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10/09/2025 11:02

IWH-Insolvenztrend: Sehr viele Firmenpleiten im dritten Quartal, aber Trendanstieg vorerst beendet

Rafael Barth Kommunikation
Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle

    Wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in einer heute veröffentlichten Analyse feststellt, ist die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im September wieder angestiegen. Im dritten Quartal 2025 wurden die Rekordwerte des zweiten Quartals fast erreicht und damit die zweithöchsten Insolvenzzahlen seit 20 Jahren gemessen.

    Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im September bei 1.481 (vgl. Abbildung 1). Das sind 5% mehr als im Vormonat, 14% mehr als im September 2024 und 64% mehr als in einem durchschnittlichen September der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie.

    Schließungen großer Arbeitgeber führen häufig zu erheblichen und dauerhaften Einkommens- und Lohnverlusten bei den betroffenen Beschäftigten. Die Zahl der von Großinsolvenzen betroffenen Jobs liefert zudem eine gute Annäherung an die Gesamtzahl der von Insolvenz betroffenen Arbeitsplätze. Laut IWH-Insolvenztrend waren im September in den größten 10% der insolventen Unternehmen etwa 20.000 Arbeitsplätze betroffen. Damit liegt die Zahl der betroffenen Beschäftigten deutlich (62%) über dem Vormonat und erreicht etwa das Vierfache des September-Durchschnitts der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019 (vgl. Abbildung 2). Die vergleichsweise hohe Zahl betroffener Arbeitsplätze im September erklärt sich auch durch die Großinsolvenz der Schlau-Gruppe, zu der die Hammer-Fachmärkte gehören.

    Im dritten Quartal 2025 waren 4.478 Personen- und Kapitalgesellschaften von einer Insolvenz betroffen. Damit wurde der Rekordwert des zweiten Quartals 2025 nur um 1% unterschritten. Somit wurde im dritten Quartal 2025 die zweithöchste Anzahl insolventer Personen- und Kapitalgesellschaften seit dem dritten Quartal 2005 gemessen – höher als im Nachgang der großen Wirtschafts- und Finanzkrise 2009. Die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze in den größten 10% der insolventen Unternehmen ging im Vergleich zum Vorquartal leicht auf etwa 42.000 zurück. Auch wenn das Niveau noch immer hoch ist, setzt sich damit der Trend zu kleineren Insolvenzen fort.

    Eine branchenspezifische Aufschlüsselung für insolvente Personen- und Kapitalgesellschaften liegt beim Statistischen Bundesamt nicht vor. Das IWH erhebt diese Daten seit Januar 2020. Während die Zahl insolventer Industriebetriebe im Vergleich zum Vorquartal massiv zurückging (-27%) und sich Bau, Handel und die freiberuflichen und wissenschaftlich-technischen Dienstleistungen knapp unter den Höchstständen hielten, verzeichneten die meisten anderen großen Branchen neue Rekordwerte. Stark betroffenen waren Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Berlin. Verglichen mit dem ersten Quartal 2020 – also noch bevor die Pandemie das Insolvenzgeschehen hätte prägen können – stieg die Zahl der Insolvenzen im dritten Quartal 2025 um 61%.

    Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung, führt die hohen Insolvenzzahlen auf langanhaltende gesamtwirtschaftliche Probleme sowie auf Nachholeffekte der Niedrigzinspolitik und Corona-Staatshilfen zurück. „Der Trendanstieg bei der Zahl der Insolvenzen ist vorerst gestoppt. Auch wenn im Oktober nochmals hohe Insolvenzzahlen erwartet werden, rechne ich für die kommenden Monate insgesamt mit einer Konsolidierung des Insolvenzgeschehens auf hohem Niveau“, sagt Müller. „Der Trendanstieg endet jedoch nicht, weil sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert hätten, sondern weil die Nachholeffekte an Kraft verlieren.“ In den steigenden Insolvenzzahlen erkennt Müller schmerzhafte, aber notwendige Marktbereinigungen sowie Strukturanpassungen, die Raum für zukunftsfähige Unternehmen schaffen können.

    IWH-Insolvenztrend: Hintergrund, Daten, Methodik

    Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben (vgl. Abbildung 3).

    Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator für das Insolvenzgeschehen und die wirtschaftliche Entwicklung. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenzforschungsstelle, gehört das Institut bundesweit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.

    Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesell-schaften umfassen in der Regel mehr als 90% der von Unternehmensinsolvenz be-troffenen Arbeitsplätze und 95% der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verlässlich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab.

    Auch die amtliche Statistik weist monatlich vorläufige Insolvenzzahlen aus. Diese beziehen sich jedoch auf alle Regelinsolvenzen. Regelinsolvenzen umfassen neben den im IWH-Insolvenztrend erfassten Personen- und Kapitalgesellschaften auch die gesamtwirtschaftlich wenig relevante Gruppe der Kleinstunternehmen. Zudem werden auch bestimmte natürliche Personen wie Selbstständige oder ehemals selbst-ständig Tätige mit unüberschaubaren Vermögensverhältnissen sowie privat haftende Gesellschafter und Einzelunternehmer gemeldet.

    Regelinsolvenzen sind also nicht mit Unternehmensinsolvenzen gleichzusetzen. Die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften macht weniger als die Hälfte der Regelinsolvenzen aus. Die prozentualen monatlichen Veränderungen bei den Regelinsolvenzen können sich aufgrund der Vielzahl gesamtwirtschaftlich unbedeutender Insolvenzfälle deutlich von denen der Personen- und Kapitalgesell-schaften unterscheiden.


    Contact for scientific information:

    Professor Dr. Steffen Müller
    Tel +49 345 7753 708
    Steffen.Mueller@iwh-halle.de
    https://www.iwh-halle.de/ueber-das-iwh/team/detail/steffen-mueller


    Original publication:

    https://www.iwh-halle.de/presse/pressemitteilungen/detail/iwh-insolvenztrend-seh...


    More information:

    https://www.iwh-halle.de/fileadmin/user_upload/data/insolvenztrend/iwh-insolvenz... Alle zugrundeliegenden Daten als Excel-Download
    https://www.iwh-halle.de/forschung/daten-und-analysen/iwh-insolvenzforschung IWH-Insolvenzforschung mit Angaben zur Methodik hinter dem IWH-Insolvenztrend


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    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars
    Economics / business administration, Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

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