Wie findet man Objekte, die im Sand vergraben sind, oder in dichtem Nebel versteckt? Eine Kooperation des Institut Langevin (Paris) und der TU Wien entwickelt eine verblüffende Methode.
Lässt sich sichtbar machen, was in einer völlig undurchsichtigen Umgebung verborgen liegt? Mit herkömmlichen Methoden ist das ausgeschlossen: Aus dem Bild einer dichten Wolke lässt sich nicht rekonstruieren, was dahinter verborgen ist.
Eine Forschungskooperation des Institut Langevin und der TU Wien konnte aber nun zeigen: Mit neuartigen mathematischen Tricks kann man Objekte auch in solchen Fällen aufspüren – mit der sogenannten „Fingerabdruck-Matrix“. Das Team testete die neuentwickelte Methode an Metallobjekten, die in Sand vergraben wurden und in Anwendungen aus dem Bereich medizinischer bildgebender Verfahren. Eine gemeinsame Publikation dazu erschien soeben im Fachjournal „Nature Physics“.
Sehen und hören bedeutet Wellenstreuung
Egal ob wir ein gewöhnliches Foto machen oder mit Ultraschall ins Innere des Körpers blicken: Wenn wir ein Bild erzeugen, passiert physikalisch gesehen immer dasselbe: Eine Welle wird auf ein Objekt geschickt, das Objekt reflektiert einen Teil der Welle, der reflektierte Anteil gelangt in unser Auge – oder in ein Messgerät. Anhand dieser reflektierten Welle kann man erkennen, wo sich das Objekt befindet.
Das funktioniert aber normalerweise nur, wenn die Umgebung des Objekts ausreichend durchsichtig ist. „Andernfalls, zum Beispiel in einer dichten Wolke oder in trübem Wasser, kommt es zum Phänomen der Mehrfachstreuung“, erklärt Prof. Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. Die Welle wird nicht nur vom Objekt gestreut, das man abbilden möchte, sondern auch von der Umgebung – oft viele Male, sodass nur noch eine stark veränderte Welle registriert werden kann, an der sich das gesuchte Objekt nicht mehr erkennen lässt.
„Statt des Objekts sieht man dann nur mehr diffusen Nebel – das ist ein fundamentales Problem von Abbildungsverfahren, vom Sonar in U-Booten bis hin zu bildgebenden Verfahren in der Medizin“, sagt Lukas Rachbauer, einer der Ko-Autoren der Studie.
Zuerst der Fingerabdruck, dann das Bild
Um dieses Problem zu überwinden, entwickelte das französisch-österreichische Forschungsteam eine neuartige Methode: Man untersucht einen bestimmten Gegenstand zunächst in einer störungsfreien Umgebung. Jedes Objekt streut Wellen auf eine ganz bestimmte, charakteristische Weise. Dieser Wellenstreuungs-Fingerabdruck des Objekts lässt sich mathematisch durch eine Matrix beschreiben – die sogenannte Streumatrix.
Danach wird das Objekt in einem stark streuenden Medium versteckt – zum Beispiel in Sand vergraben. „Wenn man nun Ultraschall-Wellen auf diesen Sand schickt, werden diese Wellen vom Sand gestreut, ein Teil des Schalls dringt aber so weit in den Sand ein, dass es auch vom vergrabenen Objekt gestreut wird“, sagt Stefan Rotter. „Sehen können wir das Objekt nicht, aber die zurück-gestreute Ultraschallwelle, die auf die Mikrophone des Messgeräts trifft, trägt trotzdem noch Information darüber, dass sie im Sand mit dem gesuchten Objekt in Kontakt gekommen ist.“
Wenn man nun einerseits die unverfälschte Streumatrix, die „Fingerabdruck-Matrix“ des Objektes kennt, und andererseits die Wellenstreuung vermisst, die vom versteckten Objekt in einem mehrfachstreuenden Medium erzeugt wird, dann lässt sich mit einem mathematischen Verfahren, das vom Forschungsteam entwickelt wurde, die Position des Objekts berechnen.
„Aus den Korrelationen zwischen der gemessenen reflektierten Welle und der unverfälschten Fingerabdruck-Matrix kann man ableiten, wo sich das Objekt mit größter Wahrscheinlichkeit befindet; und das selbst dann, wenn das Objekt tief vergraben liegt “, erklärt Stefan Rotter.
Stahlkugeln im Sand und medizinische Marker
Die Methode wurde mit Stahlkugeln in Sand getestet, aber auch in Anwendungen aus dem medizinischen Bereich: Um das Wiederauftreten von Brustkrebs zu überwachen, verwendet man sogenannte Läsionsmarker, die oft schwer abzubilden sind, weil sie von Streusignalen überlagert werden. Mit der neuen Methode waren sie problemlos zu lokalisieren. Außerdem gelang es, mit Hilfe der Fingerabdruck-Matrix-Technologie, Muskelfasern zu vermessen – das ist besonders für die Diagnose von Herz- und Muskelerkrankungen wichtig.
„Das Konzept der Fingerabruck-Matrix ist sehr allgemein anwendbar – nicht nur für Ultraschall, sondern auch für Detektion mit Licht“, sagt Stefan Rotter. „Es eröffnet wichtige neue Möglichkeiten in allen Bereichen der Wissenschaft, wo eine Reflexions-Matrix gemessen werden kann.“ Manche Objekte ändern ihren „Streu-Fingerabdruck“ auch, wenn sich bestimmte physikalische Parameter ändern – etwa Druck oder Temperatur. Solche Größen könnten mit der neuen Methode aus der Distanz gemessen werden. Besonders spannend wäre dies zum Beispiel bei der Vermessung des menschlichen Gehirns, wo Wellen die stark streuende Schädeldecke durchdringen müssen.
In Zusammenarbeit mit CNRS Innovation und dem Patent- und Lizenzmanagement der TU Wien wurde die Fingerabdruck-Methode mittlerweile auch als Patent eingereicht und von einer Firma in der Medizintechnik aufgegriffen.
Prof. Stefan Rotter
Institut für Theoretische Physik
TU Wien
Wiedner Hauptstraße 8–10, 1040 Wien
+43 1 58801 13618
stefan.rotter@tuwien.ac.at
Detection and characterization of targets in complex media using fingerprint matrices, A. Le Ber, A. Goïcoechea, L. Rachbauer, W. Lambert, X. Jia, M. Fink, A. Tourin, S. Rotter and A. Aubry, Nature Physics, 2025.
Frei zugängliche Version der Arbeit: arXiv:2502.07052
Links: Künstlerische Darstellung der Metallkugeln, vergraben in kleinen Glasperlen. Mitte: Bild erze ...
Source: TU Wien / Arthur Le Ber
Copyright: TU Wien / Arthur Le Ber
Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Physics / astronomy
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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Source: TU Wien / Arthur Le Ber
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