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11/04/2025 11:00

Drei Jahre nach Ankunft in Deutschland: Etwas mehr als die Hälfte der Ukrainerinnen und Ukrainer ist erwerbstätig

Dr. Christian Fiedler Pressestelle
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)

    Die Erwerbstätigkeit schutzsuchender Ukrainerinnen und Ukrainer hat sich seit ihrer Ankunft in Deutschland deutlich erhöht. Bei den zwischen Februar und Mai 2022 angekommenen Ukrainerinnen und Ukrainern im Alter zwischen 20 und 64 Jahren lag die Erwerbstätigenquote im Frühsommer 2025 bei 51 % – von 50 % bei Frauen bis 57 % bei Männern. Während die Erwerbstätigenquote in den ersten beiden Jahren nach Ankunft in Deutschland noch vergleichsweise langsam gestiegen ist, hat sich der Übergang in Beschäftigung im dritten Jahr beschleunigt. Damit verlief die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt insgesamt schneller als bei Schutzsuchenden aus anderen Herkunftsstaaten.

    Dies hat nicht nur für den deutschen Arbeitsmarkt positive Folgen, sondern auch für die zugewanderten Menschen. „Die Erwerbstätigenquote der Schutzsuchenden aus der Ukraine hat sich von 16 % im Spätsommer 2022 bis zum Frühsommer 2025 mehr als verdreifacht. Vielen Ukrainerinnen und Ukrainern ist der Übergang in eine Beschäftigung nach ihrem Abschluss von Integrations- und Sprachkursen gelungen“, erklärt Studienleiter Dr. Andreas Ette. Gleichzeitig hat sich die Arbeitszufriedenheit der Schutzsuchenden in den letzten Jahren verbessert.

    Diese und weitere Ergebnisse hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in einer neuen Studie veröffentlicht, die sich mit der Lebenssituation der aus der Ukraine geflüchteten Menschen seit Ankunft bis zum Frühjahr 2025 befasst. Darin werden neben der Arbeitsmarktintegration weitere Aspekte wie die familiäre Entwicklung, die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen sowie Veränderungen in der Sozialstruktur bei den Zuzügen und Fortzügen der Schutzsuchenden analysiert. Der Bericht liefert eine umfassende Bilanz darüber, wie sich die Lebenssituation dieser Bevölkerungsgruppe entwickelt hat und zeigt vielfältige Erfolge bei der Integration der großen Zahl ukrainischer Schutzsuchender in Deutschland.

    Familienzusammenführung als Stabilitätsfaktor

    Wie aus den Analysen hervorgeht, sind Familienprozesse ein zentraler Faktor für Integration und Bleibeabsichten. Bei vielen der zunächst allein oder mit ihren Kindern geflüchteten Frauen sind zwischenzeitlich ihre Partner nach Deutschland nachgekommen. Diese Familienzusammenführung verschiebt den Lebensmittelpunkt nach Deutschland und stabilisiert die Lebenssituation. „Familien zeigen deutlich höhere langfristige Bleibeabsichten, wenn beide Eltern in Deutschland leben“, erklärt Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin des BiB und Mitautorin der Studie. Die Belastungen von Krieg, Flucht und Trennung führten bei 29 % der Frauen, die ohne ihren Partner in Deutschland Schutz gesucht haben, mittlerweile zum Ende der Beziehung.

    Trotz Belastungen: Fortschritte bei Kindern und Jugendlichen

    Wie aus den Daten weiter hervorgeht, haben ukrainische Kinder und Jugendliche in den ersten Jahren nach ihrer Ankunft große Fortschritte bei den Sprachkenntnissen gemacht. Fast die Hälfte der befragten Kinder und Jugendlichen verfügt nach eigenen Angaben über gute bis sehr gute Deutschkenntnisse, deutlich mehr als bei der Gruppe ihrer Eltern. Gleichzeitig berichten sie über ein vergleichsweise niedriges Schulzugehörigkeitsgefühl und höhere sozioemotionale Belastungen als ihre vergleichbaren Altersgruppen. Davon sind vor allem ältere Mädchen betroffen. „Bemerkenswert ist auch, dass der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit unsicheren Bleibeabsichten größer ist als bei den Eltern“, erläutert Spieß. Die Teilnahme an Freizeitaktivitäten und Freundschaften in Deutschland erhöhen bei ihnen jedoch das Gefühl der Schulzugehörigkeit. Dies verdeutlicht, wie wichtig auch außerschulische Aktivitäten für die selbst empfundene Zugehörigkeit sind.

    Gute Deutschkenntnisse und soziale Kontakte als Schlüssel zur Integration

    Generell sind Deutschkenntnisse ein zentraler Faktor der sozialen Integration, auch bei den Erwachsenen. Zusammen mit sozialen Kontakten zu Deutschen fördern sie das Gefühl, willkommen zu sein sowie die regionale Verbundenheit und Identifikation in Deutschland. „Der Besuch von Integrations- und Sprachkursen sowie weiterer Angebote der Sprachförderung ist mit weniger Einsamkeit und empfundener Isolation verbunden“, so Ette.

    Veränderungen in der Sozialstruktur durch Rückwanderung und weiteren Zuzug

    Die ukrainischen Schutzsuchenden in Deutschland sind im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung in der Ukraine eine hochqualifizierte Gruppe. Nach der ersten Zuzugswelle bis Mai 2022 sind jedoch Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland gekommen, die ein geringeres durchschnittliches Qualifikationsniveau haben als diejenigen, die direkt nach Beginn des Krieges angekommen sind. Die befragten Personen gaben außerdem Auskunft über ihre wirtschaftliche und berufliche Situation in den Monaten vor Kriegsbeginn. Auch hier zeigt sich, dass Ukrainerinnen und Ukrainer, die in den ersten Wochen und Monaten des Krieges in Deutschland Schutz gesucht haben, von einer besseren wirtschaftlichen und beruflichen Situation berichtet haben als diejenigen, die in den folgenden Jahren (2023/24) zugezogen sind. Zusätzlich trägt die selektive Rückwanderung von überdurchschnittlich qualifizierten Ukrainerinnen und Ukrainern zu einer Veränderung in der Sozialstruktur der Schutzsuchenden in Deutschland bei. Dennoch kann das nach wie vor hohe Qualifikationsniveau angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftebedarfs in Deutschland eine wichtige Ressource für den Arbeitsmarkt in Deutschland darstellen.

    Datengrundlage
    Die Befragung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung wurde erstmals im Sommer 2022 im Rahmen von „FReDA – Das familiendemografische Panel“ durchgeführt, um die Lebenssituation ukrainischer Schutzsuchender in Deutschland auf Grundlage repräsentativer Daten zu untersuchen. In den vergangenen drei Jahren wurden die immer gleichen Ukrainerinnen und Ukrainer in halbjährigen Abständen befragt. Zusätzlich erfolgte Ende des Jahres 2024 eine Auffrischungsstichprobe unter den auch seit Sommer 2022 nach Deutschland zugezogenen Ukrainerinnen und Ukrainern. Die letzte der mittlerweile sechs Befragungen, an der sich über 6.000 Schutzsuchende beteiligten, fand zwischen Mai und August 2025 statt. Auf Grundlage von mittlerweile mehr als 40.000 Interviews können mit dieser einzigartigen Datengrundlage detaillierte Aussagen über Integrationsverläufe, soziale Strukturen und Zukunftsperspektiven der Schutzsuchenden nach 3 Jahren in Deutschland getroffen werden.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. C. Katharina Spieß Direktorin@bib.bund.de
    Dr. Andreas Ette andreas.ette@bib.bund.de


    Original publication:

    Ette, Andreas; Rumpf, Karelis Olivo; Spieß, C. Katharina (Hrsg.): Schutzsuchende aus der Ukraine in Deutschland. Entwicklungen und Veränderungen von Sozialstruktur, Familie, Teilhabe und Rückkehr (=BiB.Bevölkerungsstudien)
    https://doi.org/10.12765/bro-2025-04


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    Entwicklung der Erwerbstätigkeit ukrainischer Schutzsuchender, die zwischen Februar und Mai 2022 nach Deutschland gekommen sind (nach Aufenthaltsdauer und Geschlecht in Prozent)
    Entwicklung der Erwerbstätigkeit ukrainischer Schutzsuchender, die zwischen Februar und Mai 2022 nac ...

    Copyright: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Economics / business administration, Nutrition / healthcare / nursing, Politics, Social studies, Teaching / education
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Entwicklung der Erwerbstätigkeit ukrainischer Schutzsuchender, die zwischen Februar und Mai 2022 nach Deutschland gekommen sind (nach Aufenthaltsdauer und Geschlecht in Prozent)


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