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11/27/2025 20:00

Wenn Quantengase sich nicht an die Regeln halten

Dr. Florian Aigner PR und Marketing
Technische Universität Wien

    An der TU Wien wurde ein eindimensionaler „Quanten-Draht“ aus einem Gas ultrakalter Atome erzeugt, in dem Masse und Energie ohne Reibung und ohne Verluste transportiert werden.

    In physikalischen Systemen gibt es viele verschiedene Arten von Transport: elektrischer Strom durch einen Draht, Wärme durch ein Metall oder Wasser durch ein Rohr. All diese Ströme lassen sich dadurch beschreiben, wie leicht sich eine bestimmte Größe – Ladung, Energie oder Masse – durch ein Material bewegt. Normalerweise führen Kollisionen und Reibung zu Widerstand: Ströme verlangsamen sich oder klingen mit der Zeit ab. In einem neuen Experiment an der TU Wien wurde nun jedoch ein System beobachtet, in dem genau das nicht passiert.

    Indem man tausende Rubidium-Atome mithilfe magnetischer und optischer Felder so einsperrt, dass sie sich nur entlang einer einzigen Linie bewegen können, gelang es, ein ultrakaltes Quantengas zu erzeugen, in dem Energie und Masse mit perfekter Effizienz transportiert werden. Die Ergebnisse, die nun im Fachjournal Science publiziert wurden, zeigen: Selbst nach unzähligen Kollisionen bleibt der Fluss stabil und ungemindert – ein Transportverhalten, das den Regeln gewöhnlicher Materie zu widersprechen scheint.

    Zwei Sorten von Transport

    „Prinzipiell gibt es zwei sehr unterschiedliche Formen von Transportphänomenen“, sagt Frederik Møller vom Atominstitut der TU Wien. „Von ballistischem Transport spricht man, wenn sich Teilchen frei bewegen und in doppelter Zeit die doppelte Distanz zurücklegen – wie eine Pistolenkugel, die sich entlang einer geraden Linie bewegt.“

    Daneben gibt es diffusiven Transport, der durch viele zufällige Kollisionen entsteht. Wärmeleitung ist so ein diffussiver Prozess: Treffen einige heiße Teilchen auf kühlere, dann teilen sie nach und nach Energie und Impuls, bis im Mittel alle dieselbe Temperatur haben. „Diese Art von Transport ist nicht linear“, sagt Møller. „Um die doppelte Distanz zurückzulegen, braucht man in diesem Fall typischerweise die vierfache Zeit.“

    Im Experiment an der TU Wien verhielten sich die Atome jedoch ganz anders. „Indem wir den Atomstrom untersucht haben, konnten wir sehen, dass Diffusion praktisch vollständig unterdrückt ist“, sagt Møller. „Das Gas verhält sich wie ein perfekter Leiter: Obwohl unzählige Kollisionen zwischen den Atomen stattfinden, können Größen wie Masse und Energie frei fließen, ohne im System dissipiert zu werden.“

    Wie ein Kugelstoßpendel

    Dieses ungewöhnliche Verhalten lässt sich mit einem Kugelstoßpendel vergleichen – dem bekannten Schreibtischspielzeug, bei dem eine Reihe von Metallkugeln nebeneinander aufgehängt ist. Zieht man eine Kugel aus und lässt sie los, überträgt sie ihren Impuls direkt durch die anderen hindurch auf die Kugel am gegenüberliegenden Ende, die ausschwingt, als wäre sie direkt angestoßen worden.

    „Die Atome in unserem System können ebenfalls nur entlang einer einzigen Richtung zusammenstoßen“, erklärt Møller. „Ihre Impulse werden nicht gestreut, sondern einfach zwischen den Kollisionspartnern ausgetauscht. Der Impuls jedes einzelnen Atoms bleibt erhalten – er kann nur weitergegeben werden, niemals verloren gehen.“

    Ganz ähnlich wie im Kugelstoßpendel kann sich Bewegung in diesem atomaren Draht ohne Dämpfung fortpflanzen. Impuls und Energie können das Gas über große Distanzen durchqueren, anstatt – wie in normaler Materie – zu verschwinden und sich auf viele Teilchen zu verteilen. „Diese Ergebnisse zeigen, warum eine solche Atomwolke nicht thermalisiert – warum sie ihre Energie nicht nach den üblichen Gesetzen der Thermodynamik verteilt“, sagt Møller. „Transportphänomene unter derart perfekt kontrollierten Bedingungen zu studieren, könnte neue Wege eröffnen, um auf Quantenebene zu verstehen, wie Widerstand entsteht – oder verschwindet.“


    Contact for scientific information:

    Prof. Jörg Schmiedmayer
    Atominstitut, Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ)
    Technische Universität Wien
    +43-1-58801-141801
    schmiedmayer@atomchip.org

    Aussender:
    Dr. Florian Aigner
    Kommunikation
    Technische Universität Wien
    +43 664 60588 4127
    florian.aigner@tuwien.ac.at


    Original publication:

    F. Moller et al., Characterising transport in a quantum gas by measuring Drude weights, Science (2025) doi.org/ 10.1126/science.ads8327


    Images

    Frederik Møller, Philipp Schüttelkopf und Jörg Schmiedmayer
    Frederik Møller, Philipp Schüttelkopf und Jörg Schmiedmayer
    Source: TU Wien
    Copyright: TU Wien


    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Frederik Møller, Philipp Schüttelkopf und Jörg Schmiedmayer


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