Das Bundesverfassungsgericht hat gestern die bisherige Triage-Gesetzgebung in Deutschland für verfassungswidrig erklärt. Den klagenden Intensiv- und Notfallmedizinern wird hierdurch vor allem eins bestätigt: der gesetzlich unzulässige Eingriff in die ärztliche Berufsfreiheit. „Unserer ärztlichen Therapiefreiheit und unserem Berufsethos wurden hiermit ganz entschieden der Rücken gestärkt“, betont Professor Uwe Janssens, Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und einer der klagenden Fachärzte. Es sei also nicht korrekt, dass sich die Urteilsbegründung rein auf die fehlende Bundeskompetenz stützt.
„Der Senat hebt hervor, dass im Rahmen ihrer therapeutischen Verantwortung sowohl das ,Ob‘ als auch das ,Wie‘ der Heilbehandlung vor fachlichen Weisungen geschützt sind“, so Janssens.
Ob Pandemie oder Bündnisfall – gekipptes Triage-Urteil ist wegweisend
Das Bundesverfassungsgericht und die DIVI sind sich damit einig: Nur wenn die Therapiefreiheit und fachliche Autonomie von Ärztinnen und Ärzten erhalten bleiben, gelingt verantwortliche und gerechte Zuteilung in medizinischen Extremsituationen. „Das gestrige Urteil ist für uns Intensiv- und Notfallmediziner auch dahingehend so wichtig“, erklärt DIVI-Präsident Prof. Florian Hoffmann, „weil die Extremsituation einer Pandemie auch auf einen möglichen Bündnisfall mit zahlreichen Schwerverletzten übertragen werden kann.“
Die vorherigen umstrittenen gesetzlichen Vorgaben hätten das individuelle ärztliche Urteil und das ethisch-medizinische Verantwortungsbewusstsein für Patientinnen und Patienten untergraben – etwa durch das generelle Verbot der Ex-post-Triage, nicht praxistaugliche Verfahrenspflichten und eine Verengung komplexer Prognosen auf kurzfristige Kriterien. „Ziel einer solchen Gesetzgebung muss es sein, in einer Triage-Situation möglichst viele Menschenleben zu retten und dabei alle relevanten medizinischen Prognosefaktoren verantwortungsvoll in die ärztlich-ethische Entscheidungsfindung einzubeziehen.“
Kein Flickenteppich! DIVI fordert ländereinheitliches Vorgehen
Denn die Frage, nach welchen Kriterien knappe Intensivbetten im Falle einer Überlastung der Strukturen vergeben werden sollten, hat die DIVI bereits beantwortet: „Es existiert eine ärztliche Leitlinie, die während der Corona-Pandemie Anfang 2021 fertiggestellt wurde“, erklärt Generalsekretär Janssens. „Im Licht des neuen verfassungsgerichtlichen Rahmens und zur Unterstützung rechtskräftiger medizinisch-ethischer Empfehlungen werden wir unsere Empfehlungen jetzt umgehend prüfen und zügig überarbeiten.“
So sieht die DIVI mit der Zuweisung der Gesetzgebungskompetenz an die Länder eine große neue Herausforderung: Deutschland darf nicht zum Flickenteppich aus 16 unterschiedlichen Triage-Regelungen werden. „Patientenversorgung und Rechtssicherheit dürfen auf gar keinen Fall vom Wohnort abhängen“, unterstreicht DIVI-Präsident Hoffmann.
Gerechtigkeit, Transparenz und Rechtssicherheit muss bundesweit gewährleistet sein!
Um zügig einen bundesweiten Konsens zu erarbeiten – wie ihn gestern bereits Bundesgesundheitsministerin Nina Warken angekündigt hat –, steht die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin sehr gerne unterstützend zur Seite.
Bund, Länder und Fachgesellschaften können in einer konstruktiven und raschen Zusammenarbeit einheitliche Standards schaffen und damit gemeinsam Verantwortung übernehmen. „Ziel bleibt und muss immer sein, eine praxistaugliche, verfassungskonforme und an medizinischen Realitäten orientierte Grundlage zu schaffen, die Gerechtigkeit, Transparenz und Rechtssicherheit bundesweit gewährleistet“, fasst es Prof. Uwe Janssens zusammen.
https://www.divi.de/pressemeldungen/pm-bundesverfassungsgericht-bestaetigt-ausdr...
DIVI-Generalsekretär Prof. Uwe Janssens und DIVI-Präsident Prof. Florian Hoffmann
Copyright: DIVI
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine, Politics, Social studies
transregional, national
Science policy
German

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