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12/08/2025 09:27

Wie fair ist Künstliche Intelligenz?

Katharina Vorwerk Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

    Soziologin Justyna Stypińska untersucht an der Uni Magdeburg als Erxleben-Gastprofessorin Zusammenhang von Algorithmen und soziale Ungleichheiten

    Künstliche Intelligenz verändert die Gesellschaft und verschärft bestehende Ungleichheiten. Mit dieser Forschungsthese übernimmt die Soziologin Dr. Justyna Stypińska die Dorothea-Erxleben-Gastprofessur der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. In den kommenden zwei Jahren untersucht sie, wie Algorithmen unsere Entscheidungen beeinflussen und insbesondere ältere Menschen, Frauen oder Menschen mit geringem Einkommen, oder mit Migrationshintergrund benachteiligen.

    „Immer mehr Lebensbereiche hängen von KI-Systemen ab", so die Wissenschaftlerin, von der Fakultät für Humanwissenschaften der Uni Magdeburg. „In Bewerbungsverfahren, im Gesundheitswesen oder bei Kreditvergaben sortieren Programme Daten und treffen Vorentscheidungen. Studien wie der AI Now Report 2019 oder Analysen des MIT Media Lab zeigen, dass Algorithmen systematisch menschliche Vorurteile wiederholen: Bewerbungen von Frauen werden schlechter bewertet, Gesichter älterer Menschen seltener korrekt erkannt, Risikobewertungen in Versicherungen können Menschen mit geringem Einkommen benachteiligen.“

    Die Wissenschaftlerin verbindet Alterssoziologie und KI-Forschung und untersucht die gesellschaftliche Wahrnehmung von Alter und Formen der Altersdiskriminierung. Am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB) leitet sie das von der VolkswagenStiftung geförderte internationale Projekt „AI Ageism“, das zeigt, wie digitale Technologien ältere Menschen systematisch benachteiligen können: durch schwer bedienbare Interfaces, Sprachmodelle, die typische Ausdrucksweisen älterer Nutzer nicht verstehen oder diskriminierende Risiko-Scores, also Bewertungen, die Algorithmen über Menschen treffen, etwa darüber, wie wahrscheinlich jemand einen Kredit zurückzahlt, wie hoch sein Gesundheitsrisiko ist oder wie teuer eine Versicherung für ihn wird. „Ältere Menschen sind in politischen Diskussionen zur KI-Regulierung kaum vertreten“, konstatiert die Soziologin und verweist darauf, dass in Entwürfen zum EU-AI-Act oder anderen strategischen Dokumenten zwar viel über Datenschutz und Transparenz gesprochen werde, aber kaum über Altersgerechtigkeit.

    In Magdeburg baut sie diese Forschung im Projekt „Disrupting Societies“ aus. Sie analysiert, wie Gesetze und politische Debatten über Fairness und Teilhabe sprechen und wo blinde Flecken entstehen. Parallel arbeitet sie daran, algorithmische Ungleichheiten messbar zu machen, von Befragungen bis zur Analyse großer Sprachmodelle. Forschungsergebnisse wie der Stanford HAI Index 2023 belegen, dass KI-Systeme häufig Muster menschlicher Vorurteile reproduzieren. Zugleich fragt die Wissenschaftlerin, wie Menschen und Organisationen auf digitale Ungleichheit reagieren. Beispiele reichen von Protesten gegen automatisierte Sozialleistungsprüfungen in den Niederlanden, der sogenannten Toeslagenaffäre, bis hin zu erfolgreichen Protesten von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Spanien, die dafür gekämpft haben, einen diskriminierenden Algorithmus (BOSCO Algorithmus) transparent zu machen, um weitere Diskriminierung zu verhindern.
    „KI ist kein neutrales Werkzeug", so Justyna Stypińska. „Sie kann Chancen eröffnen, etwa wenn Sprachmodelle Menschen mit Behinderungen unterstützen oder digitale Assistenten den Zugang zu Bildung erleichtern." Doch sie verstärke auch Risiken. „Wir sehen kurzfristige Verbesserungen, aber langfristig wächst die Macht weniger Unternehmen“, warnt die Wissenschaftlerin. Die offene Frage sei, ob KI gesellschaftliche Teilhabe stärkt oder weiter aushöhlt.

    Ein besonderes Anliegen ist es ihr, Studierende aktiv einzubeziehen. In Workshops und Seminaren sollen sie eigene Forschungsprojekte entwickeln, KI-Tools testen und Methoden kritischer Technologieanalyse kennenlernen. Die Professur hat für Stypińska auch eine biografische Dimension. Als Frau und Migrantin habe sie lange daran gezweifelt, ob eine wissenschaftliche Karriere bis zur Professur möglich sei. Mentoringprogramme hätten ihr Vertrauen gestärkt. „Diese Berufung ist für mich eine Verantwortung“, sagt sie. „Ich möchte jungen Frauen Mut machen und Barrieren abbauen.“

    Kurzvita
    Dr. Justyna Stypińska wurde in Polen geboren und studierte Soziologie an der Jagiellonen-Universität Krakau, wo sie auch promoviert wurde. Früh spezialisierte sie sich auf Altersforschung und die gesellschaftliche Wahrnehmung älterer Menschen. Nach Stationen in internationalen Forschungsprojekten kam sie an die Freie Universität Berlin, wo sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin ein internationales Projekt zu Innovation und Alter im Unternehmertum leitete (DFG-Förderung). Am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) baute sie anschließend ihre Forschung zu digitaler Ungleichheit aus und wurde Principal Investigator des von der VolkswagenStiftung geförderten Projekts „AI Ageism“. Justyna Stypińska ist Mitglied mehrerer wissenschaftlicher und internationaler Netzwerke, auch zu den Rechten älterer Menschen in der digitalen Transformation und in politischen Prozessen, etwa im Kontext der geplanten UN-Konvention für die Rechte älterer Personen. Mit ihrer Berufung zur Dorothea-Erxleben-Gastprofessur setzt sie ihre Arbeit an der Schnittstelle von Alterssoziologie, Technikforschung und sozialer Gerechtigkeit nun in Magdeburg fort.

    Die Dorothea-Erxleben-Gastprofessur wird seit 1997/98 vergeben und zeichnet exzellente Wissenschaftlerinnen aus, die ihre Karriere weiterentwickeln möchten. Sie erinnert an Dorothea Christiane Erxleben, die 1754 als erste Frau in Deutschland promovieren durfte. Dr. Justyna Stypińska ist die 26. Erxleben-Gastprofessorin der Universität Magdeburg. Ergänzend bietet die Universität Programme wie das COMETiN-Mentoring, die „Ladies Night for Women in Engineering Sciences“ sowie Weiterbildungs- und Coachingangebote des Büros für Gleichstellung und der Graduate Academy, die Frauen auf dem Weg in die Wissenschaft gezielt unterstützen.


    Contact for scientific information:

    Dr. Justyna Stypińska
    Fakultät für Humanwissenschaften
    0391 67-56686
    justyna.stypinska@ovgu.de


    Images

    Portrait Dr. Justyna Stypińska
    Portrait Dr. Justyna Stypińska
    Source: Jana Dünnhaupt
    Copyright: Uni Magdeburg


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
    Social studies
    transregional, national
    Personnel announcements
    German


     

    Portrait Dr. Justyna Stypińska


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