Vergiftete Muscheln analysieren
Jena (02.03.99) Muscheln und Meerestiere können 'natürliche' Gifte enthalten, wenn Algen sich in den Sommermonaten sehr stark vermehren. Deren Toxine werden dann leicht von Muscheln und anderen Schalentieren aufgenommen. Der Verzehr dieser kontaminierten Meeresfrüchte kann je nach Algenart zu Schädigungen des Nervensystems, des Verdauungstrakts, zu Gedächtnisverlusten und im schlimmsten Fall zum Tod führen. Während in Asien in den letzten 25 Jahren mehr als 600 Menschen an diesen Algentoxinen starben, "haben wir in Europa seit langem keine Todesfälle mehr, weil die Überwachung verläßlich ist", beruhigt Dr. Malte Elbrächter von der Biologischen Anstalt Helgoland.
Um die Todesrate in aller Welt weiter zu verringern und die Lebensmittelüberwachung zu verbessern, veranstalten Prof. Dr. Bernd Luckas von der Friedrich-Schiller-Universität, der Kanadier Dr. Allan Cembella und der Sylter Meeresbiologe Elbrächter einen Trainingskurs zur qualitativen und quantitativen Analyse von Algentoxinen in Jena, der heute begonnen hat. Finanziert durch UNESCO, IOC (Intergovermental Oceanographic Commission) und den Freistaat Thüringen werden in den nächsten zehn Tagen 19 Experten aus aller Welt mit den neuesten Methoden zur Bestimmung von Algentoxinen vertraut gemacht.
Wurde früher vorwiegend ein Tierversuch benutzt ("Maus-Bioassay"), so sind inzwischen physikalisch-chemische Methoden anerkannt, an deren Entwicklung der Jenaer Lebensmittelchemiker Luckas maßgeblich beteiligt war. Die giftigen Substanzen lassen sich durch chromatographische Trennung nachweisen. Dieses Analyseverfahren spart damit nicht nur zahlreiche Versuchstiere ein, sondern ist auch wesentlich genauer als der Maus-Bioassay, da die einzelnen Giftstoffe exakt bestimmt werden können.
Dafür ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig, betont Prof. Luckas, wie sie der Kurs bietet. Außerdem stehen in Jena inzwischen die notwendigen Geräte komplett zur Verfügung, seit vor kurzem ein neues Massenspektrometer die Ausrüstung am Uni-Institut für Ernährungswissenschaften komplettiert. Doch nicht nur die Ausstattung brachte den Kurs nach Jena. "Bernd Luckas ist einer der weltweit führenden Spezialisten für diese Toxine", erläutert Dr. Elbrächter, warum der Algenkurs nach 1994 zum zweiten Mal im Thüringer Binnenland stattfindet - und in Zukunft alle zwei Jahre in Jena wiederholt werden soll.
Die Problematik der Algentoxine existiert auch in Deutschland, versichert Dr. Elbrächter - "nur hier wird sie totgeschwiegen". Ähnlich wie bei Pilzvergiftungen - das Algengift Saxitoxin ist mit dem Giftstoff des Knollenblätterpilzes vergleichbar - führen nicht die gewerblich verkauften, sondern selbstgesammelte Muscheln und Meerestiere immer wieder zu Beschwerden. "Wir haben die Toxine regelmäßig - vor allem in den Monaten ohne r -, aber es gibt keine regelmäßige Förderung durch den Bund", beklagt der Sylter Experte. Die bisher bestehende 'Privatinitiative' einiger Uni-Institute - darunter das Jenaer - soll aber demnächst durch ein europäisches Programm erweitert und institutionalisiert werden.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Bernd Luckas
Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Jena
Dornburger Str. 25, 07743 Jena
Tel.: 03641/949650; Fax: 03641/949652
e-mail: b5belu@rz.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Axel Burchardt M. A.
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931041
Fax: 03641/931042
e-mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Criteria of this press release:
Biology, Chemistry, Environment / ecology, Information technology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Oceanology / climate
transregional, national
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