In vielen deutschen Städten wächst der Bedarf an Wohnraum. Eine Antwort darauf ist die sogenannte Nachverdichtung: Baulücken werden geschlossen, Bestandsgebäude aufgestockt. Doch gerade der Brandschutz mit den gesetzlichen Anforderungen an zwei Rettungswege stellt dabei häufig eine große Hürde dar. Deshalb untersucht ein Forschungsteam aus Wissenschaftler*innen der Technischen Universität Braunschweig, der Hochschule Magdeburg-Stendal und der Hochschule Rottenburg, wie sich das Treppenhaus als alleiniger Rettungsweg sicherer ausgestalten lässt. Dazu wurde im Zentrum für Brandforschung ein Brand in einem zwölf Meter hohen Treppenhaus inszeniert.
In mehrgeschossigen Gebäuden müssen zwei voneinander unabhängige Rettungswege vorhanden sein: einer über den Treppenraum und ein zweiter über eine für die Feuerwehr zugängliche Stelle, wie etwa einen Balkon oder ein Fenster. In vielen Städten blockieren jedoch parkende Fahrzeuge, dichter Baumbestand oder die Oberleitungen des öffentlichen Nahverkehrs die Aufstellflächen für Feuerwehrleitern. Wenn die Feuerwehr ihre Geräte nicht einsetzen kann, ist ein zweiter baulicher Rettungsweg oder ein Sicherheitstreppenraum notwendig. Beides ist bei Bestandsgebäuden oft weder technisch noch wirtschaftlich umsetzbar. Die Folge: Potenziell wertvolle Aufstockungen, insbesondere in Holzbauweise, scheitern an brandschutztechnischen Hürden.
Ein Treppenraum, ein Rettungsweg
Hier setzen die Wissenschaftler*innen im Projekt „ALREKO“ an. Sie wollen herausfinden, mit welchen Maßnahmen ein Treppenhaus so verbessert werden kann, dass es als einziger Rettungsweg ausreicht, und auch bei einer Aufstockung den heutigen Sicherheitsanforderungen entspricht.
„Damit gehen erhebliche Potenziale für den Holzbau einher, der sich für diese Art von Bauvorhaben besonders eignet. Denn auf diese Weise werden Aufstockungen möglich, die unter den bislang geltenden Randbedingungen grundsätzlich nicht realisiert werden könnten“, sagt Professor Jochen Zehfuß, Leiter des Fachgebiets Brandschutz im Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (iBMB) der TU Braunschweig.
Ziel des Forschungsteams ist die Entwicklung alternativer Konzepte für Rettungswege, mit denen ihre wirtschaftliche und attraktive Ausführung in mehrgeschossigen Wohngebäuden ermöglicht wird. Im Fokus stehen technische Lösungen, die den Treppenraum wirksam vor Rauch und Feuer schützen, ohne dabei massiv in die Statik des Gebäudes einzugreifen oder hohe Kosten zu verursachen, beispielsweise Brandschutztüren, eine intelligente Rauchableitung oder Löschtechnik.
Brandversuche im Zwölfmeter-Treppenhaus
Für die Versuchsreihe im Realmaßstab wurde an das sogenannte Brandhaus im Zentrum für Brandforschung der TU Braunschweig ein viergeschossiger, rund zwölf Meter hoher Treppenraum angebaut. In jeder Etage verbinden zwei Türen das Treppenhaus direkt mit einem angrenzenden Raum im mehrgeschossigen Brandhaus, in dessen erster Etage der Brand entfacht wurde.
Um möglichst aussagekräftige Erkenntnisse zur Rauchausbreitung zu gewinnen, bauten die Forschenden im zweiten und dritten Obergeschoss pro Etage zwei verschiedene Türvarianten ein. Neben einer speziellen Brandschutztür installierten sie jeweils eine zusätzliche, dicht schließende Tür.
Wenn die Löschanlage ausfällt
Vier unterschiedliche Szenarien haben die Forschenden in ihrer Versuchsreihe aufgebaut – von Treppenräumen mit nichtbrennbaren Oberflächen mit geschlossener und geöffneter Tür bis zu Holztreppen mit und ohne Löschanlage. Sie sollen zeigen, wie sich verschiedene bauliche Bedingungen auf die Ausbreitung von Feuer und Rauch in einem Bestandsgebäude auswirken. Für die Wissenschaftler*innen stellt sich auch die Frage, welche Folgen ein Ausfall der Löschanlage hätte. Könnten brandschutztechnisch optimierte Türen in diesem Fall ausreichend schützen, selbst wenn der Treppenraum vollständig in Brand steht?
Für die Feuerwehr sind diese Brandversuche von großer Bedeutung. Feuerwehren aus mehreren großen Städten (Berlin, Hamburg, Frankfurt, Magdeburg) nehmen an den Experimenten teil und die Braunschweiger Feuerwehr sichert die Versuche mit bereitstehenden Einsatzkräften ab.
„Wenn der zweite Rettungsweg nicht über Leitern der Feuerwehr dargestellt werden kann, müssen die Treppenräume so gestaltet werden, dass sie im Brandfall einen sicheren Rettungsweg bieten, damit das Risiko für die Bewohnerinnen und Bewohner nicht steigt“, betont Torge Malchau, Leiter der Feuerwehr Braunschweig.
Projektdaten
Am Projekt ALREKO (Alternatives Rettungswegkonzept) sind die TU Braunschweig, Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (Prof. Dr.-Ing. Jochen Zehfuß), die Hochschule Magdeburg-Stendal (Prof. Dr.-Ing. Björn Kampmeier) und die Hochschule Rottenburg (Prof. Dipl.-Ing. Ludger Dederich) beteiligt. ALREKO wird mit 500.000 Euro von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (Projektträger des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat) und der Industrie gefördert.
Über das Zentrum für Brandforschung (ZeBra)
Für die Untersuchungen des Forschungsteams im Projekt ALREKO bietet das Zentrum für Brandforschung ideale Voraussetzungen: Mit seinem Fassadenprüfstand bis zwölf Metern Höhe und einem Großkalorimeter für Freibrandversuche, wie zum Beispiel von Elektrofahrzeugen, Bussen oder auch von Hochvoltspeichern, ist das ZeBra einzigartig in Europa. Hier können Brände im Realmaßstab mit einer Wärmefreisetzungsrate bis zu 20 Megawatt simuliert, detailliert vermessen und analysiert werden. Zum Vergleich: Herkömmliche Pkw setzen bei einem Brand rund fünf Megawatt Wärme frei.
Prof. Dr.-Ing. Jochen Zehfuß
Technische Universität Braunschweig
Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz
Fachgebiet Brandschutz
Beethovenstraße 52
38106 Braunschweig
Tel.: +49 531 391-5590
E-Mail: j.zehfuss@ibmb.tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/ibmb
Jannik Rose
Technische Universität Braunschweig
Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz
Fachgebiet Brandschutz
Beethovenstraße 52
38106 Braunschweig
Tel.: +49 531 391-5480
E-Mail: j.rose@ibmb.tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/ibmb
Für die Experimente im Realmaßstab wurde an das sogenannte Brandhaus im Zentrum für Brandforschung d ...
Source: Kristina Rottig/TU Braunschweig
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
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transregional, national
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German

Für die Experimente im Realmaßstab wurde an das sogenannte Brandhaus im Zentrum für Brandforschung d ...
Source: Kristina Rottig/TU Braunschweig
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