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12/02/2025 10:40

KI schreibt Hausarbeit in wenigen Minuten? Hochschulen der Region diskutieren die Auswirkungen der LLMs auf das Studium

Dr. Lars Kruse Ressort Hochschulkommunikation
Hochschule Bielefeld

    Wie haben ChatGPT und Co. das Studium verändert – und wie wird es weitergehen? Die „Digital Learning Konferenz“ der HSBI, die „BI.teach“ der Universität Bielefeld und die morgen startende „ICM“ an der Hochschule Osnabrück beschäftigen sich intensiv mit diesen Fragen. Prof. Dr. Jörn Loviscach, Professor für Ingenieurmathematik und technische Informatik an der Hochschule Bielefeld, hält auf der „ICM“ die Keynote. Im Vorwege des zweitägigen Treffens hat er mit zwei seiner Studierenden diskutiert, welche Chancen und Risiken die großen Sprachmodelle für das Lernen und Lehren an Hochschulen bereithalten.

    Bielefeld (hsbi). „Beyond the Prompt“ lautete der Titel der „Digital Learning Konferenz“, die jüngst an der Hochschule Bielefeld (HSBI) zum 10. Mal stattfand. Auch die „BI.teach“ an der Universität Bielefeld beschäftigte sich wenige Tage später mit den Auswirkungen von Tools Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Lehre: Die Veranstalter fragten, ob „Prüfungen und Studienleistungen in ihrer heutigen Form noch zeitgemäß sind“? Und die Tagung der an diesem Mittwoch an der Hochschule Osnabrück startenden „Inverted Classroom and beyond“ – kurz: ICM – steht ebenfalls ganz im Zeichen des Wandels durch die Large Language Models (LLMs). In seiner Keynote für die ICM problematisiert Prof. Dr. Jörn Loviscach von der HSBI, dass generative KIs „für Studierende heute genau jene Aufgaben lösen, deren eigenständige Bewältigung im Studium eigentlich der Übung, Vertiefung und Zusammenarbeit dienen sollen“. Kurz: Das Thema ist brandaktuell und hat, so Loviscach, das Lehren und Lernen an den Hochschulen nicht nur in der Region längst „durcheinandergewirbelt“.

    Müssen mündliche Prüfungen und Kolloquien einen viel höheren Stellenwert erhalten?

    Nico Sommer studiert an der HSBI den Bachelor Regenerative Energien und steht kurz vor seinem Abschluss. Er bestätigt, dass Studierende heute nur noch in Ausnahmefällen eine Hausarbeit, ein Referat oder eine Präsentation ohne KI verfassen. „Die großen Sprachmodelle korrigieren und verbessern das geschriebene Wort, können Zusammenfassungen liefern und produzieren Illustrationen und Bilder ohne Urheberrechtsprobleme – und das alles in extrem hoher Geschwindigkeit.“ Damit nicht genug – Googeln war gestern: Für viele Fragen ist die Antwort nur noch ein Prompt entfernt: STRG-C plus STRG-V – so entstehen im Handumdrehen Hausarbeiten, an denen Studierende früher mehrere Wochen saßen.

    Ist es deshalb sinnvoll, sich von einem ganzen Blumenstrauß an (Haus-)Aufgaben zu trennen? „Tatsächlich kenne ich Kollegen, die mittlerweile auf bestimmte Aufgaben als Prüfungsvorleistungen verzichten, weil sie sowieso nur noch KI-generierte Lösungen vorgelegt bekommen. Dafür ist ihnen ihre Zeit zu schade“, berichtet Prof. Loviscach. „Vielleicht muss man bei solchen Arbeiten künftig eher die Virtuosität und Kreativität beim Einsatz von KI mitbenoten“, überlegt der Professor. Das hieße, die Ansprüche bei schriftlichen Arbeiten hochzuschrauben, also die KI-Nutzung „quasi einzupreisen“, wie der Studierende Sommer es nennt. „Eine andere Möglichkeit ist es, mündlichen Prüfungen und Kolloquien einen viel höheren Stellenwert einzuräumen.“

    Die großen Sprachmodelle sind auch in den Ingenieurwissenschaften gut einsetzbar

    Doch warum nutzen viele Studierende KIs, wo sie doch wissen müssen, dass ChatGPT ihnen zwar kurzerhand Texte liefert, sie damit aber noch lange nicht auf eine mündliche Prüfung vorbereitet sind? „Viele Studierende stehen im Studium unter Druck“, erläutert die Studierende Kristiana Zoitsa, die wie Nico Sommer im Bachelor Regenerative Energien an der HSBI studiert. „Da geht es um anstehende Prüfungen, um die Einhaltung der Regelstudienzeit, um Finanzierung des Studiums. Ich kann verstehen, dass man sich das Leben gern einfacher machen will durch den schnellen Einsatz von KI, denn selbst in den ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen können ChatGPT und das chinesische DeepSeek mittlerweile eine Vielzahl von technischen Aufgaben lösen, und die Modelle werden immer performanter. Es ist halt fraglich, wie viel tatsächlich noch gelernt wird.“

    Tatsächlich sind die großen Sprachmodelle ChatGPT, Gemini, Claude oder Elon Musks Grok längst so weit, dass sie auch in den Ingenieurwissenschaften gut einsetzbar sind. Zoitsa geht dennoch davon aus, dass Schreiben, Programmieren und Analysieren später im Berufsleben von ihr erwartet wird: „Wie soll ich mich mit Kollegen und Kunden vernünftig austauschen, wenn ich mich nicht professionell ausdrücken kann, weil ich einen Sachverhalt nicht verstanden habe? Ich vermute, man kann sich dann nicht mit KI durchmogeln.“ Sommer pflichtet ihr bei: „Wer seine Berechnungen aus der KI holt, weiß noch lange nicht, welche Parameter was beeinflusst haben und warum beispielsweise eine bestimmte Funktion eingesetzt wird. Ich erwarte von einem Ingenieur, dass er aussagefähig ist, wenn Kunden nachfragen. Mit der Antwort ,Das sagt das Programm halt‘, wird man kein Ingenieursgehalt rechtfertigen können.“

    KIs nutzen, um besser zu verstehen vs. die Maschine die Arbeit machen lassen – und nichts lernen

    Im Grunde sei heute ein tatsächliches Verständnis der Materie auch für eine zielführende Bedienung von KI unverzichtbar, ist Kristiana Zoitsa überzeugt. Prof. Loviscach bestätigt die Auffassung: „Die einen nutzen KI, um noch besser zu lernen und ein tieferes Verständnis zu gewinnen, die anderen lassen lediglich Aufgaben von der Maschine lösen, entwickeln aber kein echtes Verständnis. Die LLMs legen eines schonungslos offen: Die persönliche Einstellung ist eine wesentliche Voraussetzung zum Lernen.“

    Der Professor für das Lehrgebiet Ingenieurmathematik und Technische Informatik beschäftigt sich nicht nur mit dem „neuen Lernen“ der Studierenden. Er experimentiert auch mit den großen KI-Tools für das Lehren: „Schon vor einiger Zeit habe ich aufgehört, Lernvideos zu drehen“, erzählt Loviscach. „Es war absehbar, dass ich hier von der KI überrundet werde. In diesem Wintersemester habe ich den Studierenden dann erstmals flächendeckend Skripte, Podcasts, Lernvideos und Verständnisfragen aus der Retorte angeboten. Die Ergebnisse waren, technisch gesehen ziemlich gut, didaktisch dagegen gab es noch Luft nach oben.“

    So können KIs schon heute moderne Lehre befruchten

    Für das Modul Ingenieurmathematik 1 ließ der Professor Gemini ans Werk gehen: Was das System ausspuckte, lief noch einmal durch das leistungsstarke Textsatzsystem TeX, mit dem man auch komplexe Formeln darstellen kann. Dann korrigierte Loviscach handschriftlich das ein oder andere und zeigte sich ziemlich zufrieden: „Nur alle fünf Seiten war mal ein Fehler drin.“ Auch die Skripte für die Module „Regenerative Energiewirtschaft“ und „Cyber-physische Systeme“ ließ Loviscach von einem LLM erstellen. Hier kam Claude zum Einsatz. Sein Resümee: „20 Stichwörter rein, 15 Seiten Text kommen raus – und trotzdem kaum Gelaber. Die fachlichen Fehler lassen sich an einer Hand abzählen.“ Er hat die Skripte für die Studierenden dann editiert und kommentiert und sie als weiterverarbeitbares Worddok zur Verfügung gestellt. Nur mit der Quellenarbeit war er nicht zufrieden: „Da wird nur das geliefert, was man auch beim Googeln auf Anhieb findet. Also habe ich handverlesene Quellen geliefert.“

    Auf die Frage, ob er jetzt auf halbe Stelle geht, weil die Vorbereitung der Lehre ihn ja nicht mehr so stark beansprucht, winkt der Professor ab: „Zurzeit nutze ich die Entlastung, die mir KI in der Lehre bereits verschafft, dafür, die Fachinhalte und die Aufgaben besser zu machen, als sie bisher ohne KI jemals waren.“ Darüber hinaus seien „Umbauarbeiten“ angesagt. Loviscach: „Wir müssen im Auge behalten, dass sich die Berufsbilder im Wirtschaftsleben durch KI noch radikaler ändern werden als an der Hochschule. Das wird auch unsere Curricula und Studienziele durcheinanderwirbeln: Wer muss künftig noch Photovoltaikanlagen oder Windparks händisch planen, wenn eine KI das in Sekundenschnelle ausspuckt? Solche Entwicklungen müssen extreme Konsequenzen für Studium und Lehre haben. Welche das sind – das herauszuarbeiten, daran arbeiten wir.“

    Nico Sommer findet, dass das „Abprüfen und Aussieben“ integraler Bestandteil der Hochschullehre bleiben muss, um die Qualität der Abschlüsse weiterhin sicherzustellen. „Wenn ich zu einem Arzt gehe, will ich ja auch einen Experten seines Fachs vor mir haben und keinen, der sich mit KI seinen Abschluss zusammengepromptet hat.“ Jörn Loviscach zog auf der ICM-Konferenz ein vorsichtiges Zwischenresümee: „Die KI kann zur persönlichen Tutorin werden, die beim Lernen unterstützt, aber sie kann auch eine bloße Ghostwriterin sein, mit der man Lernen vermeidet.“ Bei vielen Studierenden von heute kommen vermutlich beide Phänomene zum Vorschein. Das hat die künftige Konzeption von Lehre zu berücksichtigen.


    More information:

    https://www.hsbi.de/presse/pressemitteilungen/die-ki-schreibt-die-hausarbeit-in-... Pressemitteilung auf www.hsbi.de


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Information technology, Teaching / education
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Studies and teaching
    German


     

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