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12/11/2025 13:57

Ameisensäure im Fokus

Dr. Virginia Geisel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie

    Ein künstliches Schlüssel-Enzym eröffnet die Umwandlung von CO2 über Ameisensäure zu Rohstoffen

    Formiat, das Salz der Ameisensäure, gilt als wichtiger zukünftiger Drehpunkt nachhaltiger Biotechnologien. Ein Team am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie hat ein Enzym entwickelt, das Formiat effizient zu Formaldehyd umwandelt. Dies ist entscheidend für die nachhaltige Umwandlung von CO2 in wertvolle Rohstoffe. Das neue Enzym, FAR, toleriert hohe Formiatkonzentrationen: eine wichtige Voraussetzung für industrielle Prozesse.

    Für eine kohlenstoffneutrale Bioökonomie sind Verfahren erforderlich, die CO2 effizient binden und in wertvolle Produkte umwandeln. Ameisensäure beziehungsweise ihr Salz Formiat gilt als vielversprechender Kandidat: Sie lässt sich aus CO2 mittels erneuerbarem Strom herstellen, ist leicht transportierbar, ungiftig und vielseitig verwendbar. Die Forschung konzentriert sich unter anderem auf Mikroorganismen, die mit aus CO2 erzeugter Ameisensäure „gefüttert“ werden und daraus Grundchemikalien oder Treibstoffe produzieren.

    Ein Team unter Leitung von Dr. Maren Nattermann am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie entwickelte ein maßgeschneidertes Enzym, das den zentralen Umwandlungsschritt präzise und stabil in einem einzigen enzymatischen Vorgang ausführt.
    Einbau eines synthetischen Stoffwechsel-Bypasses

    Die enzymatische Lösung baut auf früheren Forschungsarbeiten auf, in denen das Team einen vollständig synthetischen Formylphosphat-Weg in Bakterien etablierte. Bislang konnten nur bestimmte Bakterien Ameisensäure verwerten. Natürliche Stoffwechselwege umgehen dabei das Zwischenprodukt Formaldehyd, das als wichtiger Ausgangspunkt für die Integration von CO2 in den Zellstoffwechsel dient. Die Forschenden konstruierten eine künstliche Brücke: einen synthetischen Formylphosphat-Stoffwechselweg, den sie in lebenden E. coli-Bakterien einbauten. Kooperationspartner Dr. Sebastian Wenk (Universität Groningen) erklärt: „Unsere Arbeit zeigte, dass ein synthetischer Stoffwechselweg zur Verarbeitung von Formiat in lebenden Organismen funktioniert – ein bedeutender Schritt zur Entwicklung biotechnologisch nutzbarer Mikroorganismen, die aus CO2 gewonnenes Formiat zur Herstellung von Lebensmitteln, Kraftstoffen und Materialien einsetzen können.“ Das Formaldehyd wird von der Zelle unmittelbar weiterverarbeitet und reichert sich nicht an.

    Allerdings muss die Verbindung zum Zellstoffwechsel robust sein – immerhin konkurriert sie mit dem eingespielten, in Millionen von Jahren evolvierten natürlichen Stoffwechsel. Bisher existierten nur komplexe und anfällige mehrstufige enzymatische Kaskaden, die empfindliche Zwischenprodukte wie Formylphosphat oder Formyl-CoA freisetzen – Moleküle, die leicht zerfallen oder unerwünschte Nebenreaktionen eingehen. Aus biotechnologischer Sicht ist das Ziel eine „Vollformiat-Diät“, bei der Bakterien ausschließlich mit Ameisensäure wachsen, ohne kostspielige Zusatzstoffe.
    Ein einziges Enzym führt den entscheidenden Schritt aus

    Kürzlich gelang der Gruppe der entscheidende Durchbruch: ein maßgeschneidertes Formiat-Reduktase-Enzym, das präzise und robust Ameisensäure zu Formaldehyd umsetzt. Das FAR (Formiat-Reduktase) genannte Enzym basiert auf einer Carboxylsäure-Reduktase (CAR) aus dem Bakterium Mycobacteroides abscessus. Das CAR-Enzym wurde durch gezielte Mutagenese und Hochdurchsatz-Screening so verändert, dass es bevorzugt kleine Moleküle wie Formiat wählt. „Mit FAR haben wir erstmals ein einzelnes, robustes Enzym, das Formiat zuverlässig zu Formaldehyd reduziert – genau dort, wo viele biotechnologische Wege beginnen“, erklärt Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin Dr. Maren Nattermann. „Damit schaffen wir einen fehlenden Baustein für künftige Biokonversionen, die direkt auf CO₂-basierten Rohstoffen beruhen.“

    „Das Wichtigste ist, das unser Enzym selbst hohe Formiatkonzentrationen toleriert – denn unter diesen Bedingungen versagten frühere Systeme nahezu vollständig.“, ergänzt Philipp Wichmann, Erstautor der Studie. Gerade diese Stabilität macht FAR für industrielle Prozesse attraktiv, in denen Formiat elektrochemisch in sehr hohen Konzentrationen erzeugt wird.

    Ohne den Einsatz von Hochdurchsatzmethoden wäre dieses Ergebnis in kurzer Zeit nicht erreichbar gewesen. „Nach dem Screening von etwa 4.000 Varianten erzielten wir eine fünffache Steigerung der Formaldehydproduktion“, erklärt Maren Nattermann.

    Mit FAR steht nun ein Enzym zur Verfügung, das sowohl in lebenden Zellen als auch in zellfreien Systemen oder elektrobiochemischen Produktionslinien eingesetzt werden kann. So könnten künftig Grundchemikalien, Biokunststoffe oder Treibstoffe aus CO2-basiertem Formiat hergestellt werden. Die Forschenden planen bereits, FAR mit weiteren synthetischen Stoffwechselwegen zu kombinieren, beispielsweise zur Produktion energiereicher Moleküle.


    Contact for scientific information:

    Dr. Maren Nattermann
    Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin +49 6421 178-716
    maren.nattermann@mpi-marburg.mpg.de
    Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg


    Original publication:

    Wichmann, P.; Cox-Fermandois, C.; Küffner, A.M.; Linne, U.; Erb, T.; Nattermann, M.
    Engineering a Formic Acid Reductase
    ACS Catalysis 15, 20485–20495 (2025)


    Images

    Multipipetten im Hochdurchsatz-Roboter
    Multipipetten im Hochdurchsatz-Roboter
    Source: Franka Eiche
    Copyright: MPI für terrestrische Mikrobiologie


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Teachers and pupils
    Biology, Chemistry, Economics / business administration, Energy, Environment / ecology
    transregional, national
    Scientific Publications, Transfer of Science or Research
    German


     

    Multipipetten im Hochdurchsatz-Roboter


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