"Arbeit auf See" - das war das Thema einer Untersuchung über die Arbeitsverhältnisse in der Schifffahrt, die jetzt die Autoren Professorin Heide Gerstenberger und Dr. Ulrich Welke von der Forschungs- und Kooperationsstelle Schifffahrt der Universität Bremen vorgelegt haben. Wichtige Ergebnisse der Studie: Sicherheitsstandards und Arbeitsbedingungen erreichen auf einem ausgeflaggten Schiff heute vielfach das gleiche Niveau wie auf einem Schiff, das im internationalen Register eines der früher dominanten seefahrenden Staaten eingetragen ist. Die konkrete Situation an Bord und das Arbeitsklima hängen entscheidend vom Management und vom Kapitän ab. Die Seeleute allerdings leiden in der modernen Transportlogistik der internationalen Schifffahrt immer mehr unter Ausschluss und Einsamkeit.
90 Prozent der international gehandelten Waren werden - zumindest ein Stück des Weges - auf Schiffen transportiert. Da Transportkosten heute fast gar nicht ins Gewicht fallen, können sich Produktionsketten über Kontinente hinweg aufbauen. Wie sehen der durchschnittliche Arbeitsalltag und die durchschnittlichen Lebensbedingungen der Menschen aus, die Tag für Tag dafür sorgen, dass der internationale Warenhandel funktioniert? Den Wissenschaftlern Heide Gerstenberger und Ulrich Welke von der Forschungs- und Kooperationsstelle Schifffahrt der Universität Bremen ging es in ihrer Untersuchung also nicht um die katastrophalen Arbeitsverhältnisse, die es in der Schifffahrt schon immer gab und auch heute noch gibt. Die beiden Autoren waren auch selbst an Bord und haben Seeleute bei der Arbeit auf See und in den Häfen beobachtet. Insgesamt wirkten mehr als 200 Seeleute an dem Forschungsprojekt mit.
Der Kapitän ist entscheidend für das Klima an Bord
Als Mitte der 70-er Jahre die Ausflaggung von Schiffen reguläre Praxis von Schifffahrtsunternehmen wurde, sanken die Sicherheitsstandards in der Seeschifffahrt erheblich. Die Folgen: zahlreiche verlustreiche und die Umwelt belastende Schiffsunglücke. In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurden internationale Vorschriften und Kontrollregime eingeführt, die die Situation verbesserten - obwohl es auch weiterhin zahlreiche "schwarze Schafe" in der Seeschiffart gibt. Insgesamt aber können Sicherheitsstandards und Arbeitsbedingungen auf einem ausgeflaggten Schiff heute genau so gut oder auch besser sein als auf einem Schiff, das unter der Flagge eines der früher dominanten seefahrenden Staaten fährt und in dessen "Zweitregister" registriert ist, also etwa Norwegens oder Deutschlands. Die Situation an Bord wird durch konkrete Strategien des Managements bestimmt.
Seeleute fühlen sich eingeschlossen und ausgeschlossen
Reedereien sind heute vielfach nicht Eigentümer der Schiffe, die sie betreiben. Schifffahrtsfremde Schiffseigener interessieren sich kaum für ihre Schiffe, geschweige denn für die Mannschaften an Bord. Die meisten Seeleute werden heute auch nicht mehr direkt bei einer Reederei angestellt, sondern erhalten den Heuervertrag von einer so genannten "Crewing Agency". Viele Schiffe werden an Befrachter (die so genannten Charterer) vermietet. Diese entscheiden dann über den konkret Ablauf des Seetransports. Sie bestimmen die Routen und verlangen, dass die Liegezeiten in Häfen so kurz wie möglich sind. Viele Verantwortliche an Land nehmen Seeleute nur noch als Ladungsbegleiter wahr. Die Seeleute selbst fühlen sich eingeschlossen in die enge Welt des Seetransports, von der Welt draußen allerdings sind sie ausgeschlossen. Die Intensität der Arbeit an Bord ist zudem trotz größerer Automatisierung aufgrund des Personalabbaus angewachsen. Bis in die 70-er Jahre des 20. Jahrhunderts herrschte in der Seefahrt eine besonders ausgeprägte Arbeitskultur. Bis jetzt zeichnet sich noch nicht ab, dass sie durch eine neue - jetzt internationale - Arbeitskultur ersetzt würde. Statt dessen hängt das Arbeitsklima an Bord in einem sehr viel höheren Maße als früher vom Kapitän ab.
Je nach der Personalpolitik eines Unternehmens muss der komplizierte moderne Schiffsbetrieb heute von Besatzungen bewältigt werden, die entweder aus zwei, manchmal aber auch aus acht, neun oder noch mehr Herkunftsländern stammen und in der Zusammensetzung sehr häufig wechseln. In einer akuten Gefahr bedeutet die häufig wechselnde Zusammensetzung von Besatzungen ein zusätzliches Risiko. Der maritime Arbeitsmarkt ist heute nahezu vollständig globalisiert. Noch immer gibt es deutsche, französische oder britische Seeleute, aber "den" deutschen, französischen oder britischen Seemann gibt es heute nicht mehr.
Die Forschungsergebnisse sind jetzt als Buch erschienen:
Heide Gerstenberger & Ulrich Welke, Arbeit auf See. Zur Ökonomie und Ethnologie der Globalisierung
Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2004, 399 Seiten, € 29.90
Dem Buch liegt die DVD "A World Apart. Seafaring in the 21st Century" bei, ein Dokumentarfilm von Heide Gerstenberger, Januschka Lenk, Ulrich Welke.
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Forschungs- und Kooperationsstelle Schifffahrt
Prof. Dr. Heide Gerstenberger
Tel. 0421 218 3066
gerstenb@uni-bremen.de
Dr. Ulrich Welke
Tel. 0421 218 3842
welke@uni-bremen.de
Criteria of this press release:
Law, Politics, Social studies, Traffic / transport
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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