idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
12/17/2025 17:12

Vulkansystem um Santorini besser verstehen

Julia Gehringer Kommunikation und Medien
GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

    17.12.2025/Kiel/Heraklion. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel ist heute aufgebrochen, um neue Erkenntnisse über das Vulkansystem vor der griechischen Inselgruppe Santorini zu gewinnen. Im Mittelpunkt der Ausfahrt steht die Erprobung neuer Beobachtungssysteme. Unmittelbar nach der ersten Expedition des Forschungsprojekts MULTI-MAREX im Winter 2024 ereignete sich im Frühjahr 2025 rund um Santorini ein intensiver Erdbebenschwarm mit mehreren zehntausend Erdbeben. Die Forschenden können nun auf Daten unmittelbar vor und während der seismischen Krise zurückgreifen und sie mit den aktuellen Messungen vergleichen.

    Anfang des Jahres 2025 befand sich die griechische Inselgruppe Santorini im Ausnahmezustand: Über mehrere Wochen wurden dort mehr als 28.000 Erdbeben registriert. Santorini liegt im östlichen Mittelmeer und ist Teil einer geologisch hochaktiven Zone. Die Inselgruppe bildet den Rand einer vulkanischen Caldera (eines kesselförmigen Kraters), der vor rund 3.600 Jahren durch eine gewaltige Vulkaneruption entstand. Sieben Kilometer nordöstlich von Santorini befindet sich der aktive untermeerische Vulkan Kolumbo. Er ist Teil einer Kette von mehr als 20 unter Wasser liegenden Vulkanen, die das Santorini-Kolumbo-Vulkanfeld bilden. Gleichzeitig zählt Santorini jährlich bis zu dreieinhalb Millionen Besucher:innen und gehört damit zu den bedeutendsten touristischen Zielen Griechenlands.

    Die Situation nach seismischer Krise bewerten

    Bereits im Dezember 2024 war ein internationales Forschungsteam unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel im Rahmen des Forschungsprojekts MULTI-MAREX vor Santorini unterwegs, um geologische Prozesse zu verstehen, die Hangrutschungen, Vulkanausbrüche und Tsunamis auslösen können. Einige Wochen später begann in dieser Region der Erdbebenschwarm. GEOMAR-Forschende waren auch während der Krise vor Ort und konnten wertvolle Daten erheben.

    „Aus wissenschaftlicher Sicht befinden wir uns gerade in einer einzigartigen Situation. Wir konnten unmittelbar vor und während der seismischen Krise um Santorini Messungen durchführen und Sensoren ausbringen. Die Expedition M215 wird nun den Zustand direkt nach der Krise analysieren. Es sind optimale Bedingungen, dass wir diese Vergleichsdaten haben und unsere Experimente wiederholen können. Das ermöglicht uns, Rückschlüsse zu ziehen, für die wir sonst möglicherweise noch viele Jahre oder sogar Jahrzehnte gebraucht hätten“, sagt Jens Karstens, Mariner Geophysiker am GEOMAR und Co-Fahrtleiter.

    Frühwarnsystem verbessern

    Die gemeinsame Analyse der Daten von Forschenden des GEOMAR und des GFZ Helmholtz-Zentrums für Geoforschung hat ergeben, dass der Erdbebenschwarm Anfang des Jahres durch den Transport von Magma in der Tiefe ausgelöst wurde. Mit der aktuellen Expedition M215 wollen die Forschenden noch besser verstehen, wie die Vulkansysteme reagieren und was mögliche Szenarien in der Zukunft sein könnten.

    Das übergeordnete Ziel ist es, ein neues Monitoringsystem zu erproben und damit perspektivisch auch die Frühwarnung vor weiteren Erdbeben zu verbessern. Das bisherige Frühwarnsystem basiert vor allem auf GPS-basierten Systemen und Seismometern an Land, die kleinste Verformungen und Erschütterungen des Bodens erkennen können. „Die Frühwarnsysteme an Land sind sehr empfindlich und funktionieren zuverlässig. Wir wollen aber einen Schritt davor ansetzen und bereits vor den Erschütterungen zuverlässig erkennen, was sich am Meeresboden tut. Dazu sind wir auch in engem Austausch mit der griechischen Regierung. Ziel ist es, die Küstengefährdung besser einschätzen zu können“, sagt Fahrtleiterin Prof. Dr. Heidrun Kopp, Professorin für Marine Geodäsie am GEOMAR und Projektleiterin von MULTI-MAREX.

    Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt darauf, die Stabilität von vulkanischen Strukturen zu bewerten. „Wir wollen wissen: Wie verhalten sich die Vulkanhänge im Santorini-Kolumbo-Vulkanfeld, wenn es zu tektonischen Aktivitäten kommt?“, erklärt Heidrun Kopp.

    Erprobung eines Kommunikationsnetzwerks

    Während der Expedition bergen und installieren die Forschenden Messstationen und führen geophysikalische Messungen durch. Um ein langfristiges Beobachtungsnetzwerk zu erproben, werden die Forschenden unter anderem Tests und Kommunikationsexperimente mit sogenannten MOLA-Systemen (Modular Ocean Lander) machen. Jens Karstens: „MOLA-Systeme sind kompakte kleine Messgeräte, die Abweichungen am Meeresboden erkennen können, zum Beispiel Geräusche, Temperaturänderungen oder einen veränderten CO2-Gehalt. Die Systeme kommunizieren untereinander und wir erproben gemeinsam mit Datenanalyst:innen, wie die Daten in Echtzeit an Land übertragen werden können.“ Die Forschenden testen die Funktionsweise eines Kommunikationsnetzwerkes, das zwischen verankerten Geräten, dem Schiff und einer Cloud kommuniziert und somit langfristig zur Frühwarnung eingesetzt werden könnte.

    Ein Highlight ist der Einsatz des sogenannten MOMO-Videoschlittens. Das Kamerasystem wurde im vergangenen Jahr am GEOMAR entwickelt und ermöglicht eine millimetergenaue Kartierung des Meeresbodens. Im Dezember 2024, unmittelbar vor der seismischen Krise, wurden die Hydrothermalsysteme im Krater des Vulkan Kolumbos und innerhalb der Santorini Caldera mit dem MOMO-Videoschlitten vermessen. Nun werden die Messungen wiederholt. Dadurch können die dynamischen Veränderungen beider Systeme im Detail miteinander verglichen werden. Auch diese Daten fließen in die Entwicklung des Beobachtungsnetzwerkes ein.

    Zudem haben Ozeanbodenseismometer (OBS) seit Dezember 2024 am Meeresboden akustische Signale und Druck erfasst und so auch die Magmabewegungen während der Beben im Januar 2025 aufgezeichnet. Fünf neue OBS-Stationen bringt das Forschungsteam für weitere zwölf Monate am Meeresboden aus. Zusätzlich setzen die Forschenden bis zu 20 MOLAs für rund 15 Tage aus und installieren OBMT-Stationen (Ozeanboden-Magnetotellurik), die Veränderungen der elektrischen und magnetischen Felder erfassen. Diese Daten zeigen, wie gut das Gestein Strom leitet – und damit auch, wo sich Flüssigkeiten, aufsteigendes Magma oder warme hydrothermale Strömungen verbergen. Neben den autonomen Unterwasserfahrzeugen (AUVs) ANTON und KALLE sind außerdem Drohnenflüge und Vermessungen mit dem Multibeam-Echolot und dem Fächerecholot geplant.


    Expedition in Kürze:

    Name: M215 (MULTI-MAREX Cruise 3)

    Fahrtleitung / Chief Scientist: Prof. Dr. Heidrun Kopp

    Zeitraum: 17.12.2025 – 10.01.2026

    Start: Heraklion (Griechenland)

    Ende: Limassol (Zypern)

    Fahrtgebiet: Mittelmeer, Ägäis


    Hintergrund: MULTI-MAREX

    MULTI-MAREX ist eines von vier Projekten der Forschungsmission „Wege zu einem verbesserten Risikomanagement im Bereich mariner Extremereignisse und Naturgefahren“ (mareXtreme), die von der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) umgesetzt wird. Es vereint zehn Partnereinrichtungen von sechs Universitäten sowie den beiden Helmholtz-Zentren GFZ und GEOMAR aus Deutschland. Das Ziel besteht darin, ein Real-Labor zur Untersuchung geomariner Extremereignisse wie Erdbeben, Vulkanismus und Tsunamis im zentralen Mittelmeerraum zu entwickeln.


    More information:

    https://www.marextreme.de/multi-marex Verbundprojekt MULTI-MAREX
    https://www.marextreme.de/ Forschungsmission mareXtreme
    https://www.allianz-meeresforschung.de/ Deutsche Allianz Meeresforschung
    https://www.geomar.de/n10119 Bildmaterial zum Download


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Environment / ecology, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research projects
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).