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12/15/2025 13:25

Frühkindliche Leukämie: Zellen reaktivieren fetale Programme

Dr. Martin Staiger Kommunikation und Veranstaltungen
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg

    Forschende am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben neue Erkenntnisse gewonnen, wie eine bestimmte frühkindliche Leukämie entsteht: Leukämiezellen können insbesondere bei aggressiven Formen bestimmte Programme aus der fetalen Entwicklung erneut aktivieren. Die Ergebnisse eröffnen neue Angriffspunkte für Diagnostik und Therapie.

    Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg und der Thoraxklinik Heidelberg.

    Bislang ging man davon aus, dass in kindlichen Tumoren fetale, also vorgeburtliche genetische Veränderungen die Reifung von Stammzellen blockieren und somit fetale Entwicklungsprogramme dauerhaft erhalten bleiben. Dieses Modell sollte erklären, weshalb diese Tumoren molekulare Muster aufweisen, die typischerweise vor der Geburt, jedoch nicht mehr im Kindesalter vorkommen.

    Entgegen diesem bekannten Modell fanden Forschende am NCT Heidelberg und am DKFZ bei der juvenilen myelomonozytären Leukämie (JMML), einer seltenen frühkindlichen Leukämie mit teilweise hochaggressiven Verläufen, ein überraschendes Zusammenspiel zweier Prozesse: Einerseits zeigten epigenetische Muster in Leukämiestammzellen eine weiterhin altersgemäße Reifung. Andererseits waren in denselben Zellen Stammzellprogramme verschiedener Entwicklungsstadien parallel aktiv, was auf deren krankheitsbedingte Reaktivierung hinweist. Insbesondere bei aggressiven Verlaufsformen der JMML fanden die Forschenden eine starke Reaktivierung fetaler Stammzellprogramme.

    Die gleichzeitige Aktivität unterschiedlicher Entwicklungsprogramme ist bei dieser Leukämie Ausdruck einer außergewöhnlich starken molekularen Plastizität. Das Phänomen der molekularen Plastizität ist bei vielen erwachsenen Krebsarten mit besonders aggressiven Verläufen verbunden, was jedoch in dieser Form bisher bei kindlichen Krebserkrankungen nicht bekannt war.

    Damit erweitert die Studie das bisherige Modell entscheidend. Erstautor Mark Hartmann, Sektion Translationale Krebsepigenomik in der Abteilung Translationale Medizinische Onkologie am DKFZ und am NCT Heidelberg, erläutert: „Frühkindliche Leukämien zeigen nicht immer eine Reifungsblockade im vorgeburtlichen Zustand, vielmehr können fetale Programme in Leukämiestammzellen auch durch eine spätere Reaktivierung nach der Geburt entstehen.“ Ob sich dieses Prinzip auch bei anderen Krebsarten des Kindesalters findet, muss in weiteren Studien untersucht werden.

    Unter den reaktivierten Programmen fiel das Zelloberflächenmolekül CD52 besonders auf: Es findet sich bei der JMML in besonderem Maße auf Leukämiestammzellen von Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko und bietet einen vielversprechenden therapeutischen Angriffspunkt, da es nicht auf gesunden Blutstammzellen zu finden ist. Maximilian Schönung, Sektion Translationale Krebsepigenomik in der Abteilung Translationale Medizinische Onkologie am DKFZ und am NCT Heidelberg, ebenfalls Erstautor der Studie, sagt: „Wir konnten in Mäusen mit einem gegen CD52 gerichteten Antikörper ein Fortschreiten der Erkrankung deutlich bremsen und sogar die Leukämiestammzellen komplett auslöschen.“

    Die Studie verdeutlicht, wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Entwicklungsprogramme normaler Blutstammzellen zu kennen. Nur so lassen sich krankhafte Veränderungen bei frühkindlichen Leukämien präzise erkennen. Daniel Lipka, Leiter der Sektion Translationale Krebsepigenomik in der Abteilung Translationale Medizinische Onkologie am DKFZ und am NCT Heidelberg, ist Seniorautor der Publikation. Er sagt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass aggressive Leukämien im Kindesalter nicht zwingend auf einer Reifungsblockade der Blutstammzellen im Mutterleib beruhen. Vielmehr können krebsfördernde Mutationen die molekulare Identität bereits gereifter Blutstammzellen so stark verändern, dass diese wieder in einen fetalen Zustand zurückfallen – dieses Wissen eröffnet uns neue therapeutische Optionen.“

    Publikation:
    Mark Hartmann, Maximilian Schönung, Jovana Rajak, Valentin Maurer, Ling Hai, Katharina Bauer, Mariam Hakobyan, Sina Stäble, Jen Langstein, Laura Jardine, Roland Roelz, Sheila Bohler, Eleonora Khabirova, Abdul-Habib Maag, Dominik Vonficht, Dirk Lebrecht, Kathrin M. Bernt, Kai Tan, Changya Chen, Fatemeh Alikarami, Julia Meyer, Jun Wang, Tobias Boch, Viktoria Flore, Pavlo Lutsik, Michael D. Milsom, Simon Raffel, Christian Buske, Simon Haas, Muzlifah Haniffa, Jan-Philipp Mallm, Sam Behjati, Marc-Jan Bonder, Stefan Fröhling, Elliot Stieglitz, Charlotte M. Niemeyer, Joschka Hey, Christian Flotho, Christoph Plass, Miriam Erlacher, Matthias Schlesner, Daniel B. Lipka: Molecular Plasticity Results in Oncofetal Reprogramming and Therapeutic Vulnerabilities in Juvenile Myelomonocytic Leukemia. Blood Cancer Discovery; doi.org/10.1158/2643-3230.BCD-25-0246

    Ein Bild zur Pressemitteilung steht im Internet kostenfrei zur Verfügung unter:
    https://www.nct-heidelberg.de/fileadmin/media/nct-heidelberg/news/pressemitteilu...

    Bildbeschreibung:
    Die UMAP (Uniform Manifold Approximation and Projection) bildet komplexe Einzelzell-Transkriptomdaten in zwei Dimensionen ab, sodass ähnliche hämatopoetische Zellen nahe beieinander liegen. Jeder Punkt steht für eine Zelle, die Farbe kennzeichnet ihren anhand der Genaktivität bestimmten Zelltyp oder Zellzustand.

    Nutzungshinweis für Bildmaterial zu Pressemitteilungen
    Die Nutzung ist kostenlos. Das NCT Heidelberg gestattet die einmalige Verwendung in Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Thema der Pressemitteilung. Bitte geben Sie als Bildnachweis das Copyright „NCT Heidelberg“ an. Eine Weitergabe des Bildmaterials an Dritte ist nur nach vorheriger Rücksprache mit der NCT-Kommunikation (Tel.: +49 6221 42-56311272, E-Mail: martin.staiger@nct-heidelberg.de) gestattet. Eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken ist untersagt.

    Kontakt für die Presse:
    Dr. Martin Staiger
    Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
    Kommunikation und Veranstaltungen
    Im Neuenheimer Feld 460
    69120 Heidelberg
    Tel.: +49 6221 56-311272
    E-Mail: martin.staiger@nct-heidelberg.de
    www.nct-heidelberg.de

    Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
    Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg und der Thoraxklinik Heidelberg. Ziel des NCT Heidelberg ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patientinnen und Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT Heidelberg ist somit richtungsweisend, um neue Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik zu übertragen. Das NCT Heidelberg, gegründet 2004, ist Teil des NCT mit weiteren Standorten in Berlin, Dresden, SüdWest (Tübingen-Stuttgart/Ulm), WERA (Würzburg, Erlangen, Regensburg, Augsburg) und West (Essen/Köln).

    Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
    Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
    Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
    • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
    • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
    • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
    • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz - ein Helmholtz-Institut des DKFZ
    • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
    • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
    Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

    Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
    Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für Patientinnen und Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit rund 2.500 Betten werden jährlich circa 86.000 Patientinnen und Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.100.000 Patientinnen und Patienten ambulant behandelt.
    Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter.
    Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion.


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research results
    German


     

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