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10/17/2025 16:08

Salzarmes Wasser im Südlichen Ozean hielt CO2 für Jahrzehnte unter Verschluss, aber...

Folke Mehrtens Kommunikation und Medien
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

    AWI-Studie gibt eine mögliche Erklärung, warum der Ozean rund um die Antarktis trotz des Klimawandels kontinuierlich CO2 aufnimmt, entgegen den Prognosen von Klimamodellen.

    Klimamodelle deuten darauf hin, dass der Südliche Ozean durch den Klimawandel seine Fähigkeit Kohlenstoffdioxid (CO2) aufzunehmen verlieren könnte. Tatsächlich zeigen Beobachtungsdaten aber, dass diese Fähigkeit in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich abgenommen hat. Woran das liegen könnte, haben Forschende des Alfred-Wegener-Instituts in einer aktuellen Studie herausgefunden: Salzarmes Wasser im oberen Ozean trug dazu bei, Kohlenstoff in der Tiefe zu halten und so die Abgabe an die Atmosphäre zu verlangsamen – zumindest bis jetzt, denn der Klimawandel verändert den Südlichen Ozean und seine Funktion als Kohlenstoffsenke zunehmend. Die Studie erscheint in der Zeitschrift Nature Climate Change.

    Ozeane nehmen etwa ein Viertel der anthropogenen CO2-Emissionen auf, die in die Atmosphäre gelangen. Hiervon speichert allein der Südliche Ozean rund 40 Prozent und ist damit eine Schlüsselregion für die Eindämmung der globalen Erderwärmung. Diese wichtige Rolle des Südlichen Ozeans geht aus der Ozeanzirkulation in der Region hervor, durch die Wassermassen aus der Tiefe aufquellen, erneuert werden, und wieder absinken. In diesem Prozess wird natürliches CO2 aus der Tiefe des Ozeans freigesetzt und anthropogenes CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen und gespeichert. Wie groß das potential des Südlichen Ozeans ist, anthropogenes CO2 aufzunehmen, hängt davon ab wieviel natürliches CO2 aus der Tiefe an die Oberfläche kommt: Je mehr natürliches CO2 aus der Tiefe an die Oberfläche steigt, desto weniger anthropogenes CO2 kann der Südliche Ozean aufnehmen. Dieser Prozess wird durch die Ozeanzirkulation und die Schichtung verschiedener Wassermassen gesteuert.

    Das Wasser, welches im Südlichen Ozean aus der Tiefe aufquillt, ist sehr alt, da es seit hunderten bis tausenden von Jahren nicht an der Oberfläche war. Im Laufe der Zeit hat es große Mengen an CO2 angereichert, welches durch den Aufquellprozess auf natürliche Weise wieder an die Oberfläche gelangt. Modellstudien zeigen, dass durch stärker werdende Westwinde, als Folge des Klimawandels und im Laufe der Zeit, immer mehr von diesem alten und CO2-reichen Tiefenwasser an die Oberfläche kommt, was die Kapazität des Südlichen Ozeans, menschengemachtes CO2 aufzunehmen, langfristig verringern würde. Entgegen der Prognosen von Klimamodellen, haben Beobachtungsdaten der vergangen Jahrzehnte allerdings keine Abschwächung der CO2-Senke gezeigt. Eine neue Studie des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), liefert nun eine Erklärung, warum der Südlichen Ozean trotz sich verstärkender Westwinden in den vergangen Jahrzehnten weiterhin als CO2-Senke agierte und damit den Klimawandel abbremsen konnte.

    „Das Tiefenwasser im Südlichen Ozean befindet sich normalerweise unterhalb von 200 Metern“, sagt Dr. Léa Olivier, AWI-Ozeanographin und Erstautorin der Studie. „Es ist salzhaltig, reich an Nährstoffen und relativ warm, verglichen mit Wasser nahe der Oberfläche.“ Das Tiefenwasser enthält eine große Menge gelöstes CO₂, das vor langer Zeit von der Oberfläche in die Tiefe gelangt ist. Im Gegensatz hierzu ist das oberflächennahe Wassersalzärmer, kälter und enthält weniger CO2. Solange die Dichteschichtung zwischen Tiefen- und Oberflächenwasser intakt ist, kann das CO2 aus den unteren Schichten nicht so leicht in die oberen gelangen.

    Salzarmes, kaltes Wasser hält kohlenstoffreiches Wasser unter Verschluss – Klimawandel bringt CO2 jedoch gefährlich nahe an die Oberfläche

    „Frühere Studien deuten darauf hin, dass der globale Klimawandel die Westwinde über dem Südlichen Ozean, und damit auch die Umwälzzirkulation, verstärken würde“, sagt Léa Olivier. „Das würde wiederum mehr kohlenstoffreiches Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche transportieren. In der Folge könnte die Fähigkeit des Südlichen Ozeans erheblich geschwächt werden, CO2 zu speichern.“ Obwohl die Verstärkung der Winde bereits beobachtet und in neueren Modellierungs- und Beobachtungsstudien auf den menschlich verursachten Klimawandel zurückgeführt wurde, gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Südliche Ozean weniger CO2 absorbiert – zumindest bisher.

    Langzeitbeobachtungen des AWI und anderer internationaler Forschungsinstitute zeigen nämlich, dass der Klimawandel die Eigenschaften der Oberflächen- und Tiefenwassermassen zu beeinflussen scheint. „In unserer Studie haben wir einen Datensatz genutzt, der aus biogeochemischen Daten vieler Schiffsexpeditionen im Südlichen Ozean von 1972 bis 2021 besteht. In diesem haben wir nach langfristigen Anomalien, Veränderungen in den Zirkulationsmustern und Eigenschaften von Wassermassen gesucht. Dabei haben wir nur Prozesse berücksichtigt, die mit dem Austausch zwischen den beiden Wassermassen, d.h. der Zirkulation und Durchmischung, zusammenhängen, und nicht mit z.B. biologischen Prozessen“, sagt Léa Olivier. „Wir konnten feststellen, dass sich die beiden Wassermassen seit den 1990er Jahren stärker voneinander unterscheiden.“ Das Oberflächenwasser des Südlichen Ozeans ist salzarmer geworden, weil durch Niederschläge und Schmelzwasser von Gletschern und Meereis verstärkt Süßwasser ins Meer eingetragen wurde. Diese „Auffrischung“ verstärkt die Dichteschichtung der beiden Wassermassen, wodurch CO2-reiches Tiefenwasser in der unteren Schicht eingeschlossen und daran gehindert wird, die Barriere zwischen den Wassermassen zu durchbrechen.

    „Unsere Studie zeigt, dass dieses aufgefrischte Oberflächenwasser die Schwächung der Kohlenstoffsenke im Südpolarmeer – wie sie in Modellsimulationen erwartet wurde – vorübergehend abgepuffert hat. Dies könnte sich jedoch wieder umkehren, wenn sich die Schichtung abschwächt“, fasst Léa Olivier zusammen. Das könnte tatsächlich passieren, denn durch die stärkeren Westwinde bewegte sich das Tiefenwasser immer weiter nach oben. Im Vergleich zu den 1990er Jahren hat sich seine Obergrenze um etwa 40 Meter in Richtung Oberfläche verschoben, wo das CO2-reiche Wasser zunehmend das salzarme Winterwasser ersetzt. Durch dieses Abflachen der Übergangsschicht zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser, ist die Schicht anfälliger für Durchmischung, die vor allem durch die stärker werdenden Westwinde erzwungen werden könnte. Eine solche Durchmischung würde das CO2, was sich unter der Oberflächenschicht angesammelt hat, freisetzen.

    Eine kürzlich veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass dieser Prozess bereits begonnen haben könnte. Die Folge wäre, dass mehr CO2-reiches Tiefenwasser an die Oberfläche kommen könnte, was wiederum die Aufnahme von anthropogenem CO2 im Südlichen Ozean verringern würde und den Klimawandel weiter antreiben würde. „Was mich am meisten überrascht hat war, dass wir die Antwort auf unsere Frage tatsächlich unter der Oberfläche gefunden haben. Wir dürfen uns nicht nur auf die Meeresoberfläche konzentrieren, weil wir sonst einen wichtigen Teil der Geschichte übersehen könnten,“ sagt Léa Olivier. „Um nachzuweisen, ob in den letzten Jahren mehr CO2 aus der Tiefe entwichen ist, brauchen wir weitere Messungen, vor allem in den Wintermonaten, wenn die Durchmischung der Wassermassen stattfindet“, erklärt Prof. Alexander Haumann, Koautor der Studie. „Das AWI plant, genau diese Prozesse in den kommenden Jahren im internationalen Antarctica InSync Programm unter die Lupe zu nehmen und den Einfluss des Klimawandels auf den Südlichen Ozean und mögliche Wechselwirkungen besser zu verstehen.“

    Originalpublikation:
    Léa Olivier, F. Alexander Haumann: Southern Ocean freshening stalls deep ocean CO2 release in a changing climate, Nature Climate Change (2025). DOI: 10.1038/s41558-025-02446-3

    Informationen für Redaktionen:

    Druckbare Bilder finden Sie in der Online-Version dieser Pressemitteilung unter https://www.awi.de/ueber-uns/service/presse.html

    Ansprechpersonen für die Medien

    Wissenschaft:
    Dr. Léa Olivier
    +49 (0) 471 4831-1832
    lea.olivier@awi.de

    Pressestelle:
    Sarah Werner
    +49 (0)471 4831-2008
    medien@awi.de


    Original publication:

    Léa Olivier, F. Alexander Haumann: Southern Ocean freshening stalls deep ocean CO2 release in a changing climate, Nature Climate Change (2025). DOI: 10.1038/s41558-025-02446-3


    Images

    Weddellmeer Antarktis
    Weddellmeer Antarktis
    Source: Mario Hoppmann
    Copyright: Alfred-Wegener-Institut / Mario Hoppmann


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Oceanology / climate
    transregional, national
    Research results
    German


     

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