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10/08/2025 18:51

Doktorandin aus Indien forscht an der HSBI zu Selbsthilfegruppen für Frauen in sozio-ökonomischen Krisen

Dr. Lars Kruse Ressort Hochschulkommunikation
Hochschule Bielefeld

    Seit April forscht PhD-Studentin Vrinda Dave am Fachbereich Wirtschaft der HSBI zu Selbsthilfegruppen für Frauen in sozio-ökonomischen Krisen. Sie arbeitet einen Vergleich zwischen Selbsthilfegruppen in Indien und Deutschland heraus. Ein erstes Ergebnis: Empowerment für Frauen steht in beiden Ländern im Vordergrund, um Gesellschaft und Wirtschaft zu stärken. Ermöglicht hat Daves Aufenthalt das New-Horizons-Stipendium für Wissenschaftler:innen aus dem Globalen Süden, die zu Geschlechter- und Gleichstellungsthemen forschen. Sie ist die vierte Stipendiatin, die an der HSBI zu Gast ist.

    Bielefeld (hsbi). Wenn Wirtschaft und Gesellschaft in einer Krise stecken, verlieren Menschen ihre Jobs, Einkommen werden geringer und der Zugang zu Hilfsmitteln ist begrenzt. Besonders Frauen, die in vielen Fällen sozial und besonders beruflich benachteiligt werden – egal ob durch Elternzeiten oder Gender Pay Gaps – leiden unter diesen Herausforderungen.

    Vrinda Dave ist PhD-Studentin in Economics an der Ganpat University im indischen Bundesstaat Gujarat. In ihrer Promotion beschäftigt sie sich mit der Frage, wie Selbsthilfegruppen Frauen in sozio-ökonomischen Krisen stärken können. Dave ist zudem Juniorprofessorin an der GLS University in Indien. Im Rahmen des New-Horizons-Stipendiums forscht sie an der HSBI zu Selbsthilfegruppen für Frauen in Deutschland im Vergleich zu Indien. Ihre Gastgeberin ist Prof. Dr. Vivian Carstensen vom Fachbereich Wirtschaft.

    „Förderung und Unterstützung von Frauen kann Wirtschaft nachhaltig helfen“

    „Selbsthilfegruppen in Deutschland unterscheiden sich sehr von Selbsthilfegruppen in Indien, doch im Herzen sind sie gleich: Sie wollen Frauen stärken“, sagt Vrinda Dave. „Empowerment beginnt, wenn verschiedene Menschen zusammenkommen und einander bei Herausforderungen unterstützen.“ Frauen zu stärken ist hierbei nicht nur von sozialer Wichtigkeit. Auch für die Wirtschaft bringt es Vorteile. Basis-Mechanismen („grassroots mechanisms“), also Initiativen oder Strategien, die ihre Wurzeln in der Bevölkerung haben, wie Selbsthilfegruppen, sind dafür essentiell.

    Dave hat herausgefunden, dass die Bestärkung von Frauen durch Selbsthilfegruppen das Wirtschaftswachstum positiv beeinflussen kann. Solche Gruppen fördern nämlich zunächst das Haushaltswohlbefinden, mittelfristig zudem die Produktivität und schließlich die Widerstandsfähigkeit einer Gesellschaft. „Haushaltswohlbefinden meint das Wohlbefinden der Menschen innerhalb eines Haushalts in Bezug auf Zufriedenheit, Gesundheit und Lebensqualität“, erläutert Dave. Die Widerstandsfähigkeit bezieht sich auf den Umgang mit Krisen, Schocks, Resilienz und Veränderungen.

    Durch die höhere Produktivität kann die Wertschöpfung in Produktion und Dienstleistungen gesteigert werden. Hiervon profitieren wiederum Wohlstand und Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft.

    Starke Unterschiede zwischen Selbsthilfegruppen in Deutschland und Indien, doch im Herzen gleich

    Für ihre Studie hat sich Dave mit Frauen beschäftigt, die häuslicher Gewalt, eingeschränkter Mobilität und sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligung oder sogar Ausschluss ausgesetzt sind. Diese Probleme haben in Deutschland wie auch in Indien für die Gründung von Selbsthilfegruppen gesorgt. Für die Erhebung der empirischen Daten hat die PhD-Studentin in beiden Ländern eine Reihe von Selbsthilfegruppen mit etwa 10 bis 20 Teilnehmerinnen befragt. Die Teilnehmerinnen haben Fragebögen ausgefüllt, die Dave quantitativ ausgewertet hat, um Aussagen über Gemeinsamkeiten, Unterschiede und einzigartige Merkmale der jeweiligen Gruppen treffen zu können.

    Bei einem näheren Blick auf Selbsthilfegruppen in beiden Ländern fallen gravierende Unterschiede auf. Vrinda Dave: „In Indien entstehen Selbsthilfegruppen meist innerhalb einer Gemeinschaft und weniger durch Institutionen.“ Der Fokus liegt darauf, Erwerbsmöglichkeiten und Lebensgrundlagen für Frauen, insbesondere Frauen aus ländlicheren Regionen, zu schaffen und Überlebensstrategien während sozio-ökonomischen Krisen zu zu eröffnen. Frauen erhalten oft sogenannte „microcredits“, also kleine Kredite, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen. „Im Fokus steht dann, sie bei der Jobsuche zu unterstützen“, so Dave. Zu den Stakeholdern gehören hier meist die Regierung, Banken oder auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Eine NGO ist eine Organisation, die nicht von einer Regierung oder staatlichen Stelle kontrolliert wird. Die Mitglieder setzen sich für ein Anliegen unabhängig von staatlichen Einflüssen ein.

    In Deutschland sind Selbsthilfegruppen hingegen oft strukturierter und institutionalisiert.

    Betroffen sind insbesondere ältere, alleinlebende oder alleinerziehende Frauen und Einwanderinnen. Zu den Stakeholdern gehören neben der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG) unter anderem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) oder die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Banken. Hier stehen Herausforderungen wie psychische Gesundheit, soziale Isolation, die Integration von Migranten oder Care-Arbeit im Vordergrund. „Frauen, die über einen längeren Zeitraum erkrankt sind, stehen oft auch vor finanziellen Problemen“, erklärt Dave. Auch hier helfen Selbsthilfegruppen. „Wenn die sozialen und gesundheitlichen Herausforderungen überwunden sind, geht es um finanzielle Stabilität. Den Frauen wird geholfen, wieder erfolgreich ins Arbeitsleben einzusteigen.“

    Den Teilnehmerinnen wird zudem oft ein Freizeitangebot mit gemeinsamen oder sportlichen Aktivitäten eröffnet. Psychische Gesundheit oder auch Rehabilitation nach schwerer Krankheit stehen noch mehr im Fokus als finanzielle oder berufliche Unabhängigkeit. Doch im Kern geht es in beiden Ländern darum, Frauen in allen Lebensbereichen zu stärken, finanziell wie mental, wie Vrinda Dave zusammenfasst: „Den Frauen soll geholfen werden, selbstbewusster, selbstständiger und unabhängiger zu werden.“

    „Deutschland ist wie ein Märchenland für mich“

    Daves erste Tage in Deutschland waren überwältigend und bereichernd zugleich. Dave: „Eine neue Kultur, Umwelt und Sprache kennenzulernen, bringt Herausforderungen mit sich, aber ich wurde hier mit offenen Armen empfangen, das hat es mir sehr erleichtert.“ Besonders gefällt ihr die Disziplin der Deutschen, aber auch die gute Work-Life-Balance. An Bielefeld mag sie die Natur, die Parks und die gute Infrastruktur. „Deutschland ist wie ein Märchenland für mich. Es gibt wunderschöne malerische Landschaften und historische Architektur.“ Besonders gefallen hat ihr auch der Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit in Deutschland und insbesondere an der HSBI. Und: „Die Hochschule setzt sich für Diversität und Inklusion sein. Das weiß ich sehr zu schätzen.“

    Doch was war besonders herausfordernd? „Herauszufinden, auf welcher Seite der Straße ich stehen muss, um in den richtigen Bus einzusteigen“, sagt die Studentin und lacht. Anders als in Deutschland herrscht in Indien Linksverkehr. Doch den Weg hat sie dank helfender Kolleg:innen immer gefunden. „Es war zwar in einigen Situationen sehr verwirrend, aber auch lustig.“

    Der Fachbereich Wirtschaft profitiert von Vrinda Daves Arbeit

    Prof. Dr. Vivian Carstensen vom Fachbereich Wirtschaft hat Vrinda Dave vom ersten Tag an begleitet. Sie ist zuständig für das Lehrgebiet Ökonomie, Management und Organisation. Sie half der Studentin, sich in dem ihr fremden Land zurechtzufinden. Als Host hat sie Dave bei der Organisation, Willkommenskultur und Einbindung in den Fachbereich, inklusive sozialer Events, unterstützt. Neben Dr. Maurvi Vasavada und Dr. Suraj Shah von der Ganpat University ist sie eine von Daves Promotionsbetreuer:innen. Sie findet, das New-Horizons-Stipendium ist eine große Bereicherung für die HSBI: „Der Erfolg basiert meinem Empfinden nach maßgeblich auf der engen Vernetzung zwischen dem Welcome Center durch Max Köster, der Fachbereichskoordinatorin für Internationales, Nermin Karaoglu, dem Dekanat und mir.“

    Und auch Daves Arbeit sieht Prof. Carstensen als Gewinn für den Fachbereich Wirtschaft. „Vrindas Arbeit ist von großer Bedeutung für die globale Herausforderung der oftmals zu geringen Teilhabe von Frauen und weiteren unterrepräsentierten Gruppen am Arbeitsmarkt. Entsprechend profitiert der interdisziplinäre Forschungsschwerpunkt „Work of the Future“ (WoF) am Fachbereich Wirtschaft sehr von Vrindas Vorhaben.“ Zukünftig sind künftige gemeinsame Antragstellungen geplant, die sich zunächst auf Forschung konzentrieren, perspektivisch aber auch Studierendenmobilität zwischen Bielefeld und Gujarat und gemeinsame Lehrformate einbinden sollen.

    Die Gleichstellungsbeauftragte Prof. Dr. Katja Makowsky durfte Vrinda auch kennenlernen und ist begeistert von ihrer Arbeit. Makowsky: „In ihrem Projekt hat sie ein aus der Perspektive der Unterstützung von Frauen sehr relevantes Thema betrachtet. Aus ihren Ergebnissen lassen sich möglicherweise auch Anregungen für die Unterstützung durch Selbsthilfegruppen von Frauen in Deutschland ableiten.“ Prof. Makowsky ist neben ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte Professorin am Fachbereich Sozialwesen.

    Für die HSBI hat sich Vrinda Dave entschieden, weil ihr die Offenheit der Hochschule gefällt, verschiedene Fachbereiche zu verbinden. Während sie sich in ihrer Promotion auch intensiv mit Geschlechterforschung und Diversität auseinandersetzt, konnte sie diese mit wirtschaftlichen Aspekten verbinden. Die Zusammenarbeit der HSBI und der Ganpat University soll auch in Zukunft weiter ausgebaut werden.


    More information:

    https://www.hsbi.de/presse/pressemitteilungen/new-horizons-stipendium-doktorandi... Pressemitteilung auf www.hsbi.de


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    PhD-Studentin Vrinda Dave forscht am Fachbereich Wirtschaft der HSBI zu Selbsthilfegruppen für Frauen in sozio-ökonomischen Krisen. Sie arbeitet einen Vergleich zwischen Selbsthilfegruppen in Indien und Deutschland heraus.
    PhD-Studentin Vrinda Dave forscht am Fachbereich Wirtschaft der HSBI zu Selbsthilfegruppen für Fraue ...

    Copyright: P. Pollmeier/HSBI


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Economics / business administration, Social studies
    transregional, national
    Cooperation agreements, Miscellaneous scientific news/publications
    German


     

    PhD-Studentin Vrinda Dave forscht am Fachbereich Wirtschaft der HSBI zu Selbsthilfegruppen für Frauen in sozio-ökonomischen Krisen. Sie arbeitet einen Vergleich zwischen Selbsthilfegruppen in Indien und Deutschland heraus.


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