Forschende der Abteilung Molekülphysik am Fritz-Haber-Institut päsentieren die erste magneto-optische Falle für ein stabiles „closed-shell“ Molekül: Aluminium‑Monofluorid (AlF). Sie konnten AlF mithilfe von Lasern kühlen und in drei verschiedenen Rotationszuständen einfangen – ein Meilenstein in der Physik ultrakalter Materie. Ihre Experimente ermöglichen Neuerungen in der Präzisionsspektroskopie und Quantensimulation mit AlF.
Die wichtigsten Aspekte:
• Erweiterung des experimentell Möglichen: Aluminiumfluorid (AlF) ist das erste stabile Molekül mit abgeschlossener Elektronenschale („closed-shell“), das je in einer magneto-optischen Falle erzeugt und auf eine Temperatur von wenigen Millikelvin gekühlt wurde. Die chemische Bindung des AlF-Moleküls ist außergewöhnlich stark und sein elektronischer Grundzustand ist ein „Spin-Singulett“, was AlF chemisch unreaktiv macht.
• Zugang zur Physik eines Spin-Singulett Moleküls: Dank seiner besonderen elektronischen Struktur lässt sich AlF mithilfe von Laserkühlung sogar in verschiedenen Rotationsquantenzuständen stabilisieren. Dem FHI-Team gelang es, AlF selektiv in drei Rotationsquantenzuständen einzufangen – was in Laserkühlungsexperimenten bisher noch nie erreicht wurde.
• Experimenteller Rekord: Mit Laserlicht von 227,5 nm stellt das Team einen Rekord für die bislang kürzeste in einer magneto-optischen Falle verwendete Wellenlänge auf. Für die Realisierung der Falle sind vier Laser nötig – sie setzt somit neue Maßstäbe in der Lasertechnik des tiefen Ultraviolett.
Ultrakalte Physik: Ein Zugang zur Quantenmechanik
Das Abkühlen von Materie auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (0 K, −273,15 °C) wirkt wie ein Mikroskop für quantenmechanisches Verhalten: Es rückt die Quantenphysik, auf die der Blick normalerweise getrübt ist, scharf in den Fokus. Klassische Beispiele hierfür sind die Entdeckung der Supraleitung in auf etwa 4 K abgekühltem Quecksilber sowie das anomale thermische Verhalten von Wasserstoffmolekülen aufgrund ihrer Ortho- und Para-Spin-Zustände. Diese Phänomene stellten die klassische Physik infrage und trieben sowohl die Entwicklung der Quantenmechanik als auch die Bemühungen voran, immer niedrigere Temperaturen zu erreichen.
Die Erfindung des Lasers führte zur Idee, Kühlung durch die Wechselwirkung von Materie mit Licht realisieren ließe. Der Effekt eines einzelnen Lichtteilchens (eines „Photons“) ist zwar winzig, doch durch die Wirkung von tausenden von Lichtteilchen wird Laserkühlung äußerst effektiv: Temperaturen von nur einem Tausendstel bis zu einem Millionstel Grad über 0 Kelvin erreicht werden (10-3–10-6 K). Dieser Bereich wird typischerweise als das ultrakalte Regime bezeichnet.
Die Magneto-Optische Falle
Seit fast 40 Jahren lassen sich ultrakalte neutrale Atome in „magneto-optischen Fallen“ präparieren. Dabei werden mehrere Laserstrahlen mit einem passend gewählten Magnetfeld kombiniert, um die Teilchen einzufangen und auf etwa ein Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt zu kühlen. Diese Methode hat unter anderem optische Atomuhren, Prototypen atombasierter Quantencomputer und -simulatoren ermöglicht und zur Beobachtung neuer Materiephasen geführt.
Vor etwas mehr als zehn Jahren gelang es Forschenden erstmals, mit Lasern ein Molekül zu kühlen und zu fangen: ein zweiatomiges Molekül, also die einfachste chemische Verbindung überhaupt, die jedoch bereits eine wesentlich kompliziertere Energiestruktur als ein Atom hat. Obwohl das Bestreben groß ist, Moleküle in den ultrakalten Bereich zu bringen, macht ihre Komplexität die Umsetzung schwierig. Bislang konnten nur einige wenige sehr reaktive Moleküle mit ungepaarten Elektronen („Spin-Dublett“-Spezies) in magneto-optische Fallen gefangen werden.
Chemisch stabile Moleküle einzufangen ist eine Herausforderung
In ihrer aktuellen Studie stellt das Forschungsteam der Abteilung für Molekülphysik Experimente vor, die die Physik mit ultrakalten Molekülen revolutionieren könnten: Sie präsentieren die erste magneto-optische Falle für ein „Spin-Singulett“-Molekül, Aluminium-Monofluorid (AlF). AlF hat eine äußerst starke chemische Bindung, die es in Kombination mit weiteren Eigenschaften im Vergleich zu allen anderen lasergekühlten Molekülen chemisch unreaktiv macht. Daher lässt es sich im Labor leichter und mit hoher Effizienz herstellen und geht in ultrakalten Experimenten seltener durch chemische Reaktionen verloren.
Aber warum kommt dieser bahnbrechende Schritt erst jetzt? Stabile Moleküle, deren Dissoziation viel Energie kostet, weisen typischerweise sehr große Abstände zwischen ihren elektronischen Zuständen auf. Dadurch verschieben sich die für die Kühlung benötigten Laserwellenlängen immer weiter ins Ultraviolett, was die Experimente sehr herausfordernd macht. Für die Kühlung von AlF waren vier Lasersysteme nötig, jedes mit einer Wellenlänge nahe 227,5 nm. Das liegt weit im Bereich des tiefen Ultraviolett (deep UV) und ist die bisher kürzeste Wellenlänge, die jemals zum Einfangen eines Atoms oder Moleküls verwendet wurde. Somit musste neue Laser- und Optiktechnologie entwickelt werden, was eine enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und Wissenschaft erforderte.
Ausschlaggebend ist die Konfiguration der Elektronen
Es ist aber nicht nur die chemische Stabilität, die AlF so interessant für Quantenexperimente macht. Dazu kommt, dass AlF in mehreren Rotationszuständen gefangen werden kann. Durch Abstimmung der Laserwellenlängen in der Falle gelang es dem FHI-Team, zwischen den drei niedrigsten Rotationszuständen von AlF zu „wechseln“. Die Forschenden gehen davon aus, dass durch Anpassungen des Experiments sogar höhere Rotationszustände zugänglich warden. Dadurch unterscheidet AlF sich von den bislang lasergekühlten Molekülen: Bei diesen wurde jeweils nur ein Rotationszustand gekühlt, und eine Erweiterung auf andere Rotationszustände ist wesentlich anspruchsvoller.
„Unser Traum wäre es, AlF in einer kompakten, kostengünstigen Quelle herzustellen und einzufangen – ähnlich wie es bei den Alkaliatomen schon gemacht wird“, sagt Sid Wright, der 2020 zum AlF Projekt kam und derzeit das FHI Team leitet. „In ersten Experimenten haben wir gesehen, dass AlF Kollisionen mit den Wänden der Vakuumkammer bei Raumtemperatur übersteht – es thermalisiert sogar –, was äußerst vielversprechend ist.“
Ein langer Weg im Labor führt zu vielversprechenden Ergebnissen
Um diesen Meilenstein zu erreichen, brauchte es fast acht Jahre harter Arbeit im Labor: Zunächst eine detaillierte Untersuchung der spektroskopischen Eigenschaften von AlF, gefolgt von der Entwicklung und Erprobung von neuer UV-Lasertechnologie und schließlich dem magneto-optischen Einfangen selbst. „Das war eine enorme Teamleistung, und unsere Ergebnisse sind in vielerlei Hinsicht der grißartigen Forschungsumgebung, der technischen Unterstützung und den Ressourcen der Abteilung Molekularphysik zu verdanken“, sagt Eduardo Padilla, der leitende Doktorand des Projekts.
Die aktuellen Ergebnisse erweitern die Möglichkeiten der Physik ultrakalter Moleküle. Lasergekühltes AlF könnte neue Präzisionsmessungen und die Quantenkontrolle von Molekülen ermöglichen. Eine Besonderheit von Alf ist auch die Existenz eines langlebigen, metastabilen elektronischen Zustands, in dem die Spins der Elektronen ein Spin-Triplet bilden. Dieser Zustand ist vom Grundzustand aus über einen zusätzlichen Übergang im UV-Bereich erreichbar und bietet damit den Zugang zu noch niedrigeren Temperaturen.
Die hier beschriebene Forschung wurde teilweise durch das Horizon Project UVQuanT und den ERC Starting Grant CoMoFun finanziert (Projektverantwortlicher: Stefan Truppe, Gruppenleiter am FHI 2017 - 2022).
Dr. Sidney Wright, sidwright@fhi-berlin.mpg.de
https://journals.aps.org/prl/accepted/10.1103/ksnd-9fyf
https://arxiv.org/pdf/2506.02266
Der experimentelle Aufbau: Magneto-optische Falle zur Läserkühlung von Aluminum Monofluorid (AlF)
Copyright: FHI
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Chemistry, Materials sciences, Physics / astronomy
transregional, national
Research projects, Research results
German

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