Einige Fledermausarten suchen tagsüber Unterschlupf in Dachstühlen großer, zumeist historischer Gebäude innerhalb menschlicher Siedlungen, obwohl sie in der Nacht im dunklen Umland nach Insekten jagen. Dies erfordert tägliches Pendeln zwischen teils hell erleuchtetem Siedlungsbereich und dunklem Jagdlebensraum. Ein Team am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) wies nach, dass Große Mausohren (Myotis myotis) – die größten heimischen Fledermäuse – beim Pendeln durch Siedlungsgebiete bevorzugt wenig ausgeleuchtete Bereiche nutzen.
Das Team plädiert in der Fachzeitschrift „Science of the Total Environment“ für den Erhalt und Ausbau von dunklen Korridoren in Siedlungen zum Schutz nachtaktiver Tiere. Die Forschenden um Erstautor Dr. Daniel Lewanzik und Projektleiter Prof. Christian Voigt vom Leibniz-IZW statteten Große Mausohren in drei Ortschaften in Baden-Württemberg und Thüringen mit miniaturisierten, hochauflösenden GPS-Empfängern aus. Nach wenigen Tagen nahmen sie die Empfänger wieder ab und analysierten die täglichen Routen der Fledermäuse beim Pendeln zwischen Tagesquartieren und Jagdgebieten. Insgesamt 38 Pendelrouten konnten die Forschenden rekonstruieren und mit Umweltvariablen – beispielsweise der Anzahl von Straßenlaternen und der Art ihres Lichts, der Vegetation, der Versiegelung und der Nähe zu Gewässern – in Zusammenhang setzen. „Unsere Analysen zeigen, dass die Fledermäuse keine zufällige Route durch das Siedlungsgebiet wählten, sondern dunkle Bereiche in möglichst großer Distanz zu Straßenlaternen nutzten“, erklärt Lewanzik, der mittlerweile Mitarbeiter am Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist. Dieses Meidungsverhalten gegenüber Straßenlaternen zeigten die Fledermäuse an allen drei untersuchten Standorten.
Landschaft und Vegetation beeinflussen Flugverhalten
Die Analysen zur Wechselwirkung der Bewegungen mit Landschaftsmerkmalen ergaben weitere Hinweise zum Flug des Großen Mausohrs durch das Siedlungsgebiet: In allen drei Untersuchungsgebieten flogen die Fledermäuse häufig entlang von Vegetation an Gewässern. „Dabei suchten sie vermutlich nicht direkt die Nähe zum Wasser, sondern nutzten die Flüsse und Bäche vielmehr als natürliche Dunkel-Korridore“, erklärt Lewanzik. In den beiden größeren Siedlungen zeigte sich zudem, dass die Fledermäuse unversiegelte Bereiche bevorzugten; Bereiche mit mehr als 50 Prozent Versiegelungsgrad wurden kaum noch überflogen. „Eine enge Bebauung sowie eine starke Ausleuchtung von Straßen, Gehwegen und selbst Grünanlagen lässt den Großen Mausohren nur noch schmale Korridore für die Pendelflüge zwischen Quartieren und Jagdlebensräumen“, fasst Voigt zusammen.
Dass diese Fledermausart sich dennoch regelmäßig in Gebäuden, teilweise sogar im Zentrum einer Siedlung ihr Tagesquartier sucht, hat historische Ursachen: Lokale Mausohrkolonien entwickeln über Jahrzehnte hinweg eine hohe Treue gegenüber ihren Quartieren, mitunter nutzen sie über viele Generationen – teilweise jahrhundertelang – die Dachstühle alter Kirchen oder Schlösser. Der Ausbau der Straßenbeleuchtung hat jedoch erst im letzten Jahrhundert in den Siedlungen stark zugenommen. An den Ortsrändern sind zudem in den vergangenen 50 Jahren neue Siedlungen entstanden. Dadurch hat auch die Lichtverschmutzung weiter zugenommen.
Empfehlungen für die Stadt- und Regionalplanung
Die fortschreitende Urbanisierung ist für viele Wildtiere einschließlich der lichtempfindlichen Fledermäuse eine Herausforderung. Sollten Dunkelkorridore zunehmend heller erleuchtet werden, könnten die siedlungsgebunden Fledermäuse gezwungen sein, ihre Kolonien aufzugeben, so das Autorenteam. Einen Ersatz hierfür gibt es jedoch nicht notwendigerweise. Gleiches könnte passieren, wenn Städte wachsen, aber Dunkelkorridore dabei nicht mitgedacht werden. In der Stadt- und Regionalplanung sei daher darauf zu achten, dass dunkle Grünkorridore, die naturbelassene Gebiete verbinden, erhalten oder sogar ausgebaut werden. Künstliches Licht, insbesondere in Grün- und Parkanlagen, aber auch darüber hinaus, sollte auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden. Auf diese Weise könne der negative Einfluss der Urbanisierung auf die Artenvielfalt abgemildert werden.
Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) unter dem Förderkennzeichen 01|O2104A gefördert.
Prof. Dr. Christian Voigt
Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
Telefon: +49(0)30 5168 511
E-Mail: voigt@izw-berlin.de
Dr. Daniel Lewanzik
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesamt für Naturschutz (BfN)
E-Mail: daniel.lewanzik@bfn.de
Lewanzik D, Melber M, Scholz C, Schüll I, Zebele M, Brandt M, Schumann A, Düsing K, van den Bogaert V, Greving H, Thomas J, Hensle E, Voigt CC (2025): Urban sprawl and light pollution disrupt commuting corridors of urban-roosting bats. Science of the Total Environment 1008, 181019. DOI: 10.1016/j.scitotenv.2025.181019
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Environment / ecology, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results
German

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