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06/17/1997 00:00

Schilddrüsenkarzinome - kein hoffnungsloser Fall

Christa Möller Stabsstelle Kommunikation
Medizinische Hochschule Hannover

    Schilddruesenkarzinome - kein hoffnungsloser Fall

    MHH-Arbeitsgruppe Endokrine

    Chirurgie erforscht und behandelt boesartige Erkrankungen der Schilddruese

    Schilddruesenkarzinome stellen die AErzte meist vor schwerwiegende Probleme: Im Gegensatz zu anderen Krebserkrankungen gibt es hier keine einheitliche Auffassung ueber ihre bestmoegliche Behandlung; ausserdem erfordern die verschiedenen Formen boesartiger Schilddruesentumoren unterschiedliche Therapien. Einig ist man sich lediglich darin, dass zunaechst einmal operiert werden muss; denn selbst kleine Karzinome koennen Tochtergeschwuelste bilden und diese Metastasen ueber die Lymph- oder Blutbahnen im Koerper absetzen. Soll die Schilddruese jedoch komplett entfernt werden? Oder nur die befallene Seite des zweilappigen Organs? Und wieviel des umliegenden Gewebes, Lymphknoten, Gefaesse und Muskeln? Darueber hinaus stellt die anatomische Lage der Schilddruese an der Vorderseite des Halses, direkt ueber dem Adamsapfel, grosse Ansprueche an die chirurgische Handfertigkeit. Muessen Faelle, in denen die Tumorzellen bereits mit ihrer Umgebung den Sprachnerven, der Luft- oder Speiseroehre verwachsen sind, generell als inoperabel gelten? Und wie soll es nach der Operation weitergehen? Mit der Radiojodtherapie? Mit der Chemo- und Strahlentherapie, obwohl sich beide kaum als effektiv und verlaesslich erwiesen haben? Fragen ueber Fragen.

    Die Arbeitsgruppe Endokrine Chirurgie in der Klinik fuer Abdominal-
    und Transplantationschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) befasst sich seit langem mit der Thematik. Sie zaehlt zu den wenigen Zentren in der Welt, an denen auch sehr fortgeschrittene Schilddruesenkarzinome organuebergreifend operiert und die betroffenen Bereiche rekonstruiert werden. Leiter der Arbeitsgruppe ist Privatdozent Dr. Georg F. W. Scheumann. Zu seinen Mitarbeitern gehoert Dr. Thomas J. Musholt; er hat mehrere Jahre in den USA auf diesem Gebiet geforscht, insbesondere ueber das medullaere Schilddruesenkarzinom. Konzentriertes Wissen also. Aber offenbar noch nicht hinlaenglich bekannt, bedauert Dr. Scheumann. Leider kommen viele Patienten nicht fruehzeitig genug, sondern oft erst, wenn ihre Erkrankung weit fortgeschritten ist.

    Betrachtet man Krebsleiden insgesamt, so machen Schilddruesenkarzinome zwar nur ein Prozent davon aus, doch bedeutet das immerhin: jaehrlich 3500 Neuerkrankungen in Deutschland - etwa tausend bei Maennern und 2500 bei Frauen. Boesartige Schilddruesentumore werden nach ihrem Ursprung und Aussehen, ihrer Struktur sowie ihrem klinischen Verlauf unterschieden. Mit etwa 80 Prozent am haeufigsten treten die differenzierten Schilddruesenkarzinome auf. Sie wachsen recht langsam und metastasieren relativ spaet. Dies ist sicher der Grund fuer Kontroversen um die geeignetste Therapie. Einige AErzte meinen, dass weniger radikale Eingriffe ausreichen. Dr. Scheumann dagegen plaediert fuer eine voellige Entfernung des Organs, gegebenenfalls auch weitraeumig der Lymphknoten, und anschliessender Radiojodtherapie. Seinen Studien zufolge ueberleben die Patienten dadurch nicht nur laenger, sie koennten sogar geheilt werden. Das gilt selbst dann, wenn der Tumor schon in andere Organe hineingewachsen war.

    Aggressives Wachstum kennzeichnet die anaplastischen oder undifferenzierten Karzinome. Ihr Anteil an den boesartigen Schilddruesentumoren betraegt bis zu zehn Prozent. Wenn sie erkannt werden, haben sie meist laengst Tochtergeschwuelste gebildet. Der Tumor dringt schnell in die Gewebe- und Organstrukturen des Halses ein und droht, die Luftroehre zu verschliessen. Es ist ausgesprochen schwierig, solche Karzinome vollstaendig chirurgisch zu beseitigen. Um verbliebenes Krebsgewebe zu zerstoeren, wird nach der Operation zusaetzlich bestrahlt. Nicht einmal jeder zehnte Patient hat eine Heilungschance. Angesichts der sehr eingeschraenkten Behandlungsmoeglichkeiten stellt sich die Frage, ob nicht ein begrenzter Eingriff zur Freihaltung der Atemwege mehr im Interesse der Patienten liegt als eine radikale Operation mit zweifellos erheblichen Beschwerden. Auch hier belegen Studien der Arbeitsgruppe Endokrine Chirurgie eine deutlich laengere UEberlebenszeit bei vollstaendiger Entfernung des Tumors. Dennoch muesse jeder Fall individuell abgewogen werden, betont Dr. Scheumann.

    Ebenfalls mit etwa zehn Prozent sind medullaere Karzinome an Schilddruesenkrebs beteiligt. Sie koennen bereits vor einer Gewebebiopsie oder Operation diagnostiziert werden sie geben uebermaessig viel Calcitonin ins Blut ab. Zwei Formen sind bekannt: eine nicht-erbliche, sporadisch auftretende und eine erbliche, familiaere. Beide stellen hohe Anforderungen an das chirurgische Koennen, da umfangreich Lymphknoten entfernt werden muessen. Fuer die erbliche Erkrankung sind mittlerweile die verantwortlichen Genmutationen groesstenteils identifiziert; wichtige Forschungsergebnisse erarbeiteten Dr. Musholt und seine Frau, Dr. Petra Musholt. Traeger des defekten Gens entwickeln unweigerlich irgendwann ein medullaeres Schilddruesenkarzinom, nicht selten schon im Kindesalter. Sind bei Mitgliedern betroffener Familien Genmutationen nachzuweisen, raet das hannoversche Spezialistenteam, vorsorglich die Schilddruese entfernen zu lassen und somit dem Krebs vorzubeugen.

    Am 21. Juni 1997 haelt Privatdozent Dr. Georg F. W. Scheumann seine Antrittsvorlesung zum Thema Die Chirurgie des Schilddruesenkarzinoms. Zu der Veranstaltung laden wir herzlich ein.

    Sie beginnt um 10.15 Uhr im Hoersaal A, Vorklinisches Lehrgebaeude der MHH.


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
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    German


     

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