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10/16/2025 13:52

Attempto-Preise gehen an eine Neurowissenschaftlerin und einen Neurowissenschaftler

Christfried Dornis Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Peng Liu und Philipp Klocke werden für Studien zur Erforschung der Parkinsonerkrankung beziehungsweise der Alterungsprozesse der für den Tastsinn zuständigen Hirnbereiche ausgezeichnet

    Die Attempto-Preise 2025 der Tübinger Attempto-Stiftung erhalten Dr. Philipp Klocke für seine Studie über die Hirnaktivität von Patientinnen und Patienten, die aufgrund einer Parkinsonerkrankung kurzzeitige Bewegungsblockaden erleiden, und Dr. Peng Liu für ihre Veröffentlichung über Veränderungen der Großhirnrinde, die sich mit steigendem Alter von Menschen und Mäusen bei der Verarbeitung von Berührungsreizen ergeben. Die Preise sind jeweils mit 5.000 Euro dotiert und wurden dem Preisträger und der Preisträgerin im Rahmen der Mitgliederversammlung der Vereinigung der Freunde der Universität Tübingen (Universitätsbund) e. V. am 15. Oktober 2025 überreicht.

    „Die Attempto-Preise werden an Tübinger Forscherinnen und Forscher in ihrer frühen Karrierephase für herausragende neurowissenschaftliche Publikationen vergeben. Ihre Themen beleuchten schlaglichtartig, wie breit dieser Bereich am Standort Tübingen aufgestellt ist“, sagte Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen.

    Attempto-Preis für Philipp Klocke

    Dr. Philipp Klocke arbeitet als Assistenzarzt und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Neu-rologie mit Schwerpunkt Neurodegenerative Erkrankungen des Universitätsklinikums Tübingen so-wie am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung. Er hat in seiner mit dem Attempto-Preis ausgezeichneten Studie eine der charakteristischen Bewegungseinschränkungen der Parkinsonkrankheit untersucht, das plötzliche Einfrieren des Ganges. Neben der anfänglichen Verlangsamung ihrer Bewegungen und der allgemeinen Steifheit zu Beginn der Erkrankung erleiden viele Patientinnen und Patienten diese kurzzeitigen Bewegungsblockaden erst in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien. Beim Einfrieren wird der Bewegungsablauf unvorhersehbar für einen Moment bis zu einigen Sekunden gestoppt, die Betroffenen können von einem Augenblick auf den anderen ihre Füße nicht mehr heben. Sie bleiben bei vollem Bewusstsein, können aber unter Umständen einen Sturz nicht verhindern.

    Um mehr über das Zusammenspiel von Nerven und Muskeln während des Einfrierens zu erfahren, untersuchten Klocke und das Team am Hertie-Institut Parkinsonpatientinnen und -patienten, denen zuvor unabhängig von der Studie zu Behandlungszwecken Elektroden für die tiefe Hirnstimulation implantiert worden waren. Das Forschungsteam interessierte beim plötzlichen Einfrieren der Gehbewegungen vor allem die Rolle des Nucleus subthalamicus, einem Nervenkerngebiet tief im Gehirn, das für die Steuerung von Bewegungen, aber auch für kognitive und emotionale Funktionen wichtig ist. Dieser Nervenkern ist an der Initiierung, Aufrechterhaltung und Hemmung von Bewegungen beteiligt und spielt eine wichtige Rolle bei der Feinabstimmung und Koordination der Motorik.

    Die Ergebnisse der gleichzeitigen Messungen der Hirnaktivität und der Beinmuskeln der Probandinnen und Probanden zeigten, dass im Nucleus subthalamicus bereits vor und während eines Einfrierereignisses Aktivierungs- und Deaktivierungsstörungen auftreten. Durch fehlerhafte Signale aus dem Gehirn arbeiten Spieler und Gegenspieler bei der Muskelkontraktion nicht richtig zusammen. In der Forschung eröffnet das Verständnis dieser spezifischen Fehlfunktionen in diesem Hirnbereich neue Ansätze zur Behandlung der Bewegungsblockaden. Allgemein besteht Potenzial darin, durch gezielte Neurostimulation mittels eines Hirnschrittmachers bevorstehende Blockaden zu verhindern. Dies erfordert jedoch weitere technische Entwicklungen der Geräte sowie gezielte klinische Studien.

    Attempto-Preis für Peng Liu

    Dr. Peng Liu forscht als Postdoktorandin am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung. In ihrer mit dem Attempto-Preis prämierten Arbeit hat sie Alterungsprozesse in der Großhirnrinde bei der Verarbeitung von Tastreizen bei Mensch und Maus untersucht. Allgemein wird die Hirnrinde mit zunehmendem Alter dünner, vermutet wird durch den Verlust von Nervenzellen. Für die Verarbeitung von Tastreizen ist der somatosensorische Kortex in der Großhirnrinde zuständig, der an der Kopfoberseite an der Außenseite des Gehirns liegt. Die Großhirnrinde besteht aus sechs Schichten, wovon als erstes die vierte Schicht bei Tastreizen, etwa dem Berühren oder Greifen eines Gegenstands, aktiviert wird. Durch hochaufgelöste Hirnscans von einer Gruppe jüngerer Menschen einerseits und ei-ner älteren andererseits in einem besonders leistungsstarken Magnetresonanztomografen konnten Peng Liu und das Forschungsteam die Veränderungen der Hirnschichten während des Alterns im Detail vergleichen.

    Der Vergleich ergab, dass bei zunehmendem Alter durch die dünner werdenden tiefliegenden Schichten die Hirnrinde insgesamt dünner wird. Die mittleren und oberen Schichten der Hirnrinde zeigten hingegen keinen altersabhängigen Abbau. Die Schicht vier wurde sogar dicker, und die Ner-venzellen enthielten mehr Myelin als bei jüngeren Erwachsenen. Myelin ummantelt die langen Ausläufer der Nervenzellen und beschleunigt die Erregungsleitung im Nervensystem. Das Forschungsteam bezog auch eine Person in die Studie ein, die von Geburt an nur einen Arm besitzt. Ihre vierte Schicht der Hirnrinde war auf der Seite, die aufgrund des fehlenden Arms keine Tastinformationen verarbeitete, dünner als auf der anderen Seite. Die Untersuchungen an Mäusen in verschiedenen Altersgruppen lieferten vergleichbare Ergebnisse wie bei Menschen: Die für Tastsinnesreize zuständige Schicht in der Hirnrinde wurde mit zunehmendem Alter stärker myelinisiert.

    Die Schichten der Hirnrinde des Menschen altern in unterschiedlicher Weise, fasst Peng Liu die Erkenntnisse aus der Studie zusammen. Dafür sei nun ein Modell geschaffen, um deren Degeneration durch Alterung näher zu untersuchen. Die Hirnschichten, die durch intensive Verarbeitung gefordert werden, scheinen – wie die Schicht vier für den Tastsinn – im Alter nicht abgebaut zu werden. So etwa, wenn jemand bis ins hohe Alter regelmäßig auf einer Tastatur tippt. Die Funktion der tieferen Hirnschichten hingegen, die für eine flexiblere Modulation solcher Tätigkeiten zuständig sind, unterliegt altersmäßigen Einschränkungen. Weitere Untersuchungen könnten Hinweise geben, wie Alterungseffekte der Hirnrinde durch Stimulation zu beeinflussen wären.

    Der Attempto-Preis

    Der Attempto-Preis wurde 1983 von dem Psychiater Konrad Ernst und seiner Ehefrau Dorothea gestiftet. Mit dem Attempto-Preis werden Tübinger Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus dem Bereich der Neurowissenschaften ausgezeichnet.


    Contact for scientific information:

    Dr. Philipp Klocke
    Universitätsklinikum Tübingen
    Klinik für Neurologie mit Schwerpunkt Neurodegenerative Erkrankungen
    Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
    philipp.klocke[at]med.uni-tuebingen.de

    Dr. Peng Liu
    Universität Tübingen
    Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
    Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE)
    peng.liu[at]med.uni-tuebingen.de


    Original publication:

    Philipp Klocke, Moritz A. Loeffler, Hannah Muessler, Maria-Sophie Breu, Alireza Gharabaghi and Daniel Weiss: Supraspinal contributions to defective antagonistic inhibition and freezing of gait in Parkinson’s disease. Brain, https://doi.org/10.1093/brain/awae223

    Peng Liu, Juliane Doehler, Julia U. Henschke, Alicia Northall, Angela Knaf-Serian, Laura C. Loaiza-Carvajal, Eike Budinger, Dietrich S. Schwarzkopf, Oliver Speck, Janelle M. P. Pakan & Esther Ku-ehn: Layer-specific changes in sensory cortex across the lifespan in mice and humans. Nature Neu-roscience, https://doi.org/10.1038/s41593-025-02013-1


    Images

    Philipp Klocke
    Philipp Klocke
    Source: Valentin Marquardt
    Copyright: Valentin Marquardt/Universität Tübingen

    Peng Liu
    Peng Liu
    Source: Valentin Marquardt
    Copyright: Valentin Marquardt/Universität Tübingen


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Medicine
    regional
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    German


     

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