem Sauerstoff am nächsten kommt, und ist zwangsläufig an jeder chemischen Reaktion beteiligt, die ihn verbraucht oder erzeugt. Peroxid und Superoxid haben interessante chemische Eigenschaften, die sie zu sogenannten „reaktiven Sauerstoffspezies“ (ROS) machen. Beim molekularen Sauerstoff wird es jedoch noch interessanter.
Die dunkle Seite des Sauerstoffs, den wir atmen
Üblicherweise kommt molekularer Sauerstoff als relativ reaktionsarmes Sauerstoffmolekül (O2) vor, das von Chemiker:innen als „Triplett-Sauerstoff“ bezeichnet wird. Er kann jedoch auch als hochreaktiver „Singulett-Sauerstoff“ vorkommen, einer viel stärkeren und schädlicheren ROS als Superoxid. Dieser ‚böse‘ Sauerstoff verursacht nicht nur Zellschäden, sondern ist auch eine Hauptursache für den Abbau in künstlichen Sauerstoff-Redox-Systemen wie Batterien.
Obwohl der ‚gute‘ Triplett- und der ‚böse‘ Singulett-Sauerstoff über die gleiche chemische Struktur und Gesamtzahl an Elektronen verfügen, macht die Verteilung dieser Elektronen den entscheidenden Unterschied aus. Im Triplett-Sauerstoff sind die beiden äußeren Valenz-Elektronen ungepaart: Sie besetzen jeweils ein Orbital und drehen sich in derselben Richtung um die Sauerstoffatome. Im Singulett-Sauerstoff hingegen besetzen die beiden äußeren Valenz-Elektronen dasselbe Orbital und bewegen sich in entgegengesetzte Richtungen. Dadurch bleibt ein Elektronenorbital leer und ist sehr begierig darauf, zusätzliche Elektronen von jedem organischen Molekül zu schnappen, das seinen Weg kreuzt.
Professor Stefan Freunberger vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) unterstreicht ein grundlegendes Problem in der Redoxchemie von Sauerstoff: „Während Superoxid entweder Singulett- oder Triplett-Sauerstoff erzeugen kann, wussten wir bisher noch nicht, was genau die Entstehung des ‚fiesen‘ Singulett-Sauerstoffs verursacht und wie man ihn beeinflussen kann.“
Wie gerät Sauerstoff auf die schiefe Bahn?
Nun befassen sich Forscher:innen um Freunberger und den kürzlich promovierten ISTA-Absolventen Soumyadip Mondal mit den Grundlagen, wie bestimmte ROS aus anderen Mitgliedern der ROS-Familie entstehen. Diese Moleküle sind in einem biologischen Kontext vor allem für zwei Funktionen relevant: Erstens verursachen sie in der Regel Zellschäden, was ihnen ihren schlechten Ruf einbringt. Diese Sauerstoffspezies fungieren jedoch auch als Signalstoffe, die eine Vielzahl von Funktionen regulieren, von Entzündungen über Zellwachstum bis hin zu allen Formen des Zelltods.
Innerhalb der Zellen produzieren die Mitochondrien, auch „Kraftwerke der Zelle“ genannt, Superoxid. Da es für Zellen toxisch ist, bauen die Mitochondrien es zu Peroxid ab, einer anderen ROS-Form, die für die Signalübertragung in Zellen unerlässlich ist. „Wir demonstrieren hier das Prinzip der ‚Superoxid-Disproportionierung’, auch bekannt als ‚Superoxid-Dismutation’, im Labor: Wenn zwei Superoxidmoleküle aufeinander treffen, wird eines zu Peroxid reduziert und das andere zu Sauerstoff oxidiert“, sagt Mondal. Innerhalb der Mitochondrien wird diese Reaktion durch das Enzym Superoxiddismutase sogar noch beschleunigt. „Aber die Frage bleibt: Welche Form von Sauerstoff wird freigesetzt – das ‚gute‘ Triplett oder das ‚böse‘ Singulett – und unter welchen Bedingungen?“ Nach Ansicht des Teams könnte der pH-Wert im Inneren der Mitochondrien die Antwort liefern.
Von der Biologie inspirierte Batterien
Der pH-Wert in unseren Zellen variiert stark zwischen den als Organellen bezeichneten Kompartimenten, von 4,7 in den sauren Lysosomen – die Abbauzentren der Zelle – bis zu 8,0 in den Mitochondrien. Diese basische Umgebung ist für die Mitochondrien unerlässlich, damit sie große Mengen an ATP, der „molekularen Währungseinheit“ für den intrazellulären Energietransfer, produzieren können.
Das Team zeigt, dass die treibende Kraft für die Superoxid-Disproportionierung pH-abhängig ist. „Es gibt eine Konkurrenz zwischen zwei Formen von Sauerstoffgas: Wenn eine dominiert, verlangsamt sich die Produktion der anderen“, sagt Freunberger. Bei einem hohen (basischen) pH-Wert ist die treibende Kraft gering und es wird mehr ‚guter‘ Triplett-Sauerstoff produziert. Dies ist das Szenario, das sich im Inneren der Mitochondrien abspielt. Wenn sich die Umgebung jedoch zu einem sauren (niedrigen) pH-Wert verschiebt, nimmt die treibende Kraft der Reaktion zu. In diesem Fall sinkt der Anteil des ‚guten‘ Sauerstoffs rasch, und der ‚fiese‘ Singulett-Sauerstoff gewinnt schnell die Oberhand. Die Wissenschafter:innen brachten dieses Verhalten mit der Marcus-Theorie in Verbindung, die beschreibt, dass die Geschwindigkeit einer Reaktion zunächst zunimmt und dann entgegen der Intuition ab einer bestimmten Antriebskraft wieder abnimmt.
Für nicht-biologische Anwendungen muss das Team noch Abwehrmechanismen finden, die ihm helfen, die Reaktion zu regulieren und den ‚fiesen‘ Sauerstoff in Schach zu halten. „Biologische Systeme wissen, wie sie sich gegen Singulett-Sauerstoff schützen können. Ob wir nun grundlegende Chemie betreiben oder Batterien entwickeln, wir müssen uns von der Biologie inspirieren lassen, um die treibende Kraft der Reaktion gering zu halten“, sagt Mondal. Das Team kann dies entweder durch die richtige Kombination von Kationen und Elektrolyten in der Reaktionslösung oder durch die Entwicklung besserer Abwehrsysteme erreichen, beispielsweise durch Materialien, die Singulett-Sauerstoff widerstehen oder löschen können.
Prozesse für Grüne Energie optimieren
Während sich die Freunberger Gruppe am ISTA auf Materialelektrochemie spezialisiert hat und sich auf Anwendungen in Energiespeichern wie wiederaufladbaren Batterien konzentriert, betreffen ihre aktuellen Erkenntnisse die wirklichen Grundlagen der Redoxchemie. Die grundlegende Relevanz dieser Forschung verspricht daher breite Anwendungen in der reinen Chemie, den Lebenswissenschaften und der Energiespeicherung. Über die Weiterentwicklung von wiederaufladbaren Batterien hinaus könnten die Ergebnisse auch zur Optimierung der Wasserspaltung beitragen, einer Technik, mit der grüner Wasserstoff als Kraftstoff hergestellt wird, wobei molekularer Sauerstoff als Nebenprodukt freigesetzt wird. Die Wasserspaltung als grüne Energiequelle ist jedoch nach wie vor ineffizient und verbraucht oft mehr elektrische Energie, als der erzeugte Wasserstoff wert ist. „Wie sich die Bildung von Singulett-Sauerstoff auf die Effizienz der Wasserspaltung auswirkt und möglicherweise den Kohlenstoffträger des Elektrolyseurs zersetzt, muss noch untersucht werden“, sagt Freunberger. „Mit unserem derzeitigen Wissen könnten wir bald in der Lage sein, den ‚fiesen‘ Sauerstoff in verschiedenen Anwendungen zu zähmen.“
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Projektförderung:
Dieses Projekt wurde durch Mittel aus dem Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) mit den Projekten 10.55776/P37169 und 10.55776/COE5 finanziert, sowie dem CZI-Projekt DAF2020-225401 (10.37921/120055ratwvi) der Chan Zuckerberg Initiative DAF, einem Beratungsfonds der Silicon Valley Community Foundation (10.13039/100014989), und dem Erasmus-Programm der Europäischen Kommission.
Soumyadip Mondal, Huyen T.K. Nguyen, Robert Hauschild & Stefan A. Freunberger. 2025. Marcus kinetics control singlet and triplet oxygen evolving from superoxide. Nature. DOI: 10.1038/s41586-025-09587-7
https://doi.org/10.1038/s41586-025-09587-7
https://ista.ac.at/de/forschung/freunberger-gruppe/ Forschungsgruppe Materialelektrochemie am ISTA
Wissenschafter am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) halten Singulett-Sauerstoff an ...
Copyright: © ISTA
Der Erstautor der Studie, Soumyadip Mondal. Er hat kürzlich seine Doktorarbeit am Institute of Scien ...
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Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Chemistry, Energy
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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