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10/01/2025 11:07

Saturnmond stößt organische Verbindungen aus - Moleküle stammen aus einem Ozean im Innern des Himmelskörpers

Jacqueline Gehrke Stabsstelle Hochschulkommunikation
Universität Stuttgart

    Der Saturnmond Enceladus schleudert permanent große Mengen von Eiskristallen ins All, die aus einem Ozean in seinem Innern stammen. Forscher*innen der Universität Stuttgart und der Freien Universität Berlin haben nun ganz frisch emittierte Partikel chemisch analysiert, die direkt aus einem unterirdischen Ozean des Saturnmondes stammen. Dazu nutzten sie Daten der Raumsonde Cassini. Sie konnten einige potenziell biologisch relevante organische Moleküle nachweisen, die damit zum ersten Mal in Eispartikeln aus einem Ozean außerhalb der Erde entdeckt wurden. Die Ergebnisse der Studie sind im Fachmagazin Nature Astronomy erschienen. DOI: 10.1038/s41550-025-02655-y

    Enceladus misst ungefähr 500 Kilometer im Durchmesser; seine Oberfläche ist von einer durchschnittlich 25 bis 30 Kilometer dicken Hülle aus Eis bedeckt. „Im Jahr 2005 entdeckte die NASA-Raumsonde Cassini über seinem Südpol eine riesige Wolke aus Gas- und Eispartikeln“, erklärt Dr. Nozair Khawaja, der die Studie am Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart und am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität (FU) Berlin durchgeführt hat.

    Messungen von Cassini offenbarten später, dass im Innern des Trabanten ein Ozean aus flüssigem Wasser vorhanden sein muss. Sie zeigten zudem, dass die Eispartikel organische Moleküle enthalten. „Allerdings waren die untersuchten Partikel nicht frisch, sondern befanden sich schon einige Zeit in einer Umlaufbahn um den Mond“, betont Khawaja, der inzwischen als Forschungsgruppenleiter an die FU Berlin gewechselt ist.

    Flug an den Rand des Eis-Geysirs

    Im Jahr 2008 flog Cassini in 21 Kilometern Höhe über der Mondoberfläche an den Rand des „Eis- und Gas-Geysirs“. Die dabei gesammelten Daten stammen daher aus frischen Eispartikeln, die sich noch wenige Minuten zuvor im Bauch des Trabanten befunden hatten. Khawaja, der die Studie geleitet hat, hat diese Messwerte nun zusammen mit dem Doktoranden Thomas R. O’Sullivan, seinem Stuttgarter Kollegen Prof. Ralf Srama vom IRS sowie der Arbeitsgruppe für Planetologie und Fernerkundung um Prof. Frank Postberg von der FU Berlin ausgewertet. An der Studie waren auch Forscher*innen aus den USA und Japan beteiligt.

    „Unsere Analyse bestätigt zum einen die Ergebnisse, die bei der Analyse anderer Cassini-Daten erhalten wurden“, sagt Khawaja. „Wir können nun also ziemlich sicher sein, dass auch die in älteren Eiskörnern im E-Ring entdeckten einfachen sowie komplexen Verbindungen aus dem Enceladus-Ozean stammen. Wir vermuten, dass diese Moleküle in sogenannten Hydrothermalfeldern auf Enceladus synthetisiert werden - das sind Schlote am Grunde des Ozeans, aus denen heißes Wasser aufsteigt. In den Weltmeeren der Erde gibt es im Umfeld vergleichbarer hydrothermaler Felder Hinweise auf Leben.“

    Organische Verbindungen relevant für potenziell biologische Moleküle

    Die beteiligten Wissenschaftler*innen identifizierten in den Eispartikeln auch Moleküle, die noch nie zuvor in einem Ozean außerhalb der Erde nachgewiesen wurden. Darunter sind auch solche, die als Bausteine komplexer Verbindungen dienen können. Derartige Moleküle, zu denen beispielsweise die sogenannten Pyrimidine zählen, wurden auch schon auf den Asteroiden Bennu und Ryugu nachgewiesen. Auf der Erde sind Pyrimidine unverzichtbare Bestandteile der DNA.

    In den zuvor analysierten Eispartikeln waren diese Verbindungen nicht gefunden worden. Ein Grund für diese Diskrepanz ist vermutlich, dass Cassini bei seiner Reise zum Eis-Geysir mit besonders hohem Tempo unterwegs war. Das erleichterte es einem zentralen Messinstrument an Bord der Raumsonde, verlässliche Daten zu organischen Partikeln zu sammeln. Die Rede ist vom sogenannten „Cosmic Dust Analyzer“ (CDA), einer Art Sensor, der unter Leitung von Ralf Srama am IRS betrieben wurde. Die Eispartikel schlagen mit hoher Geschwindigkeit auf dem Instrument ein und werden fragmentiert. Die Bruchstücke verlieren dabei Elektronen und sind dann positiv geladen. Sie lassen sich von einer negativ geladenen Elektrode anziehen und erreichen die Sonde umso schneller, je leichter sie sind.

    Hohes Flugtempo enthüllt versteckte Signale in den Cassini-Daten

    Wenn man die Flugzeit aller positiv geladener Bruchstücke misst, erhält man ein sogenanntes Massenspektrum. Daraus kann man dann Rückschlüsse auf das Ursprungsmolekül ziehen. „Ist die Geschwindigkeit beim Zusammenstoß zu niedrig, finden sich in diesem Massenspektrum in manchen Fällen Störeinflüsse“, erklärt Khawaja. „Die Signaturen, die die Moleküle hinterlassen, sind dann nicht mehr eindeutig interpretierbar - sie werden gewissermaßen maskiert.“

    Cassini hatte 2008 beim Vorbeiflug an dem Eis-Geysir aber ein sehr hohes Tempo: Die Sonde war mit fast 65.000 km/h unterwegs statt - wie sonst üblich - mit 40.000 km/h oder weniger. Aufgrund der hohen Energie, die die Kollision mit den Eispartikeln bei dieser Geschwindigkeit freisetzt, werden bestimmte Störeinflüsse in diesem Bereich des Massenspektrums eliminiert.

    Vielversprechende Forschungsergebnisse für künftige Raummissionen

    Tatsächlich ist Cassini inzwischen Geschichte - die Sonde wurde 2017 kontrolliert zum Absturz gebracht. „Doch selbst heute noch gewähren die Daten, die ihre Messinstrumente vor vielen Jahren aufgezeichnet haben, neue Einblicke in den Ozean im Innern des Saturnmondes“, erklärt Frank Postberg von der FU Berlin. Die Forschungsergebnisse zu Enceladus sind so vielversprechend, dass die Europäische Weltraumorganisation ESA für 2040 bereits eine Anschluss-Mission dorthin plant. An Bord werden dann Messinstrumente sein, die den Eispartikeln aus dem Innern des Trabanten deutlich mehr Rätsel entreißen können. „Unsere Resultate werden dabei helfen, diese Instrumente zu designen und die Raummission zu planen“, sagt Khawaja.

    Zur Studie

    An der Studie waren Wissenschaftler*innen der Universität Stuttgart, der Freien Universität Berlin, der University of Colorado, Boulder (USA), der University of Washington, Seattle (USA) und des Earth-Life Science Instituts (ELSI) am Institute of Science in Tokyo (Japan) beteiligt.


    Contact for scientific information:

    Dr. Nozair Khawaja, Freie Universität Berlin, Fachbereich Geowissenschaften, Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung, Tel.: +49 30 838-66066, E-Mail: nozair.khawaja@fu-berlin.de


    Original publication:

    Detection of Organic Compounds in Freshly Ejected Ice Grains from Enceladus’s Ocean; Nature Astronomy; DOI: 10.1038/s41550-025-02655-y


    Images

    Blick über den Südpol des eisigen Saturnmondes Enceladus: Aus Rissen in der eisigen Oberfläche des Mondes, die als „Tigerstreifen” bekannt sind, spritzt Material heraus. Enceladus Schatten ist deutlich auf den unteren Teilen der Fontänen zu sehen.
    Blick über den Südpol des eisigen Saturnmondes Enceladus: Aus Rissen in der eisigen Oberfläche des M ...

    Copyright: NASA / JPL-Caltech / Space Science Institute

    Enceladus ist der Saturnmond mit der hellsten Oberfläche und mit 505 Kilometern Durchmesser der sechstgrößte Mond des Saturn. Hier ist er direkt oberhalb der Ringe rechts im Bild zu sehen.
    Enceladus ist der Saturnmond mit der hellsten Oberfläche und mit 505 Kilometern Durchmesser der sech ...

    Copyright: NASA / JPL / Space Science Institute


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Oceanology / climate, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Blick über den Südpol des eisigen Saturnmondes Enceladus: Aus Rissen in der eisigen Oberfläche des Mondes, die als „Tigerstreifen” bekannt sind, spritzt Material heraus. Enceladus Schatten ist deutlich auf den unteren Teilen der Fontänen zu sehen.


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    Enceladus ist der Saturnmond mit der hellsten Oberfläche und mit 505 Kilometern Durchmesser der sechstgrößte Mond des Saturn. Hier ist er direkt oberhalb der Ringe rechts im Bild zu sehen.


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