Hafer gilt als besonders gesund: Er liefert Ballaststoffe, senkt den Cholesterinspiegel und ist glutenfrei. Doch bislang war das Erbgut von Hafer schwer zu durchschauen - vor allem, weil es besonders groß und komplex ist. Einem internationalen Forschungsteam unter Führung des IPK Leibniz-Institutes ist es nun nicht nur gelungen, ein Pangenom von Hafer zu erstellen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben auch untersucht, wie und wann die Gene in einzelnen Pflanzenteilen aktiv sind. In einer weiteren Studie ging ein Forschungsteam der Herkunft des Hafers auf den Grund. Die Ergebnisse wurden in den Fachzeitschriften „Nature“ und „Nature Communications“ veröffentlicht.
Für das Verständnis von Kulturpflanzen wie Hafer ist das sogenannte Pangenom von zentraler Bedeutung, da es die gesamte genetische Vielfalt abbildet. Es umfasst also nicht nur Gene, die in allen Pflanzen vorkommen, sondern auch solche, die nur in bestimmten Pflanzen vorhanden sind und ist somit eine Art Landkarte. Das Pantranskriptom wiederum zeigt, welche Gene in verschiedenen Geweben (wie Blätter, Wurzeln oder Samen) und zu unterschiedlichen Entwicklungsstadien aktiv sind und dient als Genexpressionsatlas. Ein Verständnis dafür zu gewinnen, wie genetische Unterschiede einzelne Pflanzenmerkmale beeinflussen, ist aber gerade im Fall von Hafer eine große Herausforderung. Das Erbgut ist sehr komplex, da Hafer als hexaploide Pflanze gleich sechs Chromosomensätze besitzt, die aus drei verschiedenen Untergenomen stammen.
Auf dem Weg zum Pangenom sequenzierte und analysierte das Team die Genome von 33 Haferlinien, darunter waren sowohl kultivierte Sorten als auch deren wilde Verwandte. Um das Pantranskriptom zu erstellen, wurden Genexpressionsmuster in sechs Geweben und Entwicklungsstadien von 23 dieser Haferlinien untersucht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen dafür modernste Sequenzierungstechnologien. Das Ziel war es, mögliche strukturelle Variationen zu ermitteln. Dabei ging es um Veränderungen in der Anordnung der Chromosomen wie Inversionen (d.h., Abschnitte, die gedreht sind) oder Translokationen (d.h., Abschnitte, die an eine andere Stelle verschoben wurden).
„Mit unserem Pangenom zeigen wir, wie groß die genetische Vielfalt im Hafer wirklich ist. Das hilft, besser zu verstehen, welche Gene für Ertrag, Anpassung und Gesundheit wichtig sind“, sagt Dr. Raz Avni, Erstautor der Studie. In seiner Arbeit stieß das Forschungsteam auch auf überraschende Details. „So haben wir gesehen, dass in einem der drei Subgenome viele Gene verloren gegangen sind. Die Pflanze bleibt aber leistungsfähig, da andere Genkopien offenbar die entsprechenden Aufgaben übernehmen.“
„Die Entschlüsselung des Hafer-Pangenoms zeigt, wie moderne Genomik nicht nur die Grundlagenforschung voranbringt, sondern auch direkte Auswirkungen auf Gesundheit, Landwirtschaft und Züchtung haben kann“, erläutert Dr. Martin Mascher, Leiter der Arbeitsgruppe „Domestikationsgenomik“ am IPK. Und er nennt gleich ein Beispiel. „Wir haben zudem festgestellt, dass die strukturelle Variation im Erbgut auch Gene betrifft, die für die Steuerung des Blütezeitpunktes verantwortlich sind“, sagt der IPK-Wissenschaftler, der auch Koordinator des internationalen PanOat-Konsortiums ist.
In einer weiteren Studie untersuchte ein internationales Forschungsteam, ebenfalls unter Beteiligung des IPK, die genetische Struktur von wildem und kultiviertem Hafer, vor allem der hexaploiden Avena-Arten. Weltweit gibt es rund 30 wilde und kultivierte Arten. Die Forscherinnen und Forscher analysierten nun rund 9.000 verschiedene Akzessionen. Ziel war es, Populationsstrukturen und Genomregionen zu identifizieren, die mit lokaler Anpassung in Verbindung stehen. Das Team nutzte für seine Studie das „Genotyping-by-sequencing“. Diese Methode ermöglicht es, genetische Variation in tausenden Proben umfassend zu charakterisieren.
„Unsere Studie hat gezeigt, dass die wilde Haferart Avena sterilis nicht nur eine, sondern vier unterschiedliche genetische Populationen besitzt, die teils an bestimmte Regionen im Mittelmeerraum und Nahen Osten gebunden sind“, erklärt Dr. Raz Avni, der auch in dieser Studie einer der Autoren ist. „Wir konnten zudem klar zwischen einer eigenständigen Population des kultivierten Hafers Avena byzantina und verschiedenen Populationen innerhalb der weit verbreiteten Art Avena sativa unterscheiden. Dies bestätigt frühere Hinweise, dass diese beiden kultivierten Hafertypen genetisch sehr verschieden sind“, erklärt Dr. Martin Mascher ein weiteres Ergebnis der Studie, die ebenfalls heute in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht worden ist.
Besonders spannend ist, dass einige Chromosomenbereiche, die mit der Anpassung des Hafers an seine Umgebung in Verbindung stehen, strukturelle Umordnungen aufweisen. Dabei werden entweder bestimmte Abschnitte auf dem Chromosom umgedreht (Inversion) oder aber an eine andere Stelle versetzt (Translokation). „Dies deutet darauf hin, dass die unterschiedliche Chromosomenstruktur eine wichtige Rolle bei der Entstehung mehrerer Haferlinien, ihrer Domestizierung und bei der Entstehung von ‚Fortpflanzungsbarrieren‘ gespielt haben könnte - also Hindernisse, die den Genaustausch zwischen Populationen erschweren“, erklärt der IPK-Wissenschaftler.
Dr. Martin Mascher
Tel.: +49 39482 5243
mascher@ipk-gatersleben.de
Avni et al. (2025): A pangenome and pantranscriptome of hexaploid oat. Nature.
DOI: 10.1038/s41586-025-09676-7
Bekele et al. (2025): Global genomic population structure of wild and cultivated oat reveals. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-025-57895-3
Reife Haferrispen
Source: Edyta Paczos-Grzęda
Copyright: University of Life Sciences, Lublin
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Environment / ecology, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results
German

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